Kommunikationswissenschaft. Roland Burkart

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Kommunikationswissenschaft - Roland Burkart

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spielen kann, und schließlich kann das Individuum ebenso wie der/die Schauspieler·in e) eine Vielzahl von Rollen lernen und spielen (vgl. dazu Dahrendorf 1974: 135).

      Allerdings verweist Dahrendorf selbst auf die Grenzen dieser Schauspiel·innenmetapher: „Hinter allen Rollen, Personen und Masken bleibt der Schauspieler als Eigentliches, von diesen letztlich nicht Affiziertes. Sie sind für ihn unwesentlich. Erst wenn er sie ablegt, ist er er selbst“ (Dahrendorf ebd.). Und genau in dieser Hinsicht täuscht das Bild des Schauspiels und Theaters, wenn man es auf den Menschen und die Gesellschaft überträgt: Gerade die soziale Rolle kann nämlich nicht mit einer „Maske“ gleichgesetzt werden, die der/die Rollenträger·in nur fallen zu lassen braucht, um in seiner/ihrer wahren Identität zu erscheinen. Der Mensch wird eben nicht (wie in einem Schauspiel) nach dem Ende der Vorstellung in die „eigentliche“ Wirklichkeit entlassen, sondern die sozialen Rollen, die ein Individuum spielt, die sozialen Positionen, die es innehat, sind fundamentaler Bestandteil seiner realen Identität.

      Die individuelle Identität, das Selbst eines Menschen als eigentlicher Kern seiner Persönlichkeit verbirgt sich nicht hinter allen sozialen Rollen, die dieser spielt (Dreitzel 1980: 51 f.), sondern das Insgesamt all jener sozialen Rollen, die wir ausfüllen und auszufüllen trachten, gerinnt zu einem fundamentalen Teil unserer Persönlichkeit. Diese Auffassung entspricht auch der Position des symbolisch-interaktionistischen Sozialisationskonzeptes.

      Der theoretische Ansatz des Symbolischen Interaktionismus (S.I.), als dessen geistiger Vater der US-amerikanische Philosoph und Soziologe George Herbert Mead gilt, sieht den Menschen als ein Wesen, das sich in einer aktiven Wechselbeziehung mit seiner Umwelt befindet. Menschen reagieren nicht einfach auf eine Umwelt als eine gleichsam objektive physikalische Gegebenheit, sondern handeln im Hinblick auf ihre Umgebung auf der Basis subjektiver Interpretationsleistungen. Indem sie bestimmte „Dinge“ (Personen, Gegenstände, Zustände, Ideen, Verhaltensweisen etc.) mit Bedeutungen belegen, schaffen sie sich (zusätzlich zu der mehr oder weniger ohne ihr Zutun vorhandenen „natürlichen“ Welt, mit der sie insb. als biologische Organismen verbunden sind) eine (künstliche) symbolische Umwelt, mit der sie v. a. als soziale Wesen verbunden sind.

      Die Teilhabe an dieser symbolischen Umwelt befähigt sie zugleich auch dazu, sich selbst bzw. ihr eigenes Verhalten zu interpretieren und damit ihre eigentliche (menschliche) Geburt voranzutreiben: „Das Kind ist kein geborener ‚Mensch’, obwohl es die Fähigkeit besitzt, Mensch zu werden. Es wird dies durch den Erwerb eines Selbst im Kontext der Interaktion mit anderen“ (Stryker 1976: 261). Sozialisation ist im Horizont des S.I. somit als jener Prozess zu begreifen, in dem sich menschliche Wesen im Verlauf sozialer Interaktionen Symbolsysteme aneignen, mit deren Hilfe sie dann nicht nur ihre Umwelt interpretieren, sondern auch „Selbst-Bewusstsein“ erlangen.

      •Vom interaktionistischen Aspekt her steht also die Wechselbeziehung „Individuum – Umwelt“ im Blickpunkt. Menschen sind nicht passive Empfänger von Umweltreizen, sondern handeln im Hinblick auf eine Umwelt, „wie sie symbolisch vermittelt ist“ (Stryker 1976: 261), d. h., dass sie die Qualität ihres Handelns an der Bedeutung bemessen, die sie den Dingen zuschreiben – und diese Bedeutung wird aus sozialen Interaktionen abgeleitet bzw. interpretiert: „Die Bedeutung eines Dinges für eine Person ergibt sich aus der Art und Weise, in der andere Personen ihr gegenüber in Bezug auf dieses Ding handeln. Ihre Handlungen dienen der Definition dieses Dinges für diese Person. Für den symbolischen Interaktionismus sind Bedeutungen daher soziale Produkte, sie sind Schöpfungen, die in den und durch die definierbaren Aktivitäten miteinander interagierender Personen hervorgebracht werden (Blumer 2015: 27).21

