Das Paradies ist zu Ende. Louis Lautr

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Das Paradies ist zu Ende - Louis Lautr

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sagte: „Mir hen wieder sechzehn, on mei Freund hat heut Nachmittag Schul, deshalb isch er nit derbei, aber mir teilet des Geld.“ Frau Stark sagte: „Ihr könntet im Mausfange Weltmeischter werde.“ Frau Stark ging mit mir zum Klo. Frau Kofer kam ebenfalls mit und sagte: „Die Schwänze sind eklig, ich könnte sie nicht anfassen“. Frau Stark sagte: „Dene Bube macht des nix, i könnt die Schwänz au nit anfasse.“ Als ich gerade den sechzehnten Mäuseschwanz ins Klo geworfen hatte, kam Herr Mühlmeier, so hieß damals der Bürgermeister unseres Dorfes. Er begrüßte unsere Lehrerin und gab sich auch bei mir sehr Leutselig. Er bat uns in sein großes Bürgermeisterbüro und bot uns einen Platz an. Frau Stark wienerte um uns herum und erzählte dem Bürgermeister was für tüchtige Mäusefänger er in der Gemeinde hätte, er könne stolz auf seine jungen Bürger sein. Herr Mühlmeier fragte, Frau Kofer, ob sie die Bescheinigung gebracht hätte. Sie sagte ihm, dass der Umschlag im Büro von Frau Stark wäre. Frau Stark huschte pflichtbewusst davon um den Umschlag zu holen. Sie kam mit Erhard zurück, der stolz seine Schachtel präsentierte. Er hatte mit sieben Schulkameraden neun Wühlmäuse gefangen und die Schwänze mitgebracht. Der Bürgermeister sagte: „Es muss an der Lehrerin liege, dass in der Klasse so tolle Mäusejäger sind.“ Frau Kofer war bescheiden und sagte: „Aber Herr Bürgermeister, daran habe ich keinen Anteil. Die Wühlmäuse haben die Jungs alleine gefangen.“ Ganz leutselig sagte der Bürgermeister. „Jetzt saget sie doch zu mir nit Herr Bürgermeischter, i heiß Mühlmeier, denn i sag ja au nit Frau Lehrerin zu ihnen.“ Endlich kam Erhard zu Wort und fragte mich: „Wieviel hasch du mit deim Freund diesmal gfange.“ Ich sagte bescheiden: „Ha halt en dene paar Tag sechzehn Stück.“ Erhard wurde blass und danach rot vor Zorn. Er schrie mich an: „Des kann nit sei, du lügsch.“ Der Bürgermeister sah ihn an und sagte: „Du bisch doch im Hoseladestauch sein Sohn, ja hasch du denn keine Maniere, du kannsch doch in meinem Büro nit so rumschreie, ich glaub i muss a mal mit deim Vater schwätze. Ja glaubsch denn du mir wäret blöd, mir hen doch die Schwänze gseh on mitzählt. Du kasch mir glaube, dass alle im Raum bis sechzehn zähle könnet. On diesmal war sogar dei Lehrerin dabei.“ Erhard wurde klein und hässlich, er meinte: „Aber es kann doch fascht nit sei, dass die zwei immer so viel Wühlmäus fanget.“ Herr Mühlberger wurde etwas gnädiger und sagte zu Erhard: „Du musch des schportlich seh, es gibt im Sport gute und schlechte Verlierer, lerne ein guter Verlierer zu werden.“ Frau Kofer sagte zu Herrn Mühlberger, er hätte es Erhard sehr gut erklärt. Dies machte den Bürgermeister stolz. Er sagte zu Frau Stark: „Jetzt geben sie dem Sieger noch extra eine Mark und buchen die auf mein Spesenkonto.“ Deshalb bekam ich diesmal fünf Mark. Wieder viel Geld, zur damaligen Zeit. Erhard war ziemlich belämmert, weil er noch zusehen musste, wie ich bei Frau Kofer ins Auto stieg und mit ihr wegfuhr. Frau Kofer fragte mich im Auto nicht mal, wie und warum wir so viele Schwänze hatten. Sie sagte: „Nicht immer stimmt das Sprichwort: Ehrlich währt am längsten. Es gefiel mir auf eurem Rathaus.