Öffentliches Wirtschaftsrecht. Stefan Storr
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Aus dieser Reglung in § 3a UWG, aber auch dem Telos des UWG folgt, dass ein Normverstoß nur dann wettbewerbsrechtlich als unlauter zu qualifizieren ist, wenn die Vorschrift zumindest auch zur Regelung des Marktverhaltens dient und so gleiche Voraussetzungen für die Wettbewerber schaffen soll. Dies ist hinsichtlich Privater anerkannt für die Bestimmungen des Jugendschutzes[125], des Ladenschlusses[126] und des Nichtraucherschutzes, aber auch produktbezogene Vorschriften, zB Versandhandelsverbote[127] und Werbeverbote (zB §§ 19 ff TabakerzG, §§ 3 ff HWG), aber auch die berufsrechtlichen Werbebeschränkungen[128]. Ein „Vorsprung durch Rechtsbruch“ kann aber auch in einem Verstoß des Privaten gegen wirtschaftsverwaltungsrechtliche Erlaubnispflichten (dazu Rn 32) sowie in Vergaberechtsverstößen liegen[129]. Allerdings bietet hier ein Vorgehen gegen den öffentlichen Auftraggeber in der Regel effektiveren Rechtsschutz, da auf diese Weise nicht nur das wettbewerbswidrige Handeln des Konkurrenten, sondern die Zuschlagserteilung verhindert werden kann[130].
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In Fall 2 (Rn 2)[131] könnte K vor den Zivilgerichten einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 3a, 8 Abs. 3 Nr 1 UWG iVm § 1 Abs. 1 HwO auf Unterlassung der Ausübung handwerklicher Tätigkeiten geltend machen. Nach § 3a UWG setzt dies voraus, dass die öffentlichrechtlichen Vorschriften der HwO nicht nur als Marktzutrittsregelungen, sondern auch als wettbewerbsbezogene Marktverhaltensregeln gedeutet werden können, was die Rechtsprechung bejaht[132]. Die Vorschriften der HwO stellten Qualifikationsanforderungen an den Unternehmer und dienten jedenfalls auch dazu, die Interessen der Abnehmer von Handwerksleistungen zu schützen (vgl zum Paradigmenwechsel der Neuregelung Rn 457 f); entsprechendes wird angenommen hinsichtlich der Erlaubnispflichten nach der GewO[133] oder dem sonstigen Wirtschaftsrecht[134]. Allerdings sehen sich die Zivilgerichte nicht an die Auslegung der öffentlichrechtlichen Vorschriften durch die Verwaltungsgerichte gebunden. Auch das Unterlassen der Werbung könnte auf das UWG gestützt werden. Wer mit Leistungen wirbt, die Handwerksbetrieben vorbehalten sind, selbst aber nicht in die Handwerksrolle eingetragen ist, handelt außerdem unlauter iSd §§ 3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr 3 UWG[135]. Den irreführenden Charakter seiner Werbung wird man nur dann annehmen können, wenn die Voraussetzungen einer Eintragung in die Handwerksrolle nicht vorliegen[136]. Ebenso wird man nicht von einem Verstoß ausgehen können, wenn die zuständigen Stellen bzw auch der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht in ihrer Auslegung divergieren[137].
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Vorschriften des öffentlichen Wirtschaftsrechts können auch Verbotsgesetze im Sinne von § 134 BGB darstellen. Dazu gehören nicht nur gesetzliche Vorschriften, sondern auch die Satzungen von berufsständischen Kammern (vgl Rn 206)[138]. Daher sind Verträge zur Umgehung öffentlichrechtlicher Erlaubnispflichten grundsätzlich nichtig[139]. Trifft das Verbot allerdings nur einen Vertragspartner, wie es bei gewerberechtlichen Erlaubnispflichten der Fall ist, so folgt aus der Verletzung einseitiger Verbote nur dann die Nichtigkeit des Vertrages, wenn der Zweck des Gesetzes anders nicht zu erreichen ist und die durch das Rechtsgeschäft getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann. Im Ergebnis wird die Nichtigkeitsfolge daher häufig verneint (vgl zB § 15 Abs. 5 KWG), soweit sie nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist. Von der Qualifikation als Verbotsgesetz zu unterscheiden ist die Frage nach dem Charakter als Schutzgesetz iSv § 823 Abs. 2 BGB[140]. § 134 BGB soll einen bestimmten rechtsgeschäftlichen Erfolg wegen des „Wie“ des Zustandekommens des Inhalts des Rechtsgeschäfts verhindern, § 823 Abs. 2 BGB dient dem Individualrechtsschutz.
