Zwielicht. Julia Frankau
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"Nur, weil Ihr Päckchen so ordentlich eingepackt ist." Er lächelte zurück.
"Ich habe es in aller Eile verschnürt. Ich wollte nicht in Versuchung kommen, hineinzuschauen."
"Damit bin ich nun Hüter und Testamentsvollstrecker gleichermaßen –– "
"Immerhin war es Margarets Wunsch, dass Sie ihre Papiere bekommen sollten", antwortete er ernst.
"Das hat sie Ihnen aber nicht gesagt. Sie haben nur mein Wort darauf", erwiderte ich.
"Könnte es einen besseren Beweis dafür geben? Woher hätten Sie sonst wissen sollen, dass es diese Aufzeichnungen überhaupt gibt? Warum haben Sie nach ihnen gesucht?"
Als das Päckchen auf der Steppdecke lag, kamen mir alle möglichen Schwierigkeiten in den Sinn. Ich wollte es nur öffnen, wenn ich allein war, und das war ich nie – buchstäblich nie allein, es sei denn, ich sollte schlafen, was aber dank Margaret und dem Codein den vorherigen Halbsatz schon wieder ad absurdum führte! Laut nachdenkend fragte ich Dr. Kennedy:
"Bin ich außer Gefahr?"
Er antwortete unüberlegt und ausweichend:
"Niemand ist jemals wirklich außer Gefahr. Jedes Mal, wenn ich mit meinem Wagen unterwegs bin, setze ich mein Leben aufs Spiel."
"Oh, ja! Ich habe schon von Ihrer Fahrweise gehört", antwortete ich trocken.
Er lachte.
"Man sagt mir nach, ich sei zu unbekümmert, dabei bin ich nur unglücklich. Mit etwas Glück ––– "
"Und was wäre mit etwas Glück?"
"Werden Sie noch sehr, sehr lange leben. Ich würde mir an Ihrer Stelle keine Sorgen machen. Es geht Ihnen jeden Tag besser."
"Ich mache mir keine Sorgen, ich denke nur an Mrs. Lovegrove. Sie hat zwei Kinder, ein großes Haus, berufliche und andere Verpflichtungen. Werden Sie ihr sagen, dass es mir gut genug geht, um allein gelassen zu werden?" Er antwortete schnell und überrascht:
"Sie will aber gar nicht gehen, sie ist gerne bei Ihnen. Was mich überhaupt nicht wundert."
Er war schon ein äußerst merkwürdiger Mensch. Manchmal hatte ich den Eindruck, er sei nicht "ganz da". Er sagte, was immer ihm in den Sinn kam, und war darüber hinaus noch in vielerlei Hinsicht anders als gewöhnliche Menschen. Ich musste ihm mein Bedürfnis nach Alleinsein erklären. Wenn Ella zurück in die Stadt ging, würde sich Benham bald, so hoffte ich wenigstens, wie eine gewöhnliche Krankenschwester verhalten – vielleicht musste ich sie auch ein wenig dazu "ermuntern." Ich hatte in London genug Krankenschwestern gehabt und kannte ihre Gewohnheiten. Zwei oder drei Stunden am Morgen für ihre sogenannten "Gesundheitsspaziergänge", zwei oder drei Stunden am Nachmittag für ein Nickerchen, ob sie in der Nacht geweckt worden waren oder nicht, und in den Pausen nahmen sie ihre Mahlzeiten zu sich, bei denen sie gerne auch länger verweilten. Das Alleinsein wäre ein leicht zu erringendes Gut, wenn Ella wegginge und es niemanden mehr gäbe, der überwachen oder kommentieren könnte, wie viel Aufmerksamkeit für zwei Guineen pro Woche gekauft werden konnte. Übrigens habe ich Benham falsch eingeschätzt, aber das sei nur am Rande erwähnt. Sie war niemals eine durchschnittliche Krankenschwester und hat sich auch nie so verhalten.
Nachdem dieses in braunes Papier gewickelte Päckchen auf dem Bett lag, lautete mein erstes Ziel, Ella davon zu überzeugen, nach Hause und zu den Kindern zurückzukehren – und das, ohne ihre Gefühle zu verletzen. Sie wäre noch keine fünf Minuten außer Haus gewesen, bevor ich Heimweh nach ihr bekommen hätte. Das war mir klar, aber man kann eben nicht gleichzeitig arbeiten und spielen. Ich hatte nie eine andere Gefährtin als Ella. Trotzdem – arbeite, solange du noch Licht hast. Ich musste unbedingt noch ein weiteres Buch schreiben, und hier lag eines in meiner Hand.
