Demokratietheorien. Rieke Trimcev

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Demokratietheorien - Rieke Trimcev

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Wohlergehen der Allgemeinheit im Auge hat. Es sei aber besser, wenn die Entscheidungen der Regierung von einer Mehrzahl guter Männer getroffen werden als von einem Einzelnen, vorausgesetzt, dass diese Männer nicht gegen das Gesetz verstoßen (Politik III,15,1286a25 ff.). Das konstitutive Prinzip der Aristokratie erblickt Aristoteles in der Tugend, das der Oligarchie im Reichtum. Die Demokratie/Politie hingegen basiere auf der Freiheit (Politik IV,8,1294a10 f.). Da Aristoteles den ärmeren Schichten unterstellt, sie würden blindlings ihren Volksführern folgen, die ihrerseits nur ihre eigenen Interessen verfolgen und die Wohlhabenden übervorteilen und unterdrücken (Politik V,9,1310a2 ff.), sucht er nach einer Ordnung, in der die Interessen Aller gleichermaßen zur Geltung kommen, in der also ein Ausgleich möglich wird. Präferiert wird die Politie, in der die wenigen Reichen insgesamt so viel Gewicht haben wie die vielen Armen (Zensusstimmrecht) und alle Bürger sich im Sinne eines Rotationsprinzips in der Rolle der Regenten und Regierten abwechseln (I,12,1259b4 ff.; VI,2,1317b1). Weil alle „reinen“ Formen die Gefahr des Abgleitens in ihr negatives Gegenüber in sich bergen, empfiehlt Aristoteles den Völkern, sie mögen die einzelnen Prinzipien durch einander relativieren und Mischverfassungen – er nennt sie ebenfalls Politie – institutionalisieren.

      Dieser Vorschlag wurde in der Folgezeit beherzigt. Zwar wurden die demokratischen Einrichtungen in Athen beibehalten, doch wurden sie zusehends ihrer Substanz beraubt. Die politische Macht geriet in die Hände der alten Eliten, die Masse der Armen verzichtete gegen Ende des 4. Jahrhunderts nach und nach auf ihr Bürgerrecht. Sie zog sich freiwillig aus der Politik zurück und übertrug die städtische Macht den wenigen Reichen. Die Demokratie verwandelte sich in die Oligarchie der Honoratioren. Der antike Euergetismus, die Armenfürsorge der Wohlhabenden, ersetzte die politische Partizipation. Die Rolle des Monarchen in der praktizierten Mischverfassung übernahm der einstige Zögling des Aristoteles, der Makedonier Alexander der Große, der die Ära der autonomen Poleis 338 v. Chr. beendete, indem er sie unterwarf und seinem Weltreich eingliederte. Die Idee der Mischverfassung blieb jedoch lebendig. Sie wurde von den Peripatetikern hochgehalten und gelangte von ihnen zu den Anhängern und Verteidigern der römischen Republik (Polybios, Cicero). Auch in der Moderne wurde dem aristotelischen Ratschlag entsprochen. In den repräsentativen Demokratien westlichen Typs wurden Verfassungen institutionalisiert, in denen sich die drei Regierungsformen gegenseitig relativieren und balancieren: alle Bürger („Demokratie“) wählen einige ins Parlament („Aristokratie“), die wiederum einen zum Kanzler oder Präsidenten berufen, der alleine die Richtlinien der Politik bestimmt („Monarchie“). In Präsidialsystemen erfolgt auch noch die Wahl des „Monarchen“ durch das souveräne Volk. Es handelt sich folglich um Mischverfassungen, die im Sinne des Aristoteles die drei gegensätzlichen Prinzipien miteinander verschränken und konstitutionell begrenzen. Allerdings handelt es sich hierbei nicht mehr um Poleis, sondern um Staaten, die mithilfe von Bürokratien und stehenden Heeren das Monopol der legitimen physischen Gewaltsamkeit ausüben.

      → Dieser Beitrag ist digital auffindbar unter: DOI https://doi.org/10.46499/1651.2037

       Ausgewählt und interpretiert von Klaus Roth

      De re publica (51 v. Chr.)