Bei der Eintragung in die Handwerksrolle in Fall 2 (Rn 2) hielt der BGH die öffentlichrechtlichen Möglichkeiten des Einschreitens für ausreichend[141], so dass die fehlende Eintragung in die Handwerksrolle die Wirksamkeit der mit Kunden eingegangenen Verträge nicht beeinträchtigt. Allerdings ist auch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Verbotsgesetz[142], so dass sich daraus eine Nichtigkeit des Vertrages ergeben kann. Bei den Erlaubnispflichten für das Reisegewerbes hielt der BGH die zivilrechtlichen Widerrufsmöglichkeiten bei Haustürgeschäften als ausreichend[143]. Kontrovers und teilweise differenziert werden die Konsequenzen des Fehlens einer Bankerlaubnis nach § 32 KWG beurteilt[144]. Der Verstoß gegen Anordnungen der BaFin führt dagegen nicht zur Nichtigkeit entsprechender anordnungswidrig abgeschlossener Verträge[145].
§ 1 Wirtschaft und Verwaltung › III. Öffentliches Wirtschaftsrecht als Referenzgebiet des (allgemeinen) Verwaltungsrechts
1. Das öffentliche Wirtschaftsrecht als Motor einer Verwaltungsrechtsmodernisierung
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Das Wirtschaftsverwaltungsrecht lässt sich in mehrfacher Hinsicht als „Referenzgebiet“ für das allgemeine Verwaltungsrecht und das Verfassungsrecht bezeichnen. Reformentwicklungen beginnen immer häufiger nicht mehr im Umwelt-, sondern im Wirtschaftsverwaltungsrecht. Dies zeigt sich an der Diskussion um Privatisierung und Deregulierung, um neue Formen der Kooperation von Staat und Privaten und vor allem am Einsatz von Marktinstrumenten als Ausdruck einer „Ökonomisierung“ des Verwaltungsrechts[146]. Privatisierung darf also gerade nicht mit einem Abschied vom (Wirtschafts-)Verwaltungsrecht gleichgesetzt werden. Ganz im Gegenteil werden gerade durch die Privatisierung dem Wirtschaftsverwaltungsrecht neue, praktisch bedeutsame und auch aus anwaltlicher Sicht interessante Bereiche erschlossen.
Die Entstehung des Telekommunikationsrechts steht für den wohl wirtschaftlich bedeutsamsten Fall eines Abbaus staatlicher Monopole bzw ihrer Überführung in einen privaten, aber eben staatlich beaufsichtigten Markt (s. Rn 23). Genauso anerkannt ist seine Bedeutung für die verwaltungsrechtliche Systembildung[147]. Aber auch über das Telekommunikations- bzw „Regulierungsrecht“ hinaus stellt das öffentliche Wirtschaftsrecht das allgemeine Verwaltungsrecht vor neue dogmatische Herausforderungen. Dies gilt für die Public Private Partnership (s. Rn 621 ff) genauso wie für die rechtlichen Anforderungen an staatliche Allokationsentscheidungen, für die die Versteigerung von Frequenzen nur das prominenteste und keinesfalls genuin „telekommunikationsrechtliche“ Beispiel darstellt (s. unten Rn 554 ff). Dieser Einsatz von Marktmechanismen für staatlich gelenkte Verteilungsentscheidungen findet im Emissionshandel eine konsequente Fortsetzung. Insoweit muss auch das Verwaltungsverfahrensrecht auf die neuen Kooperations- und Handlungsformen reagieren, nicht zuletzt zur Verwirklichung des verfassungsrechtlich gebotenen „Grundrechtsschutzes durch