Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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über seine alltägliche Lebenswelt, sondern kann dieses auch sprachlich vermitteln (Mead). Sozialisation erscheint hier als der Prozess, in dem Wissen von der gesellschaftlichen Wirklichkeit über Sprache bzw. Symbolinterpretationen erworben wird (neben Mead sind auch Alfred Schütz, Peter Berger und Thomas Luckmann Vertreter dieser Position).

      •Das Integrationsmodell rückt die Persönlichkeitsentwicklung in den Fokus: Der Mensch wird den gesellschaftlichen Einflüssen entsprechend gebildet; er geht – gleichsam als ein Ebenbild seiner Gesellschaft – restlos in ihr auf: Die Person erscheint als (Persönlichkeits-)System von Bedürfnisdispositionen, die sich infolge der Verinnerlichung von Wertorientierungen ausbilden, welche das Individuum im Zuge seines Rollenhandelns erwirbt. Sozialisation ist also der Prozess, in dem Menschen in die Gesellschaft integriert werden (zu den Hauptvertretern zählt Talcott Parsons).

      •Der Fokus des Repressionsmodells liegt auf dem „Konflikt zwischen gesellschaftlich vermittelten und anderen Persönlichkeitsmomenten innerhalb des Individuums“ (Geulen 1977: 81). Es gibt zwei Ausprägungen des Modells: Einerseits wird Sozialisierung als „Prozess der Entpersönlichung“ gesehen, in dem die Individualität und Freiheit des Einzelnen in der Kontrolle und Allgemeinheit sozialer Rollen aufgehoben wird“ (Dahrendorf 1974: 164). Andererseits sind es – etwa bei Sigmund Freud (1856–1939) – „die im Organischen fundierten Triebe der Menschen“ (Geulen 1977: 81), von denen jede Gesellschaft nur einen recht schmalen Ausschnitt der an sich breitgefächerten Triebregungen zulässt. Sozialisation erscheint hier somit als der Prozess der Verinnerlichung gesellschaftlicher Institutionen, die zur eigentlichen Individualität des Menschen im Widerspruch stehen.

      •Im Individuationsmodell wird Gesellschaft dagegen als Voraussetzung für die Menschwerdung angesehen: Nicht trotz Sozialisation, sondern erst infolge konkret ablaufender Sozialisationsvorgänge kann sich menschliche Individualität entwickeln. Neben Emile Durkheim, Georg Simmel, Helmut Plessner und Jürgen Habermas sieht Geulen auch George Herbert Mead als Vertreter dieses Modells. Sozialisation ist für diese Ansätze also der Prozess, in dem die gesellschaftliche Vermittlung von Individualität stattfindet, in dem sich Identität und „Selbst-Bewusstsein“ im Rahmen der Interaktion mit anderen Menschen (und im Rahmen von Rollenübernahme) überhaupt erst bilden kann.

      Es würde Rahmen und Umfang dieses Buches sprengen, wollte man das ontogenetische Werden des Menschen aus jeder der hier angesprochenen sozialisationstheoretischen Perspektiven verfolgen und dann den Stellenwert von Kommunikation im jeweils skizzierten Prozess der Persönlichkeitsgenese orten. Vielmehr soll ein Ansatz herausgegriffen und auf seine „kommunikative Dimension“ hin befragt werden: der auf George Herbert Mead zurückgehende Ansatz des Symbolischen Interaktionismus (S.I.), der in der Einteilung von Geulen sowohl dem Individuations- als auch dem Wissensmodell zuordenbar ist.

      Dieser Ansatz hat nicht nur eine Nähe zum bisherigen Denken (so ging der teilweise diesem Interaktionismus entlehnte Symbolbegriff in das hier entwickelte Kommunikationsverständnis ein), sondern er hat auch in weiten Bereichen der rezipientenorientierten Medienwirkungsforschung seine Spuren im Fach hinterlassen.19

      Bevor näher auf den S.I. eingegangen wird, ist jedoch Grundsätzliches zur sozialen Rolle voranzustellen, weil der Rollenbegriff im Konzept des S.I. einen zentralen Stellenwert hat.

      Mit dem Begriff der sozialen Rolle wird die Summe von Verhaltenserwartungen bezeichnet, die dem Inhaber einer sozialen Position von anderen Menschen entgegengebracht werden (z. B. Dahrendorf 1974: 144, Dreitzel 1980: 43, Lautmann 2011: 581). Als Position gilt dabei der Platz in einer Gesellschaft, also der Ort im Gefüge sozialer Beziehungen, der für einen Funktionsträger (ohne Rücksicht auf die jeweils konkrete Person) bestimmt ist und diesen sozial qualifiziert (Buchhofer 2011: 516). Rollen beziehen sich also immer auf Positionen und nicht auf einzelne Menschen und die Verhaltenserwartungen betreffen immer Erwartungen, die in das Verhalten von Positionsinhabern gesetzt werden. Wir bekleiden üblicherweise eine Vielzahl sozialer Positionen, in denen wir ganz unterschiedliche Rollen spielen, die verschiedene Erwartungen provozieren.

