Sitten, Strolche & Strategen. J. J. Juhnke

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Sitten, Strolche & Strategen - J. J. Juhnke

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in sich hinein tanken. Ansonsten müsstet ihr noch Steuern auf das viele kostenlose Sperma zahlen. Bei hohen Vergnügungssteuern würdet ihr Mädchen ziemlich leer ausgehen, weil die Kerle euch ziemlich vollpumpen. Lassen wir es lieber nicht soweit kommen, sonst spricht sich der Gedanke noch herum und vor unseren Läden stehen lange Schlangen, wie damals im Krieg. Überlassen wir solche Überlegungen den Weltverbesserern hinter den eisernen Vorhang<.

      Beide standen jetzt von den Liegestühlen auf, das Mädchen stellte sich auf ihre Zehenspitzen, nickte mit dem Pferdeschwanz und fragte: >Was kostet eigentlich ein Autoführerschein bei meinen Talenten, geliebter Alfredo? Damit waren sie zu einem anderen Thema übergegangen. Alfredo aber nannte sich nun gerne scherzhaft einen Oasen Tankwart für Zapfhähne, mit Alkoholausschank und Musikbeschallung.

      Leonie war eine wilde Erscheinung. Aus ihr strahlte etwas zigeunerhaftes, mit ihren vollen schwarzen Haaren und höllisch dunklen Augen. Ihr Körper schien extra für sie konstruiert worden zu sein, so perfekt passte alles zusammen. Trotz ihrer ungestümen Wildheit gehörte sie einige Zeit zur Stamm Mannschaft. Nicht in der Drachenburg, aber für Einzelsitzungen wurde sie von den Herren immer wieder gerne genommen. Mancher Verkehr mit ihr dauerte das ganze Wochenende, so beliebt konnte sich Leonie machen. Die sehr kontrolliert lebenden Männer wurden von ihr in eine Wildheit hineingezogen, die sie scheinbar entbehrt hatten. Ihre klare Art sofort das Ruder in die Hand zu nehmen und die Schwächen der gestandenen Männer zu bedienen halfen dabei. Ihr frohes lachen deutete darauf hin das es ihr gefiel wie sie jetzt lebte und jeder Huren Liebhaber zum Abenteuer wurde, von denen sie immer etwas lernen konnte.