“ Ich fragte: „Merken sie nicht, wie alle Männer, sogar der Bürgermeister, auf sie fliegen?“ Sie sagte: „Louis, glaube nicht, dass er etwas besonderes ist, nur weil er Bürgermeister wurde. Stell dir in solchen Fällen einfach vor, er wäre im Nachthemd und hätte nicht seinen schönen braunen Anzug und seine hübsche Krawatte an. Menschen, die ein solches Amt bekleiden sind nicht besser, aber natürlich auch nicht schlechter als andere. Wir Bürger können Bürgermeister wählen, wenn er unser Dorf nicht gut regiert, wählen wir einen anderen Bürgermeister. Wir dürfen über Bürgermeister alles sagen und die Zeitungen dürfen alles schreiben. Man nennt dies Pressefreiheit. Als du noch nicht auf der Welt warst, erlebten wir in Deutschland eine Zeit, da durften Bürger weder wählen, noch durfte die Presse die Wahrheit schreiben. Hitlers Diktatur konnte Menschen willkürlich einsperren und wenn diejenigen, die Hitler dienten, es für richtig hielten, konnten sie Menschen, die nicht ins System passten, einsperren oder töten. Ich wünsche dir und euch allen, dass ihr solche Zeiten nie mehr erleben müsst. Es ist das Schlimmste, wenn Menschen keine Rechte haben. Wenn ihr Schulkinder in der Schule lernt, wie wichtig Zivilcourage ist, muss ich mir um Europas Zukunft keine Sorgen machen. Ich weiß, dass du kein kritikloser Untertan wirst. Ich habe erfahren, dass dein Vater im dritten Reich im Widerstand war, du kannst stolz auf ihn sein. Leider gab es von diesen Menschen zu wenige. Wir haben in der DDR, unserem anderen Deutschland, Menschen die unsere Freiheit nicht kennen. Sie haben weder eine freie Presse, noch freie Wahlen. Ich bin ganz sicher, dass sich solche Systeme nicht ewig halten. Deine Generation erlebt es sicher, dass Menschen in der DDR eines Tages frei werden und du in einem vereinten Deutschland und einem friedlichen Europa leben wirst. Wenn alle Europäer in unserem künftigen Europa in demokratischen Ländern leben, ist es für Menschen nicht mehr wichtig, in welchem europäischen Land sie leben. Aber, mein Schatz, dann müsst ihr euch mit fremden Sprachen beschäftigen, damit ihr euch gegenseitig versteht.“ Ich fragte: „Könnten sie sich in unser Parlament oder in unsere Regierung wählen lassen?“ „Ach mein lieber Louis“ sagte sie, „die Menschen wählen noch keine Frauen ins Parlament. Wenn du erwachsen bist, könnte es sein, dass man vielleicht unsere intelligente Rosanna wählen würde. Es würde mich freuen, wenn eure Klasse und euer Dorf sie wählen würde.“ Als wir vom Rathaus kamen und die Wohnung von Madame öffneten, fragte Lindtraud: „Wie ist es gelaufen?“ Madame erzählte ihr die Geschichte. Linde lachte und freute sich besonders über die Blamage von Erhard. Linde sagte: „Sein Vater war ein Nazi, das könnte sein Sohn auch sein.“ Ich sagte: „Der Erhard würde auch Menschen einsperren lassen, die ihm nicht passen.