Sozialraumorientierung 4.0. Группа авторов

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Sozialraumorientierung 4.0 - Группа авторов

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radikal in Frage zu stellen: „Wie müssen wir uns als Organisation verändern/weiterentwickeln, sodass wir (agilere) Arrangements gestalten können, die dazu beitragen, dass Menschen auf ihre (eigensinnige) Art und Weise ‚klar kommen‘?“ Wenn man dann (neben dem Prinzip der Orientierung am Willen) weitere Leitgedanken des Fachkonzepts Sozialraumorientierung bei der Gestaltung ebendieser Arrangements berücksichtigt (Unterstützung von Selbsthilfekräften und Eigeninitiative, Ressourcenorientierung, zielgruppen- und bereichsübergreifende Aktivitäten, Vernetzung und Integration der verschiedenen sozialen Dienste), dann geht es beim disruptiven Denken nicht darum, den Leistungskatalog auszuweiten (und sich als Organisation möglicherweise weiter aufzublähen), sondern vielmehr darum, auf Basis sozialräumlicher Ressourcen einfache, elegante und effektive Wege zu finden, Menschen bei der Realisierung ihres Willens zu begleiten. Möglicherweise auch mit dem Nebeneffekt, die eigene Institution zurückzubauen.

      Handwerkszeug

      Weil es eben nicht leicht ist, gehört zur Willenserkundung ein breiter Fundus an Werkzeugen und Instrumenten. In unseren Fortbildungen zur Arbeit mit dem Willen trainieren oder empfehlen wir v. a. folgende:

      Aktives Zuhören, Fragen stellen (offen – geschlossen, lösungsfokussiert – ressourcenfokussiert – zielorientiert, zirkulär), Meta-Modell-Fragen, Pacing/ Leading/Rapport, SMART+3-Ziel-Arbeit, Motto-Ziel-Arbeit, Überprüfung der Willens- und Zielökologie, Ressourcenfischen (unter Einsatz diverser Instrumente, wie z. B. Ressourcenkarte, Eco-Map etc.), Embodiment, Framing, Pre-Framing, Reframing, Genogrammarbeit, Kollegiale Beratung, Familienrat, Motivational Interviewing.

      4.Schluss

      Aktuell gibt es v. a. drei Kritikpunkte an der am Willen ausgerichteten Sozialen Arbeit:

      1.Es gibt den einen Willen nicht.

      2.Klient/innen Sozialer Arbeit haben keinen Willen.

      3.Der Wille eignet sich nicht, um die Leistungsberechtigung zu überprüfen.

      Da der erste Punkt im Grunde kaum Gewicht hat, die Antwort mit einem „Na und?“ reichlich kurz ausfällt und der zweite Punkt bereits diskutiert wurde (s. auch Raspel 2019, S. 67-84), möchte ich mich auf das dritte Argument konzentrieren.

      Bei der Orientierung am Willen geht es nicht um die regelgeleitete Feststellung der formalen Leistungsberechtigung. Ausgangslage von Hilfen sind meist subjektiv empfundene und zum Teil objektiv nachvollziehbare Problemlagen der Betroffenen. Dadurch ist ein erster Zugang zum Unterstützungssystem möglich. Häufig werden nach dem Überprüfen der formalen Leistungsberechtigung Ziele formuliert – manchmal mit der Person, oft auch für die Person – und daran anschließend werden Maßnahmen zur Unterstützung angeboten. Das helfende System folgt mit diesem Vorgehen allerdings eher einer Logik der zu platzierenden Angebote als einer Logik der Begleitung von Entwicklung und Veränderung. Und genau hier setzt die Orientierung am Willen an, die auf der Haltung beruht, dass sich ohne den Willen der Person weder Entwicklung noch Veränderung ethisch vertretbar realisieren lassen (s. Gromann 2019, S. 326-328). Es geht dann nicht mehr (nur) darum, unter vorgefertigten Hilfeangeboten das passendste auszuwählen, es geht darum, einzuschätzen, ob Veränderung und Entwicklung gewollt sind und somit potentiell gelingen können.

      Die in der Sozialraumorientierung postulierte Orientierung am Willen stellt die Frage des Bedarfs nicht als eine von Fachkräften zu beantwortende Frage in den Raum, sondern schafft ein professionelles Setting, in dem Fachkräfte die vom Klientensystem dargestellten Problemkonstrukte zu verstehen versuchen. Der Bedarf wird lebensweltorientiert erfasst.