      Ehemann/Ehefrau Vater/Mutter, Sohn/Tochter, Universitätsprofessor·in, Mitglied eines Sportvereines etc. Damit sind beispielhaft ausgewählte soziale Positionen in unserer Gesellschaft symbolisiert, die eine einzelne Person einnehmen kann. In jeder dieser Positionen schlüpft sie aber zugleich auch in bestimmte Rollen, d. h., sie sieht sich Erwartungen im Hinblick auf ihr Verhalten gegenüber, die ihr von „außen“ (von der Gesellschaft) in Gestalt jeweiliger lnteraktionspartner·innen entgegentreten. So wird die Lebenspartnerin andere Erwartungen in ihr Verhalten setzen als etwa ihre Tochter oder ihre Mutter; sie selbst wiederum wird ihren Studierenden an der Universität anders gegenübertreten als den Kolleg·innen im Sportverein usw. Obwohl es sich immer um ein und dieselbe Person handelt, schlüpft sie dennoch in verschiedene Rollen und ruft dadurch bei ihren jeweiligen Interaktionspartner·innen ganz unterschiedliche Erwartungen im Hinblick auf ihr Verhalten wach.

      Zentral an der rollentheoretischen Perspektive menschlichen Verhaltens ist also der Umstand, dass die Erwartungen in den Mittelpunkt rücken, die im Rahmen interaktiver Beziehungen im Spiel sind: „Wenn wir von sozialen Rollen sprechen, dann ist stets nur von erwartetem Verhalten die Rede, d. h. von der […] Gesellschaft, die den einzelnen mit gewissen Ansprüchen konfrontiert“ (Dahrendorf 1974: 145). Soziale Rollen sind nichts anderes als „wiederkehrende Verhaltensforderungen“ (Fürstenberg 1974: 21).

      Nicht beantwortet ist damit freilich die Frage, ob sich eine Person in ihrer jeweiligen sozialen Position auch tatsächlich so verhält, wie „man“ es von ihr erwartet. Der Umstand, dass dies dennoch vielfach der Fall ist, dass also viele Menschen die an ihre sozialen Positionen herangetragenen Rollenerwartungen (mehr oder weniger) erfüllen,20 verweist auf das Sozialisationsgeschehen. Vom rollentheoretischen Blickwinkel aus stellt sich der Sozialisationsprozess im Wesentlichen als das Kennenlernen bzw. Übernehmen von positionsadäquaten Verhaltensmustern dar: Wir lernen, welche Verhaltenserwartungen (Rollen) den jeweiligen sozialen Positionen entsprechen, und erfahren, „was nicht akzeptables bzw. was akzeptables Verhalten ist“ (Cardwell 1976: 126).

      Im Regelfall werden im Sozialisationsprozess also die mit einer sozialen Position zu verknüpfenden Rollen internalisiert (verinnerlicht). Damit wird die Fügsamkeit gegenüber den normativen Erwartungen der Gesellschaft erworben: „Mit ihrer Verinnerlichung werden viele Rollen selbstverständlich, man lässt sich von ihnen leiten, ohne dass die Rollenhaftigkeit des Verhaltens zum Bewusstsein käme“ (Dreitzel 1980: 46).

      Neben dieser inneren Kontrolle der Gesellschaft über menschliches Verhalten gibt es aber auch noch eine äußere: Sie besteht in den Sanktionen, welche die Verletzungen bestimmter Rollenerwartungen nach sich ziehen. Sanktionen sind die Mittel, die eine Gesellschaft zur Verfügung hat, um für die Einhaltung ihrer Vorschriften zu sorgen. Sanktionen sind Reaktionen der Gesellschaft bzw. ihrer Institutionen sowohl auf rollenkonformes als auch auf rollenabweichendes Verhalten. „Es gibt positive und negative Sanktionen: Die Gesellschaft kann Orden verleihen und Gefängnisstrafen verhängen, Prestige zuerkennen und einzelne Mitglieder der Verachtung preisgeben“ (Dahrendorf 1974: 147). An der Existenz und am Ausmaß sozialer Sanktionen kann man letztlich den Grad der Bedeutung ablesen, die der jeweiligen Rolle in einer Gesellschaft beigemessen wird.

      Es ist kein Zufall, dass immer wieder Parallelen zwischen sozialer Rolle und der Schauspieler·innenrolle in einem Theaterstück hergestellt werden. Sowohl die soziale Rolle als auch die Rolle des·der Schauspieler·in ist a) etwas ihrem·ihrer Träger·in Vorgegebenes, etwas außer ihm·ihr Vorhandenes. Die Rolle lässt sich in beiden Fällen b) als ein Komplex von Verhaltensweisen beschreiben, die ihrerseits c) Teil eines Ganzen sind (daran erinnern u. a. die

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