Ich ließ Dr. Kennedy das Päckchen wieder in die Schublade legen. Dann legte ich mich hin und machte Pläne. Ich musste mit Ella über Violet und Tommy reden, ihr Heimweh nach ihnen wecken. Ich fing noch am selben Nachmittag damit an, aber leider kannte mich Ella viel zu gut.
"Wie kommt Violet ohne dich zurecht?"
"Oh, es geht ihr gut."
Bald darauf fragte mich Ella leise, ob es noch jemanden gäbe, den ich gerne loswerden würde.
"Gott bewahre!" Mein Antwort klang beunruhigt und sie verstand sofort – verstand, ohne schmerzlich berührt oder beleidigt zu sein, dass ich allein sein wollte. Eine Sache, die Ella nie ganz begriff, war meine erbärmliche Unfähigkeit, in zwei Welten gleichzeitig zu leben, der realen und der unwirklichen. Wenn ich schreiben wollte, nutzte es nichts, mir dafür bestimmte Stunden oder Zeiten zuzuweisen. Ich wollte dafür den ganzen Tag und die ganze Nacht; ich wollte weder angesprochen noch von meiner Geschichte und meinen neuen Freunden losgerissen werden. Aus diesem Grund habe ich London immer für einige viele Monate im Jahr verlassen und gegen die Küste oder einen Ort im Ausland eingetauscht. London bedeutete für mich, dass ich Ella fast täglich sah oder hörte, entweder am Telefon, oder sogar persönlich.
"Du schreibst doch nicht den ganzen Tag, oder? Wovor versteckst du dich? Sei nicht so albern, du musst manchmal rausgehen. Ich hole dich mit dem Wagen um ––– "
Und dann lockte sie mich ins Theater, in ein Restaurant, oder sonst wohin. Sie dachte, die Leute würden mich gerne kennen lernen, aber ich konnte nur selten feststellen, dass sich irgendjemand für eine Schriftstellerin interessierte, wie viele Auflagen sie auch immer verkauft haben mag. Meine Kraft kehrte zurück, wenn auch langsam. Natürlich hatte Ella Verpflichtungen gegenüber ihren Kindern, was ich ihr manchmal – vollkommen unangebracht – übelnahm. Ich hatte mir immer gewünscht, dass ihr früher Witwenstand keine Hinterlassenschaften mit sich gebracht hätte. Doch gerade jetzt passten mir die Kinder hervorragend in meine Pläne; es war gar nicht nötig, dass ich auf irgendetwas drängte – und das gefiel mir, ich schwelgte sozusagen darin. Und da es mir ja besser ging –––
Ich wollte unbedingt mit diesem Päckchen allein sein. Noch bevor Ella wegging, wagte ich einen zaghaften Versuch.
"Ich möchte noch nicht schlafen, Schwester, lieber noch ein wenig lesen. Da ist ein Päckchen mit Briefen ––– "
"Nein! Nein! Davon will ich überhaupt nichts hören. Um zehn Uhr noch lesen! Was wird Ihnen wohl als Nächstes einfallen?"
"Es würde mir bestimmt nicht schaden", antwortete ich gereizt. "Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass es mir mehr schadet, wenn jedem meiner Vorschläge widersprochen wird."
"Wie auch immer, Sie werden mich nicht dazu bewegen, Ihnen dabei zu helfen, Selbstmord zu begehen. Nachts wird geschlafen, und Ihr Codein haben Sie auch schon gehabt."
"Das Codein ist kein Schlafmittel, es beruhigt und besänftigt mich nur."
"Umso mehr sollten Sie sich nicht von irgendwelchen alten Briefen wachhalten lassen." Sie disputierte, und ich ––– ; schließlich war ich zu müde und humorlos, um darauf zu bestehen. Ich entschied mich, so bald wie möglich alle Krankenschwestern loszuwerden und in der Zwischenzeit nicht mehr mit ihnen zu disputieren, sondern sie zu umgehen. Zu dieser Zeit, bevor Ella ging, stand ich jeden Tag für ein paar Stunden auf und legte mich auf die Couch am Fenster. Ich stellte meine Kräfte auf die Probe und fand schnell heraus, dass ich unter einiger Anstrengung vom Bett zur Couch und von der Couch zum Sessel gehen konnte – ohne mich auf den Arm einer