“ In unserem Dorf bemerkten wir, dass die sogenannte Entnazifizierung wenig änderte, bald saßen ehemalige Nazis wieder im Gemeinderat und wieder in Amt und Würden. Es gab genügend Lehrer, die damals in der NSDAP waren und heute wieder Schüler unterrichteten. Ich glaube, der Vater von Rosanna war ebenfalls ein Nazi, bei Reinhild weiß ich es nicht, weil in Larenbuch über Menschen die vermisst oder tot waren, nicht negativ gesprochen wurde. Ich fragte Ren, Ros, und Lin, ob wir mal unsere Eltern fragen wollten um eine Liste über Nazi aus unserem Dorf zu schreiben. Ros antwortete: „Lus des kasch vergesse, meine Eltern saget do nix, i glaub, dass mei Vater au in der Partei war.“ Lin und Ren sagten: „Wir können eine Liste schreiben unsere Mütter würden es uns sagen, aber was bringt es uns?“ Frau Kofer meinte: „Ihr könnt es euch mal überlegen und sehen was ihr herausfindet. Jetzt wollen wir noch ein Diktat schreiben.“ Als es plötzlich klingelte, sagte Madame: „Zieht euch rasch im Schlafzimmer an und setzt euch zum Diktat an Tisch, ich werde laut sprechen und eine Weile an der Tür stehen bleiben, ihr könnt hören wer es ist. Wenn ihr angezogen am Tisch sitzt, dann ruft mich, aber natürlich nicht Madame, sondern Frau Kofer.“ Wir beeilten uns und hörten Frau Kofer relativ laut reden, leider hörten wir nicht mit wem sie sprach. Wir waren rasch angezogen, weil wir uns gegenseitig halfen. Als wir am Tisch saßen, rief Ros: „Frau Kofer, wer hat geklingelt?“ Ich war überrascht, meine Mutter war etwas verlegen und entschuldigte sich, weil sie uns beim Lernen störte. Sie sagte: „Ich habe eine außergewöhnliche Bitte, ich muss nach Schailberg, weil ich im Elternbeirat des Gymnasiums von der Klasse meiner Tochter bin. Mein Sohn trifft Schulfreunde, deshalb wäre Louis alleine. Du hast mir mal angeboten, dass Louis bei dir länger bleiben könnte.“ Frau Kofer ließ meine Mutter nicht ausreden und sagte: „Martha, du kannst unbesorgt sein, Louis kann bleiben solange er will. Lindtraud übernachtet heute bei mir, du musst dich nicht beeilen und Louis nicht nachts abholen. Lindtraud und Louis übernachten und frühstücken morgen vor der Schule bei mir. Dein Louis kommt erst morgen Abend nach unserem Förderkurs heim. Meine Mutter war dankbar und sagte: „Ich überlegte lange, ob ich mit der Bitte zu dir kommen kann.“ Frau Kofer sagte: „Martha, dein Louis kann jederzeit bei mir bleiben, auch mehrere Tage. Du kannst mich jederzeit fragen.“ Meine Mutter sagte: „Ich bring dir noch den Schlafanzug und ein Handtuch, ich wusste nicht, dass Louis bei dir übernachten kann.“ Frau Kofer anwortete: „Du brauchst keinen Schlafanzug bringen, Louis kann von Lindtraud ein Nachthemd anziehen, das passt ihm sicher. Ich habe auch eine neue Zahnbürste und Handtücher habe ich genügend. Seine Unterhose und seine Kniestrümpfe waschen wir heute Abend, dann sind sie morgen trocken und er kann sie wieder anziehen.“ Lindtraud freute sich und sagte: „Schad, dass d‘ Ros nit au bleibe kann, es wär schö, wenn mir älle a mol bei ihne übernachte könntet.“ Madame sagte: „Vielleicht können wir das mal, wir werden sehen. Aber jetzt sollten wir noch unser Diktat schreiben, diesmal behalten wir unsere Kleidung an, denn nach dem Diktat geht Ros heim. Die Überschrift heißt: „Die seltsame Vermehrung von Wühlmausschwänzen und deren Bezahlung.“ Wir schauten uns

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