      25 (39) „Es ist also“, sagte Africanus, „das Gemeinwesen die Sache des Volkes, ein Volk aber nicht jede irgendwie zusammengescharte Ansammlung von Menschen, sondern die Ansammlung einer Menge, die in der Anerkennung des Rechtes und der Gemeinsamkeit des Nutzens vereinigt ist. Ihr erster Beweggrund aber zusammenzukommen, ist nicht so sehr die Schwäche als eine sozusagen natürliche Geselligkeit der Menschen; ist doch diese Gattung nicht einzellebend und einzelgängerisch, sondern so geartet, daß sie nicht einmal im Überfluß an allen Dingen […] die Gemeinschaft entbehren kann“ […]

      26 (41) (Scipio) „‚Denn gäbe es im Menschen nicht zur Gerechtigkeit‘ bestimmte Samen sozusagen, würde man weder irgendeine Entwicklung der übrigen Tugenden noch des Gemeinwesens selbst finden. Diese Versammlungen also, aus dem dargelegten Grund gebildet, setzten zum ersten an einem bestimmten Ort ihren Wohnsitz fest, ihrer Behausungen wegen. Hatten sie diesen durch günstige Lage und der Hände Werk geschützt, nannten sie eine solche Vereinigung von Wohnstätten eine Burg oder eine Stadt, die durch Heiligtümer und öffentliche Plätze gegliedert war.

      27 (43) Aber in Königreichen sind die übrigen allzusehr ohne Teil an dem gemeinsamen Recht und Planen, und unter der Herrschaft der Optimaten kann die Menge kaum Anteil an der Freiheit haben, da sie jeglichen gemeinsamen Planens und jeglicher Macht entbehrt, und wenn alles von einem noch so gerechten und maßvollen Volk geleitet wird, so ist doch eben die Gleichmäßigkeit unbillig dadurch, daß sie keine Stufen der Würde kennt. Wenn deshalb der berühmte Perser Kyros der gerechteste und weiseste König war, so scheint mir doch jene ‚Sache des Volkes‘ – das ist nämlich, wie anfangs gesagt, das Gemeinwesen – nicht besonders erstrebenswert gewesen zu sein, da sie durch eines Mannes Wink und Maß gelenkt wurde. Wenn die Massilier, unsere Schützlinge, von auserwählten und fürstlichen Bürgern mit höchster Gerechtigkeit regiert werden, liegt doch in dieser Lage des Volkes eine gewisse Ähnlichkeit mit der Dienstbarkeit; wenn die Athener zu bestimmten Zeiten nach Aufhebung des Areopags alles durch Volksbeschlüsse und Volksentscheide betrieben, hielt der Staat, da sie ja keine unterschiedenen Stufen der Würde kannten, seine ihm eigene Zier nicht fest.

      28 (44) Und dieses sage ich über die drei Arten von Gemeinwesen, wenn sie nicht aufgewühlt und durcheinander gebracht sind, sondern ihren Zustand bewahren. Diese Arten sind erstens einzeln mit den Fehlern behaftet, die ich eben genannt habe, dann haben sie andere Fehler, die in Verderben führen; es gibt nämlich keine Art unter jenen Gemeinwesen, die nicht einen jäh abstürzenden und schlüpfrigen Weg hätte zu einem benachbarten Übel hin.

      29 (45) (Scip.) „[…] es gibt merkwürdige Perioden und gleichsam Umläufe der Veränderungen und Ablösungen in den Gemeinwesen; es ist Sache des Weisen, sie zu kennen, sie aber vorauszusehen, wenn sie drohen, in der Lenkung des Gemeinwesens die Entwicklung beherrschend und in seiner Gewalt behaltend, das ist das Werk eines großen Bürgers und eines fast göttlichen Mannes. Und so meine ich, ist eine vierte Art des Gemeinwesens sozusagen besonders gutzuheißen, die aus diesen drei, die ich erste nannte, ausgewogen und gemischt ist.“

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