      Haben Helfersystem und Klientensystem den Eindruck, verstanden zu haben, worum es geht, wird daraus nicht automatisch die Installation einer Hilfe abgeleitet. Es geht dann vielmehr um einen co-kreativen Prozess der Entscheidungsfindung bei dem Klienten/der Klientin: Möchte ich wirklich in die Veränderung/Entwicklung gehen, was v. a. bedeutet, dass ich selbst aktiv werde und mich wahrscheinlich ganz schön fordern wird? Damit ist die Feststellung des institutionellen Leistungsanspruchs nicht ersetzt, sie wird aber ergänzend qualifiziert.

      Literatur

      Bandler, Richard/Grinder, John (2011): Metasprache und Psychotherapie. Die Struktur der Magie I, 12., neu übersetzte Auflage. Paderborn

      Biene, Michael (2017): Systemische Interaktionstherapie und -beratung. Unveröffentlichte Seminarunterlagen

      Bieri, Peter (2001): Der Wille: Was ist das? In: Bieri, Peter (2001): Das Handwerk der Freiheit. München/Wien

      Burns, David (2011): Feeling Good. Depressionen überwinden. Selbstachtung gewinnen. Wie Sie lernen, sich wieder wohlzufühlen, 3. Auflage. Paderborn

      De Shazer, Steve/Dolan, Yvonne (2008): Mehr als ein Wunder. Lösungsfokussierte Kurztherapie heute. Heidelberg

      Fehren, Oliver/Hinte, Wolfgang (2013): Sozialraumorientierung – Fachkonzept oder Sparprogramm? Berlin

      Früchtel, Frank/Budde, Wolfgang/Cyprian, Gudrun (2013): Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Fieldbook: Methoden und Techniken, 3., überarbeitete Auflage. Wiesbaden

      Gehring, Ulrich/Straub, Christoph (2019): Motivierende Gesprächsführung in der suchtmedizinischen Grundversorgung. In: Bastigkeit, Matthias/ Weber, Bernd (Hg.) (2019): Suchtmedizinische Grundversorgung. Kursbuch zum Curriculum der Landesärztekammern. Stuttgart

      Gromann, Petra (2019): Zur Bedeutung selbstbestimmter Ziele bei der Gesamt- und Teilhabeplanung und für die sogenannte „Wirkungsorientierung“ im Bundesteilhabegesetz. In: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V. (NDV), 7/2019, S. 326-329

      Hinte, Wolfgang (2019): Das Fachkonzept „Sozialraumorientierung“ – Grundlage und Herausforderung für professionelles Handeln. In: Fürst, Roland/Hinte, Wolfgang (2019): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten, 3. Auflage, S. 13-32. Wien

      Hinte, Wolfgang/Treeß, Helga (2014): Sozialraumorientierung in der Jugendhilfe. Theoretische Grundlagen, Handlungsprinzipien und Praxisbeispiele einer kooperativ-integrativen Pädagogik, 3., überarbeitete Auflage. Weinheim/München

      Hinte, Wolfgang (2005): Non-direktive Pädagogik. Eine Einführung in Grundlagen und Praxis des selbstbestimmten Lernens, 1. Auflage, Nachdruck. Wiesbaden

      Lüttringhaus, Maria/Streich, Angelika (2006): Zielvereinbarungen sichern Qualität: Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. In: Evangelische Jugendhilfe (EREV), 5/2006, S. 304-316

      Raspel, Julia (2019): Können Menschen wollen? Philosophische und neurologische Grundlagen für die Debatte in der Sozialen Arbeit. In: Fürst, Roland/Hinte, Wolfgang (2019): Sozialraumorientierung. Ein Studienbuch zu fachlichen, institutionellen und finanziellen Aspekten, 3. Auflage, S. 67-84. Wien

      Schmidt, Gunther (2004): Liebesaffären zwischen Problem und Lösung. Hypnosystemisches Arbeiten in schwierigen Kontexten. Heidelberg

      Seligmann, Martin (2016): Erlernte Hilflosigkeit, 5., neu ausgestattete Auflage. Weinheim/Basel

      Theunissen, Georg (2000): Verhaltensauffälligkeiten – Ausdruck von Selbstbestimmung? Bad Heilbrunn

      Von Kibet, Matthias Varga/Sparrer, Insa (2018): Ganz im Gegenteil. Tetralemmaarbeit und andere Grundformen Systemischer Strukturaufstellungen – für Querdenker und solche, die es werden wollen, 10. Auflage. Heidelberg

      Fußnoten

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