Midrasch. Gerhard Langer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Midrasch - Gerhard Langer страница 11

Midrasch - Gerhard Langer Jüdische Studien

Скачать книгу

Bedeutung Bibelauslegung für den tannaitischen Gebrauch von Midrasch (mit Ausnahme von mScheqalim 6.6) ab. Mandel sieht differenzierter einen Wandel in der zweiten Hälfte des 2. Jh. mit R. Aqiva zugeschriebenen Auslegungen, die kreative Exegese bezeugen, die z.B. Widersprüche oder überflüssige Worte auflöst und erläutert (vgl. mSota 5.2,4; tSota 5.13; tZevachim 1.8). Die Unterscheidung zwischen einer Schule R. Aqivas und R. Jischmaels mit unterschiedlichen Zugängen zur Schrift, die hier angesprochen wird, soll später noch ausführlicher erläutert werden. Der darschan ist, folgt man Mandel, vielfach nicht als Ausleger zu verstehen, sondern in erster Linie als öffentlicher Lehrer von Recht.

      An dieser Stelle mag genügen, dass das Verständnis von darasch und Midrasch auch in tannaitischer Zeit noch nicht fest definiert ist. Neben Mayer Grubers kritischer Analyse sind vor allem Paul Mandels verschiedene Arbeiten wichtig, um zu zeigen, dass sich die Bedeutung von darasch – etwas vereinfacht – von einer rechtlichen Instruktion und Vermittlung zu einer hermeneutischen Durchdringung und Auslegung wandelt. In diesem Sinne ist z.B. WaR 1.3WaR 1.3 zu verstehen, wo behauptet wird, dass die biblischen Bücher der Chronik „midraschisch“ erläutert (liddaresch) werden müssen, um |30|ihren eigentlichen Gehalt zu verstehen. Es folgen im Anschluss die Identifikationen der Namen von 1Chr 4,18 u.a. mit Moses, z.B. Jered = Moses, der die Tora oder die Gottesgegenwart (Schechina) herabbrachte (horid); oder Chever, der die Kinder mit dem Vater im Himmel verband (chibber). In jedem Fall überwiegen schon früh die Belege, die Midrasch im Kontext von Schule und Lehrhaus verwenden.

      In den Talmudim wird der Begriff u.a. als Auslegung, die sich von logischen Schlüssen ableitet (z.B. bBava Qamma 17b), als Interpretation eines Bibelverses oder der Bibel allgemein verstanden. jScheviit 8,1,37d stellt den Grundsatz auf:

      R. Bun bar Chija sagte: Jeder Midrasch, den du vorbringst (doresch) und der einen vorherigen Midrasch zerbricht, ist kein Midrasch.

      Hier fungiert Midrasch, in einer Auslegung von Lev 25,6–7, im Kontext von Bestimmungen zu erlaubten und verbotenen Nutzungen von Produkten im Sabbatjahr, die sich auf einen hermeneutischen Schluss, eine Einschließung bzw. Ausschließung, stützen (vgl. dazu unter Hermeneutische Regeln). Widersprüchliche Anwendungen in Bezug auf eine Bibelstelle werden ausgeschlossen. Wenn eine Bibelstelle bereits für eine Argumentation verwendet wurde, kann sie nicht mehr für eine andere Argumentation dienen.

      In jMegilla 1,12(9),72a; jJoma 3,5,40c; jJevamot 6,4 (3),7c gibt es den Grundsatz: kol midrasch [u-midrasch] beinjano („Jede Auslegung in ihrem Kontextjede Auslegung in ihrem Kontext“), wodurch die Widersprüchlichkeit von Auslegungen (unter der Verwendung von hermeneutischen Regeln) dadurch aufgelöst wird, dass man jede bezogen auf ihren jeweiligen (biblischen) Zusammenhang (injan) verstehen muss.

      Midrasch wird mehr und mehr als Auslegung von TextAuslegung von Text verstanden. So etwa, wenn es in jMegilla 1,1,70a zum Buch Ester heißt:

      „All das legte er dar in einer Schrift [aus der Hand JHWHs über mir, ließ verstehen alle Arbeiten, die der Plan vorsah]“ (1Chr 28,19) – das ist die Masora (der Konsonantentext); „aus der Hand JHWHs“ – das ist der Heilige Geist; „über mir, ließ es verstehen“ – von daher ergibt sich, dass sie zur Auslegung (lehiddaresch) gegeben wurde.

      Dort wird auch klar gelegt, dass das Buch Ester bzw. die Esterrolle eine der Tora entsprechende Bedeutung hat und wie diese selbst der Auslegung bedarf.

      Als Lerninhalt tritt Midrasch häufig aufAls Lerninhalt tritt Midrasch häufig auf. Wie bereits erwähnt, enthält die Liste von Studieninhalten in mNedarim 4.3 Midrasch, Halachot und Haggadot. Midrasch ist hier also von Haggada und Halacha getrennt zu lernen. In tBerachot 2.12 werden – im Zusammenhang mit Fragen zur rituellen Reinheit – auch die Frauen ins Studium integriert, wenn es heißt:

      |31|Männer und Frauen, die an Ausflüssen im Genitalbereich leiden, Menstruierende und Wöchnerinnen dürfen Tora, Propheten und Schriften lesen, Mischna, Midrasch, Halachot und Haggadot lernen.