      •Vom symbolischen Aspekt her stehen die Bedeutungen im Mittelpunkt, die den Objekten auf der Basis von Verhaltensinterpretationen zugeschrieben werden. Daraus folgt nun in der Tat, dass Objekte – was ihren Sinn(!) betrifft – innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungs- und Verhaltensprozesses überhaupt erst geschaffen werden (Mead 1968: 117): Indem wir im Hinblick auf unsere Umwelt handeln, kategorisieren wir sie, d. h. wir gliedern gewissermaßen unsere (natürliche) Umgebung in mehr oder weniger bedeutungsvolle Ausschnitte. Diesen Vorgang bezeichnet Mead als Symbolisation. „Symbolisation schafft bislang noch nicht geschaffene Objekte, die außerhalb des Kontextes der gesellschaftlichen Beziehungen, in denen diese Symbolisation erfolgt, nicht existieren würden“ (Mead ebd.). Eben deshalb leben wir Menschen nicht bloß in einer natürlichen, sondern auch – und vor allem – in einer symbolischen Umwelt (Rose 1967: 267).

      Diese symbolische Umwelt ist die jeweils kulturspezifische Kategorisierung der natürlichen Umgebung. Jeder Kulturkreis hält bestimmte symbolische Umwelten bereit, die die natürliche Umgebung bereits mehr oder weniger (vor-)strukturieren. Die jeweilige Kultur, als das Insgesamt von Denk- und Handlungsweisen einer Sozietät (Lindesmith/Strauss 1974: 48), in die wir hineingeboren werden, determiniert nicht nur die Auswahl von Objekten (d. h., sie legt fest, was aus der natürlichen Umwelt herausgegriffen und als Objekt erkannt werden kann bzw. soll), sondern sie bestimmt auch in hohem Maße die Qualität der Bedeutungen, welche diese Objekte (bzw. deren Bezeichnungen) für uns symbolisieren.

      Wie weiter oben bereits erwähnt: Allein der Umstand, dass wir in der Lage sind, einen bestimmten Bestandteil unserer Umwelt als „Stuhl“ zu klassifizieren (und damit aus der übrigen Umgebung auszugrenzen), setzt bereits die Angehörigkeit (oder Kenntnis) unseres Kulturkreises voraus: Wir müssen erfahren haben, wie andere Menschen im Hinblick auf ein derartiges Objekt handelten (nämlich: darauf sitzen) und dadurch für uns dessen Bedeutung definierten. Erst im Rahmen solcher Handlungskontexte konnten wir die Erfahrung machen, dass uns ein Stuhl die Möglichkeit zur Verrichtung von Tätigkeiten bietet, die im Sitzen ausgeführt werden können etc. Erst infolge derartiger Erfahrungen sind wir in der Lage, das Objekt „Stuhl“ mit Bedeutungen zu belegen, die es für uns zu einem Symbol (z. B. für körperliche Bequemlichkeit, hohe Handwerkskunst, technische Perfektion etc.) gemacht haben.

      Was für die Beziehung zu unserer Umwelt gilt, das gilt auch für die Beziehung zu uns selbst. So wie wir die Bedeutung von Umweltobjekten erst aus der Interpretation des Handelns anderer erfahren bzw. ableiten, genauso interpretieren wir auch das Handeln unserer Mitmenschen im Hinblick auf uns selbst und leiten daraus ab, was wir in den Augen der anderen „bedeuten“, bzw. als was wir für unsere Interaktionspartner erscheinen. „Wie die anderen Objekte, so entwickelt sich auch das ‚Selbst-Objekt’ aus einem Prozess sozialer Interaktion, in dem andere Personen jemandem die eigene Person definieren“ (Blumer 2015: 34).

      Selbst-Bewusstsein (im Sinn eines Bewusstseins unserer selbst) entsteht immer dann, wenn wir uns vom Standpunkt unseres Gegenübers aus betrachten und gleichsam für uns selbst zu einem Objekt werden: „Das Individuum wird nur dann zu einem selbstbewussten Subjekt, wenn es zuvor sich selbst zu einem Objekt geworden ist, so wie andere Individuen in seiner Erfahrung als Objekte auftauchen“ (Raiser 1971: 123). Sich selbst zu einem Objekt werden kann man nach Mead aber nur dann, wenn man zuvor ein anderer war, d. h., wenn man in der Lage war, (mental) in die Rolle eines anderen zu schlüpfen und sich aus dessen Perspektive zu betrachten. Diese Fähigkeit zur Übernahme der Rolle eines anderen wird sehr früh erlernt. Zunächst übernimmt das Kind im Spiel die Rolle von ganz konkreten anderen. Das ist die einfachste Möglichkeit, sich selbst gegenüber jemand Anderer zu sein und sich von einer anderen Warte aus zu sehen.

      Das Kind schlüpft in die Rolle eines Anderen, indem es ganz einfach vorgibt, jemand Anderer zu sein, z. B. seine Mutter, ein·e Polizist·in, ein Arzt, sein·e Freund·in etc. In einem derartigen Rollenspiel lernt es, die Perspektive des·der jeweils

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