Sozialraumorientierung 4.0. Группа авторов
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•Klient/in fehlen Ressourcen: Da ein Veränderungswille, in Abgrenzung zum Wunsch, mit Engagement und Eigeninitiative verbunden ist, braucht es für Willenskraft ein Gefühl der Selbstwirksamkeit. Fehlt der Zugang zu persönlichen Ressourcen, erlebt sich ein Mensch nicht in der Lage, wirklich wollen zu können. Georg Theunissen spricht, bezogen auf die Arbeit mit Menschen mit Behinderung, von einer „erlernten Bedürfnislosigkeit“ (Theunissen 2000, S. 39), Martin Seligmann von der „erlernten Hilflosigkeit“ (Seligmann 2016). Damit werden wir in allen Feldern Sozialer Arbeit konfrontiert, und es braucht Zeit und Methodenkompetenz im helfenden System, persönliche, soziale und sozialräumliche Ressourcen, etwa durch ein ressourcenorientiertes/lösungsfokussiertes Interview und in der Sozialraumorientierung gängige Instrumente, wie z. B. Ressourcenkarte, Ressourcencheck, Eco-Mapping oder Netzwerkkarten, zu mobilisieren. (In der Praxis geht das oft über die Möglichkeiten des Leistungsträgers hinaus. Daher sind an dieser Stelle häufig die Leistungserbringer im Boot, die dafür in der Regel deutlich mehr Zeit und Flexibilität aufbringen können.)
•Klient/in hat keine Referenzerfahrung für Lösung/Zielzustand: Die Situation ergibt sich in der Zusammenarbeit mit Menschen in äußerst schwierigen Lebenslagen, gerade, wenn diese seit Jahren, Jahrzehnten oder auch Generationen in dieser oder einer ähnlich misslichen Lage leben. Ist es überhaupt denkbar, dass es eines Tages anders sein könnte? Und wie sieht das dann aus? „If you can dream it – you can do it!“, sagen die Mentaltrainer/innen. Aber was, wenn ich es nicht mal träumen kann? Steve de Shazer und Insoo Kim Berg haben die Wunderfrage vorgestellt (DeShazer/Dolan 2008, S. 70 ff.), die sich hier in bestimmten Fällen platzieren ließe. Andere Fachkräfte machen gute Erfahrung damit, positive Gegenbilder (Biene 2017) als Kontrast zum Problem anzubieten. Aber auch ganz pragmatische Ansätze, Gelegenheiten zu schaffen (Früchtel u. a. 2013, S. 63) oder neue Dinge auszuprobieren, können zu realen Referenzerfahrungen führen, die das Repertoire an Wahlmöglichkeiten erweitern.
•Klient/in empfindet den Willen oder die Zielvorstellung als nicht ökologisch (und verhält sich ambivalent): Ziele und der Weg zur Zielerreichung sind in der Regel mit Risiken und Nebenwirkungen versehen. So könnte ein Mensch mit einer Suchterkrankung zwar einen neuen gesunden Lebensstil leben wollen, müsste aber, um dahin zu kommen, seinen Freundes- und Bekanntenkreis wechseln. Dieser Nebeneffekt kann so gewichtig sein, dass das Ziel nicht mehr ökologisch2 für ihn ist und ihn regelrecht bei der Arbeit am Ziel behindert. Auf manche Helfer/innen wirkt ein Mensch, der nichts dafür macht, der passiv bleibt und nichts umsetzt, willenlos. Häufig werden der mit der Zielerreichung verbundene Aufwand, der Sekundärgewinn durch ein Problem und die Kosten und Konsequenzen einer Zielerreichung (Risiken und Nebenwirkungen) von Fachkräften unterschätzt oder übersehen. Durch eine Überprüfung der Willens- und Zielökologie im Rahmen der Willenserkundung („Wollen Sie das wirklich – auch wenn das für SIE harte Arbeit bedeutet?“) und Zielerarbeitung („Welche Konsequenzen hat es für Sie und andere, wenn Sie Ihr Ziel erreichen?“; „Was verlieren Sie, wenn Sie am Ziel arbeiten?“; „Was verlieren Sie, wenn Sie das Ziel erreichen?“ usw.) kann dies überprüft werden. Keine Veränderung kann jedoch so perfekt geplant werden, dass alles von Anfang an bedacht ist. Daher ist die Überprüfung der Ökologie in aller Regel bei den durchführungsverantwortlichen Organisationen angesiedelt, die diese Friktionen reflektieren und auf den Tisch bringen müssen.
