Demokratietheorien. Rieke Trimcev

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Demokratietheorien - Rieke Trimcev

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wurden (Panaitios, Polybios, Poseidonios u. a.), als auch die von ihnen inspirierten Römer (Cicero, Sallust) blieben der alten republikanischen Ordnung verhaftet und kritisierten die schlechte Gegenwart am Maßstab der glorreichen Vergangenheit. Der bedeutendste römische Denker war Cicero (106-43 v. Chr.), der vor allem als Rhetor und Anwalt, aber auch als Politiker Karriere machte und schließlich in der Philosophie reüssierte. Zwar entwickelte er kaum neues Gedankengut, doch gelang ihm die Adaptation der griechischen Einsichten auf die römische Republik, die er im Anschluss an Polybios als adäquate Verwirklichung der von Aristoteles und den Peripatetikern begründeten Mischverfassung interpretierte und zur besten aller denkbaren Ordnungen stilisierte. Jeder Bürger hat demnach Anteil an der Regierungsgewalt – nach Maßgabe seiner Würde (dignitas). Die Konsuln verkörpern das monarchische, der Senat das aristokratische und die Volksversammlungen das demokratische Prinzip.

      Das Mit- und Gegeneinander dieser drei Elemente auf der Basis eines allgemeinen Konsenses über das geltende Recht und das gemeine Wohl (consensus iuris et utilitatis communio) habe Rom zu seiner Blüte geführt [De re publica I, 26-29 (42-45)]. Die egoistischen Bestrebungen der Stände seit der Zeit der Gracchen (133-121 v. Chr.) hätten diese ideelle Grundlage jedoch zerstört und damit den Niedergang und Verfall der Republik eingeleitet, die nunmehr durch Bürgerkriege zerrissen war und im Begriff stand, über die Diktatur Caesars (48-44 v. Chr.) zur Monarchie überzugehen. Das Volk (populus) war nicht mehr durch die Anerkennung des Gesetzes und durch gemeinsame Interessen verbunden, hatte demnach aufgehört, als Volk im Sinne Ciceros zu existieren (siehe den Beginn des obigen Auszugs). Es hatte sich in Parteien und Faktionen zersplittert, die sich aufs heftigste bekämpften. Um den Zerfall der Republik aufzuhalten, beschwor Cicero noch einmal die aristokratischen „Bürger“-Tugenden, den Patriotismus und die Idee der Gerechtigkeit (iustitia). Er begriff die res publica als „Sache des Volkes“ (res populi) und rief zur Eintracht (concordia) und zum gesteigerten Bürgerengagement, zur Disziplin und zur Selbstaufopferung der Einzelnen fürs Gemeinwesen und fürs Vaterland (patria) auf.

      Sein großes Ansehen gründete auf seiner Leistung als Rhetoriker, der in Rede und Gegenrede das Für und Wider der unterschiedlichen Auffassungen bedachte und deshalb auch in seinen philosophischen Schriften das Wahre und Richtige – wie zuvor Platon – in Gestalt von Dialogen zu ermitteln suchte. Diese Form ermöglichte es ihm (wie einst schon Herodot), Fürsprecher und Gegner der unterschiedlichen Verfassungen ihre Argumente vortragen zu lassen. Für die Rolle des Apologeten in der „Demokratenrede“ (siehe Auszüge) wählte er, um keinen noch Lebenden zu brüskieren, Scipio Aemilianus Africanus den Jüngeren († 129 v. Chr.), der einst Karthago (146 v. Chr.) und Numantia (133 v. Chr.) bezwungen hatte. Seine beiden – leider nur fragmentarisch überlieferten – politikphilosophischen Hauptwerke, De republica und De legibus, enthalten wertvolle Erläuterungen zum Funktionieren der republikanischen Ordnung und zu den Prinzipien und Techniken der oligarchischen Herrschaft, mit deren Hilfe die Plebs in Schach und von den Schalthebeln der Macht ferngehalten wurde. Ihr philosophischer Wert ist umstritten und wurde in jüngerer Zeit gelegentlich überschätzt.

      Ciceros bleibende Leistung war, das römische Politikdenken auf neue, von den Griechen übernommene Grundlagen gestellt zu haben. Den Römern aber bleibt insgesamt das Verdienst, das Recht auf neue Art systematisiert und eine Ämterlaufbahn kreiert zu haben, die in der Nachwelt zahlreiche Bewunderer fand und in modifizierter Gestalt von den modernen Staaten übernommen wurde.

      → Dieser Beitrag ist digital auffindbar unter: DOI https://doi.org/10.46499/1651.2038

II. Mittelalter und Frühe Neuzeit

       Klaus Roth

      Das Politikdenken der Antike erfuhr einen entscheidenden Bruch mit der Entstehung der großen Reiche, die der griechischen Ausnahme im Kontext der antiken Despotien ein Ende setzten und die autarken Städte absorbierten (Alexanderreich, Diadochenreiche, Römisches Reich). Die Bürger fanden sich nunmehr als Glieder großflächiger Einheiten wieder, die sich durch Unterjochung der kleinen Einheiten konstituierten und institutionell konsolidierten. Die Bürgerschaft wurde anonymisiert, ihre Einheit war nur noch mystisch erfahrbar. Die Angehörigen dieser Riesenreiche kannten sich nicht mehr, waren als Gesamtheit weder durch verwandtschaftliche oder ethnische noch durch politische oder religiöskultische Beziehungen miteinander verbunden, sondern einer ihnen unsichtbaren Macht ausgeliefert, deren Gewalt sie im Akt der Eroberung zu spüren bekommen hatten.

      Demokratie war in diesen Imperien undenkbar. Die Städte und Provinzen waren zu Befehlsempfängern der Könige und ihrer Satrapen geworden. Ihre Organisation und Verwaltung lag in den Händen der privilegierten Schichten. Für diejenigen, die keinen Zugang in die Reichsverwaltung oder in den Militärapparat fanden, blieb zunächst nur das eigene Haus, die Familie, die durch Arbeit zu ernähren war. Politik im Sinne der Bürgerbeteiligung an den Entscheidungen der Polis hatte aufgehört zu existieren.

      Den nötigen Raum boten im Römischen Reich insbesondere die urchristlichen Gemeinden, die sich durch die erfolgreiche Heidenmission des Apostels Paulus von Syrien über Kleinasien, Makedonien und schließlich das ganze Imperium Romanum bis nach Nordafrika ausbreiteten. In religionssoziologischer und religionspolitologischer Sicht erscheinen sie als Gegengründungen zum Imperium Romanum. In ihnen versammelten sich Menschen, die den sozialen und politischen Verhältnissen entfremdet waren, den wirtschaftlichen und rechtlichen, religiösen und kulturellen Ereignissen im Imperium distanziert

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