      Sie wollte sich "Vögelkätzchen", oder "Nummerngirl" nennen, aber es blieb beim alternativlosen Vorschlag von Alfredo. So wurde sie unter Kennern als "Tralala" geschätzt und empfohlen. Keine Ahnung warum Alfredo dieser Name einfiel, aber irgendwie passe er. Sie war eine sorglose Tralala. Ein anderes, erst nur spanisch sprechendes, sehr devotes Mädchen hieß bald Si Si und das konnte ich mir noch erklären. Wir nannten sie natürlich bald Sissi und das war auch ok. Bei Namen wie "Stiefelchen" musste man nur das dazu gehörige Mädchen gesehen haben um zu verstehen. Wenn man ihr glauben darf hing vieles mit dem Elternhaus vom Leonie zusammen. Ihr Vater, ein Schwächling und Schwätzer, ihre Mutter, ein herrschsüchtiger Bücherwurm. Sie steckten Leonie in eine Waldorfschule, flankierend experimentierten sie mit ihren Hochschullehrer Kenntnissen an sich und ihrem Kind herum. Sie war von zuhause getürmt, als ihr Vater eine neue Skulptur in den Garten stellen ließ. Das Kunstwerk war ein großes Trojanisches Pferd, aus Metall zusammengeschweißt. Als er sie in den Garten holte und über das Monster diskutieren wollte, war Schluss mit lustig für Leonie. Dabei war sie erst am Morgen wieder an den Hof gekommen. Sie hatte sich die Nacht über, freiwillig und gerne, von 3 Jungen durchficken lassen. War immer noch betrunken, roch nach Alkohol und Sex, aber das alles signalisierte dem schlauen Vater seine Wahrnehmung nicht. Ich glaube Leonie war für Alfredo eine Gelddruckmaschine. Konkurrenzlos in ihrer Art und von vielen Stammkunden der höheren Einkommensklasse, als ein Jungbrunnen ihrer dunklen Triebe verehrt. Eines Tages stand ein Privatdetektiv vor dem gelben Haus und fragte nach einem Mädchen Namens Leonie. Helene kannte solche Fälle, ließ sich die Hoteladresse vom Ermittler geben und versprach sich darum zu kümmern. Dann rief sie ihren Mann an und der wiederum kontaktierte den Mann mit dem Ledermantel. Gestapo Kuddel war eine anerkannte Kapazität in der Szene und konnte auf die richtigen Knöpfe drücken, so Siggis Beschreibung. Mein Vater glaubte über Kuddel sagen zu müssen: >Der Kurt, der brauche keine unnötige Gewalt. Der ist zuverlässig, ausgeschlafen und spricht die Sprache der Macht<. Was immer er damit gemeint haben mag, ich habe lieber nicht nachgefragt. Für uns Jungs blieb Kuddel immer der Mann mit den drei Gesichtsausdrücken: nach recht sehen, nach links sehen und geradeaus sehen. Er betrieb im Ort das Deutsche Haus, ein Veranstaltungsschlachtschiff mit Ballsaal und Kulissen vergangener Zeiten, die von manchen als Große bezeichnet werden. Das beeindruckende Bauwerk dieser Epoche ist heute längst auf Lastwagen verendet und sein Grund mit einem Einkaufscenter neu besiedelt. Es war ein Knotenpunkt jener Jahre, für alle die Interessen und Bedürfnisse hatten, welche Horten, Karstadt oder Merkur nicht befriedigen konnten. Dafür separater Hintereingang, flexible Hinterzimmer, passende Fremdenzimmer und versteckte Lagerräume. Und Kuddel sah nichts, hörte nichts und wusste nichts – eine seltene Kombination von Begabungen. Brandmauer gegen ewige Schnüffler und Vater sagte mal scherzhaft zum Captain Walker: Kuddel würde auch einem Gestapo-Verhör widerstehen. Das Deutsche Haus verfügte über ein außergewöhnliches Unterhaltungsprogramm, welches sich nur spontan darstellen ließ. Es waren die Konflikte, Streits, Auseinandersetzungen, Beschimpfungen, Bedrohungen und gegenseitigen Tätlichkeiten der Wirtsleute hinterm Tresen. Das schlug sich nieder in der Namensgebung füreinander: Hure und Hurenbock. Diese Ehe ist nie besser beschrieben worden. Wenn ich Kuddel, im schwarzen Ledermantel und Hut, auf der Post, oder sonst wo im Dorf sah, war mir klar, auf welcher Seite er im Verhörraum gestanden haben wird. Natürlich nur, wenn er jemals in so einem Raum gewesen wäre. Viele glaubten, Kuddel hätte den Mantel von damals nicht ausgezogen und aus Gewohnheit fuhr er auch einen alten Mercedes. Ich weiß noch wie er von den tausenden Denunzianten Briefen berichtete, von denen seine Behörde überschwemmt wurde. Nicht nur im Reichsgebiet. >Es waren so viele heimliche Mitteilungen das unsere Dienststelle nicht nach kam<, sagte er einmal in geselliger Runde. >Meist wurde ein Nachbar angezeigt. Ein Geschäftsmann dessen Laden ein anderer haben wollte. Die Freude am Besitz erhöht sich bekanntlich am Neid der anderen und wenn dann eine Gelegenheit sich anbot zeigt der Mensch erst wirklich was in ihm alles steckt<, meinte Kuddel trocken. Oft auch zeigten Frauen ihren Mann an, um ihn los zu werden. Irgendwann in den 70zigern verliert sich seine Spur in Deutschland. Ob es mit den Ansichtskarten zusammenhängt, wer weiß. Vielleicht wurde ihm was lästig. Diese Karten, aus aller Welt, klebten hinterm Spiegel in der Gaststätte und trugen alle denselben Absender: Kameraden der Wilhelmsstraße. Später arbeitete er, genau wie Indochina Albino, für Brandos gastronomische Betriebe auf Mallorca. Aber das ist eine andere Geschichte. Neue Karten kamen nach seinem Verschwinden allerdings nicht mehr an den Spiegel. Das kann an seiner rumänischen Ehefrau gelegen haben. Die junge Frau führte den Laden noch einige Jahre weiter und ging, clever wie sie war, mit einem älteren amerikanischen Offizier in die Staaten. Sehr zum Leidwesen der wilden 13 und ihren amerikanischen Geschäftsfreunden. Die schöne Oana hatte einige Talente ihres ersten Gatten verstanden und übernommen. Zusätzlich konnte sie nach Kuddels fortbleiben ihre horizontalen Interessen und Fähigkeiten in aller Freiheit ausüben. Ihr Weggang war ein herber Verlust und echte Trauer begleitete die Männerherzen der Region für lange Zeit. Aber ich schweife wieder ab. Zurück ins Jahr 1968: Nach Kuddels Moderation legten die Eltern keinen Wert mehr auf die Festsetzung ihrer Tochter und traten einen längeren Kuraufenthalt an. Leonie ließ ihr Geld von Helene verwalten, lebte im Bungalow mit den frisch eintreffenden Mädchen zusammen und wollte in ihrer Freizeit immer viel Auto fahren. Manchmal lieh ihr Alfredo sogar den Porsche. Das muss ihm Nerven gekostet haben. Aber so war er und das war Teil seines Erfolges. Seit sie die neuen Papiere vom jetzt dicken Rehm (von uns gerne Düsentrieb genannt) besaß, war sie auch sofort volljährige geworden. Bis sie sich eines Tages auszahlen ließ und im Flugzeug nach Berlin verschwand. Schade, sagte Alfredo, auch noch lange nach ihrem Abschied. Gento, nicht Brando oder mir, hat sie einen Teil ihrer Unterwäsche hinterlassen. Ein symbolisches Dankeschön für seine Versuche ihr mehr als ein großer Bruder zu sein. Er sprach sogar von Seelen-verwandtschaft. Ach, Gento! Später verschenke er Stücke dieses kleinen Schatzes weiter an Brando, zum Geburtstag. Das war ziemlich groß von ihm, fanden wir damals. Mein Geburtstag war noch lange hin und ich habe dann leider andere Geschenke bekommen. Das schöne Haus, der große Garten, die endlosen Sommer, mit den unbekannte, oder bekannten bezaubernden Mädchen, lachend und halbnackt in der sonnigen Pool Landschaft, alle die besonderen Menschen, denen man dort begegnen konnte. Wenn das nicht wirklich gewesen wäre, hätte es auch ein schöner Traum sein können. Für manche war die Villa ein Hafen. Sie kamen, gingen, kamen wieder, oder auch nicht. Das Haus lieferte Überraschungspakete und bekam auch welche geliefert. Heute existiert das gelbe Haus der Schlangen nur noch auf alten Fotos. Irgendwann haben Baumaschinen sie abgeholt. Das Gelände war zu interessant geworden, für eine Anlage mit vielen Mietshäusern. Aber als die alten Zeiten noch jung waren und alle Geschichten frisch, diese Schublade bleibt weiter geöffnet und lohnt sich immer wieder zu öffnen.

      Der

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