Im Ansatz des Motivational Interviewing findet man hier ebenfalls hilfreiche Anregungen: „Wenn Menschen sich – von außen betrachtet – selbstschädigend, unvernünftig und unmotiviert zeigen, haben sie dafür subjektiv gute Gründe. Das offensichtliche Fehlen von Motivation wird als ‚Feststecken in der Ambivalenz‘ interpretiert. Ambivalenz bedeutet hier, dass aus Sicht des ‚veränderungsunwilligen‘ Patienten gute Gründe für eine Veränderung […] und gute Gründe dagegensprechen. In einem motivationssteigernden Beratungsgespräch würden beide Seiten […] erfragt, gewürdigt und abgewogen.“ (Gehring/Straub 2019, S. 77 ff.). Neben der Arbeit mit dem offensichtlichen Dilemma ließe sich auch eine Erweiterung ins Tri- oder gar Tetralemma (von Kibet/Sparrer 2018, S. 85 ff.) vollziehen. Der Möglichkeitsraum des Entweder-oder wird dann ergänzt durch ein Sowohl-als-auch („Wie wäre es denn, wenn Sie einen gesunden Lebensstil führen und gleichzeitig Freunde haben?“) oder ein Keines-von-beiden. In dieser vierten Position gelingt es, den inneren Konflikt sozusagen in ruhiger Distanz von außen zu sehen, eine Kontexterweiterung, die den Willen hinter dem Willen beleuchten könnte.
•Klient/in verspricht sich von Hilfe etwas anderes: Soziale Arbeit ist durch ein untypisches Dienstleistungsverständnis gekennzeichnet. Bringt man ein Auto in die Autowerkstatt, erwartet man Expert/innen, die Probleme durch fachkundiges Geschick lösen (Lüttringhaus/Streich 2006, S. 304). Geht man zum Jugendamt, begegnen einem komische Fragen danach, wie man es selbst angehen könnte, was man schon alles versucht habe oder wie einen der Rest der Familie noch mehr unterstützen könne. Was Fachkräfte Sozialer Arbeit als hochgradig professionell bewerten, wirkt auf Menschen, die Unterstützung suchen, möglicherweise fremd bis hin zu inkompetent. Neben dem zweiten Prinzip des Fachkonzepts Sozialraumorientierung (Unterstützung von Selbsthilfekräften und Eigeninitiative), das darauf verweist, Menschen dabei zu begleiten, Soziale Arbeit möglichst schnell und effektiv wieder loszuwerden, ist in diesem Kontext die Unterscheidung von Wunsch und Wille von Bedeutung.
„Wenn Menschen mit der Formulierung eines Bedarfs die Verantwortung für die dafür notwendigen Handlungsschritte an die fragende Instanz delegieren, haben sie – nach unserem Verständnis – keinen Willen artikuliert, sondern mehr oder weniger offen einen Wunsch zu Gehör gebracht, für dessen Erfüllung andere zuständig sind.“ (Hinte/Treeß 2014, S. 46).
Diese Irritation gilt es in jedem Fall aufzuklären. Manchmal mit der Konsequenz, dass Menschen dann doch nicht mehr wollen. Auf die Klärung folgt also ein Prozess der Entscheidungsfindung.
„Will ich das wirklich?“ „Bin ich wirklich bereit, in die Veränderung zu gehen und an mir zu arbeiten (und möglicherweise ist das richtig harte Arbeit!)?“
•Klient/in will tatsächlich nicht, sondern meint, zu müssen: Im Gefährdungsbereich muss ein/e Klient/in. Im Bereich der Freiwilligkeit muss er/sie nicht. Er/sie hat einen Anspruch darauf, Unterstützung zu erfahren, aber auch das Recht, auszusteigen oder gar nicht erst mitzumachen. Hierüber gilt es aufzuklären und mit denjenigen Institutionen zu arbeiten (rechtliche Grundlagen erklären, Haltung kommunizieren, Kooperationen gestalten…), die solche Klient/innen schicken und meinen, dass die geschickten Menschen durch soziale Arbeit belehrt, bekehrt oder geheilt werden müssten.
•Klient/in hat unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Willen: Eine Königsdisziplin der Willenserkundung und Auftragsklärung ist hier angesagt – der Aushandlungsprozess.
3.Anforderungen an die Fachkräfte
Die Umsetzung des Prinzips der Willensorientierung fordert die Fachkräfte auf drei Ebenen: Haltung, Aufgaben und Handwerkszeug.
A. Haltung
„Lasst die Menschen ihre Lernerfahrungen