Grundwissen Psychisch Kranke. Группа авторов

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Modelle der Persönlichkeitsstörungen, die in der Tradition der Psychiater Emil Kraepelin und Kurt Schneider9 hervorstechende Eigenschaften zur Definition von Persönlichkeiten heranziehen (Typologien). Dabei wurden früher – recht unsystematisch – einmal vorherrschende Gefühle (z. B. betriebsame Heiterkeit oder Traurigkeit), ein anderes Mal auffällige soziale Verhaltensmuster (z. B. Selbstunsicherheit), volitionale Merkmale (z. B. Fanatismus oder Willensschwäche) oder die gefühlsmäßige Ansprechbarkeit (z. B. Überschwänglichkeit oder Explosibilität) zur Bezeichnung der Wesensart genutzt.

      Mitunter wurden auch körperliche Merkmale zur Unterscheidung herangezogen (Konstitutionstypen); die Nähe zu den alten humoralpathologischen Modellen war dabei oft spürbar. So sollten nach Kretschmer10 explosible Psychopathen häufiger einen athletischen Körperbau aufweisen, während pyknische, also untersetzte Menschen, eher gemütvoll bis depressiv seien. Diese konstitutionstypologischen Unterteilungen ließen sich durch moderne wissenschaftlich-statistische Verfahren selten nachvollziehen.

       1.3. Persönlichkeitsdiagnostik in der klinisch-psychotherapeutischen Praxis

      In der klinisch-psychiatrisch-psychotherapeutischen Praxis werden bis heute Persönlichkeitskategorien genutzt, die nun aber in Merkmalskatalogen, sogenannten Diagnose-Manualen, möglichst nachvollziehbar beschrieben werden (s. Abschnitt 2).

      In der Praxis ist die Entscheidung, wann eine Persönlichkeit gestört ist und wann Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, dennoch sehr schwierig. Es gibt Grauzonen. Es gibt mehr oder weniger deutliche Ausprägungen (Akzentuierungen) von Persönlichkeitsmerkmalen, die mit mehr oder weniger starkem Leidensdruck einhergehen.

      Was in starker Ausprägung Leid verursacht, ist in eher verdünnter Form kaum störend und manchmal sogar hilfreich. Was unter bestimmten Umständen Probleme verursacht, ist unter anderen Bedingungen funktional: In ruhigen

DurchschnittsmenschenVariationen der PersönlichkeitAkzentuierte PersönlichkeitenAbnorme Persönlichkeiten
Eher hypothetisches Konstrukt. Gibt es ihn doch, dann ist er keine „Persönlichkeit“ im philosophischen Sinne (nämlich respektabel, initiativ, sein Leben in die Hand nehmend usw.).Es gibt z. B. spontane, nachdenkliche, ängstliche, genaue, zurückhaltend-vorsichtige Menschen, die alle als „normal“ zu bezeichnen sind.Sehr ausgeprägte Eigenschaften: z. B. impulsiv (statt spontan), grüblerisch (statt nachdenklich), zwanghaft-übergenau (statt genau), misstrauisch (statt vorsichtig) usw.Sie leiden unter ihren Eigenschaften und/ oder ihre Mitmenschen leiden darunter. Kollision mit ethischen/ rechtlichen Normen und Konventionen kommen häufiger vor.
Heute auch als Persönlichkeitsstörung bezeichnet. Entsprechende Persönlichkeiten bekommen auch ohne ungünstige äußere Umstände Probleme in verschiedenen Lebensbereichen.

      Zeiten, wenn alles seinen gewohnten Gang geht, mag z. B. ein übergenauer (zwanghafter) Mensch sehr gut funktionieren, in den Turbulenzen einer beruflichen Veränderung (z. B. im Zuge einer Verwaltungsreform) verliert er möglicherweise leichter als andere den Boden unter den Füßen. Im Beamtenberuf bewährt er sich womöglich als Meister der exakten Ablage und buchstäblichen Gesetzestreue, als Erzieher im Kindergarten verzettelt er sich bei der Beherrschung des Chaos.

      Diese Erkenntnis, dass sich weniger auffällige Persönlichkeiten in bestimmten Zusammenhängen und zu bestimmten Zeiten noch gut bewähren, stärker abweichende Persönlichkeiten bei der Lebensbewältigung jedoch immer wieder oder anhaltend scheitern, dabei leiden oder Leid verursachen, hat innerhalb der kategorialen Persönlichkeitsmodelle zu einer Dimensionierung geführt, die bis heute durchgehalten wird und z. B. in der psychoedukativen Arbeit mit Betroffenen genutzt wird.11, 12

      In Tabelle 1 wird beispielhaft die Einteilung des Psychiaters Karl Leonhard dargestellt13, der „Varianten der Persönlichkeit“, „Akzentuierte Persönlichkeiten“ und „Abnorme Persönlichkeiten“ unterscheidet. Heute (unterste Zeile der Tabelle) spricht man meistens von „Persönlichkeitsstilen“ und „Persönlichkeitsstörungen“. Dabei ist entscheidend, dass zwischen den einzelnen Kategorien fließende Übergänge bestehen.

       2. Die moderne Klassifikation und Diagnostik von Persönlichkeitsstörungen

      Aus dem kurzen Überblick zur Geschichte der Persönlichkeitsmodelle wird bereits deutlich, dass die endgültige Definition einer Persönlichkeitsstörung mit zahlreichen Problemen behaftet ist. Der Begriff ist daher theoretisch immer wieder neu definiert worden, war oft mit Spekulationen und Wertungen verbunden und bleibt bis heute umstritten.14

      Da man in einer wissenschaftlich fundierten Medizin und Psychologie klare Kriterien und definierte Prozeduren braucht, um zu einer zuverlässigen, nachvollziehbaren und gültigen Diagnose zu kommen, wendet man heute international einheitliche Klassifikationssysteme an, die anhand eines Kriterienkataloges und eines Algorithmus möglichst genau definieren, wann man allgemein von einer Persönlichkeitsstörung sprechen darf, wie die spezifischen Persönlichkeitsstörungen bezeichnet und woran sie erkannt werden. Man nennt dies auch operationale Diagnostik.

      Diese Klassifikationssysteme sind das DSM-IV15 und das ICD-1016. Beide Klassifikationssysteme wollen auf Spekulationen hinsichtlich der Ursache von Persönlichkeitsstörungen verzichten und wollen statt willkürlicher und diffuser Gesamteindrücke konkrete Verhaltensaspekte zur Grundlage des klinischen Urteils machen. Es gibt darin Listen von Erlebensund Verhaltensmerkmalen, die eine bestimmte Persönlichkeitsstörung ausmachen und zwar immer dann, wenn ein definiertes Minimum an Merkmalen beobachtet werden kann.

       2.1 Allgemeine diagnostische Kriterien einer Persönlichkeitsstörung

      „Eine Persönlichkeitsstörung stellt ein überdauerndes Muster von innerem Erleben und Verhalten dar, das merklich von den Erwartungen der soziokulturellen Umgebung abweicht, tiefgreifend und unflexibel ist, seinen Beginn in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter hat, im Zeitverlauf stabil ist und zu Leid und Beeinträchtigungen führt.“17

      Den betroffenen Menschen fehlen in der Regel grundlegende Fähigkeiten/Kompetenzen18 in verschiedenen Bereichen. Hierzu gehören19:

       1. der zwischenmenschliche Umgang (Interaktionsverhalten): Menschen mit Persönlichkeitsstörungen haben oft unbefriedigende, inkonstante

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