      Im babylonischen Talmud (i.F. Bavli) schränkt man in bBerachot 22a allerdings diese großzügige Regelung wieder auf Männer ein.

      Eine gewisse Lernabfolge kann man z.B. aus jPea 2,6,17a erheben, wo es heißt, dass „Schrift, Mischna, Talmud und Haggada und auch das, was ein kundiger Schüler einmal vor seinem Lehrer entscheiden wird, bereits am Sinai Moses gesagt wurde.“ Allerdings wird im Alltag nicht unbedingt nach dieser Abfolge unterrichtet. In TanB Lech lecha 10 (34b) heißt es über R. Jochanan:

      Seine Schüler saßen vor ihm im (Auslegungs-)Kapitel (vertieft). Als sie mit ihrem Kapitel fertig waren, lehrte er sie eine Haggada und danach Mischna.

      In bTaʿanit 30a ist davon die Rede, dass man am 9. Av, dem Trauertag über die Zerstörung des Tempels, weder Tora, Propheten und Schriften liest noch Mischna, Midrasch und Talmud, Haggadot und Halachot studiert.

      Aussagekräftig ist auch bQidduschin 49a. Darin wird die Selbsteinschätzung eines EhemannesSelbsteinschätzung eines Ehemannes in spe gegenüber seiner künftigen Braut thematisiert. Wenn er behauptet, imstande zu sein, die Bibel lesen zu können, so lässt man ihn drei Verse vortragen und übersetzen, damit er sich verloben kann. Behauptet er von sich, ein Schriftkundiger zu sein, so muss er aus allen drei Teilen der Bibel (Tora, Propheten, Weisheitsschriften) genau vortragen. Hat er sich gar als Gelehrter vorgestellt, argumentieren die Rabbinen dazu keineswegs einheitlich:

      Chisqija sagte: (dies meint Kenntnisse bzw. Lernstoff der) Halachot; aber R. Jochanan sagte: Tora. Man wandte ein: Was ist Mischna? R. Meir sagt: Halachot, aber R. Jehuda sagt: Midrasch. Was ist Tora? Midrasch Tora (Auslegung der Tora). Dies gilt (unter der Voraussetzung,) dass er zu ihr sagte: Ich lerne. Sagte er aber: Ich bin ein Gelehrter (tanna), so muss er Halacha, Sifra und Sifre und Tosefta studiert haben.

      Midrasch wird von Jochanan allgemein als Lehre (Mischna) verstanden, demgegenüber Meir diese auf die gesetzlichen Teile (Halachot) einschränken will. In der Regel folgt die Mischna als Lernstoff nach der Bibel, die man im Grundstudium erlernen soll. Andererseits versteht man Midrasch als Auslegung von Tora. Der Schlusssatz konkretisiert diese auf die Exegese von Lev (Sifra) und Num/Dtn (Sifre).

      Avot de-Rabbi Natan A 28.17–19 vergleicht den Studierenden mit Steinen. Ein behauener SteinEin behauener Stein ist jemand, der nur Midrasch lernt, ein Eckstein einer, der Midrasch und Halacha lernt, ein polierter Stein aber ist schließlich jemand, der Midrasch, Halacha, Haggada |32|und Tosefta beherrscht, also über ein umfassendes Wissen in verschiedenen Bereichen verfügt. Etwas später (A 29.26) heißt es, dass einer, der Midrasch, aber keine Halacha beherrscht, nur schwach „bewaffnet“ ist. Wer aber beides besitzt, ist stark „bewaffnet“.

      Im Seder Elijahu Rabba ist das CurriculumCurriculum mehrteilig und umfasst Mischna, Midrasch, Halachot und Talmud und Aggadot (15, Friedmann 69); Mischna, Midrasch, Halachot und Aggadot (18, Friedmann 91) bzw. Midrasch, Halachot und Aggadot und den Dienst an den Gelehrten (28, Friedmann 155).

      Die Bedeutung des rabbinischen Verständnisses von darasch ist nicht zuletzt auch von seinem „Sitz im Leben“ abhängig. Unter Derascha wird oft eine Predigt oder eine synagogale Schriftauslegung verstanden. Diese Bedeutung ist für das Mittelalter zutreffend, doch zeigt sich, dass eine frühe Verankerung der DeraschaDerascha im Kontext der synagogalen Liturgie problematisch ist. In mehreren Studien (vgl. z.B. Porton, Sermon) konnte inzwischen plausibel gemacht werden, dass Rabbinen in früher Zeit nur sehr bedingt am Synagogenleben teilgenommen haben dürften und kein bedeutender Anteil an der liturgischen Gestaltung von ihnen ausgeht. Viel eher ist wahrscheinlich, dass die Rabbinen ihre Auslegung eines Bibeltextes im Rahmen eines Lehrvortrages hielten. Der Begriff darasch

Скачать книгу