Grundwissen Psychisch Kranke. Группа авторов

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anklammern, weil ihnen eigenständige Entscheidungen und das Alleinsein schwerfallen (z. B. bei der dependenten Persönlichkeitsstörung). Andere wiederum neigen zur Manipulation ihrer Mitmenschen, weil ihnen das Mitgefühl fehlt (z. B. die antisoziale Persönlichkeitsstörung). Die Beziehungsstörung ist ein so zentrales Merkmal der Persönlichkeitsstörung, dass sie oft als erstes ins Auge springt und mitunter schon aus den Biographien ersichtlich ist. Persönlichkeitsgestörte Menschen haben häufige Beziehungsabbrüche oder hochfrequente Wechsel der beruflichen Anstellungen (sogenannte „Abbruchsbiographien“)20 oder sie leben in hyperstabilen, aber dysfunktionalen Verhältnissen (z. B. in Gewaltehen).

      2. die Regulation des Gefühlslebens (Emotionalität): Menschen mit Persönlichkeitsstörungen haben oft überschießende oder kaum kontrollierbare Emotionen und können sich selbst schlecht beruhigen oder trösten (z. B. bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung). Andere stehen unter dem Einfluss eines einzigen dominierenden Gefühls, etwa der Angst (bei der vermeidend-selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung). Wieder andere wirken distanziert und können Gefühle kaum ausdrücken (schizoide Persönlichkeitsstörung). Schließlich gibt es Persönlichkeiten, die selbst aus sachlichen Themen einen emotionalen Gehalt gewinnen und theatralisch inszenieren können (hysterische Affektgewinnung).

       3. die Genauigkeit der Realitätswahrnehmung (soziale Wahrnehmung): Die äußeren Umstände, die Mitmenschen und die Beziehung zu ihnen werden von persönlichkeitsgestörten Menschen oft verzerrt oder falsch wahrgenommen. Diese Perspektive kann dann kaum oder nur mit Mühe korrigiert werden. So werden etwa gut gemeinte Kommentare als verletzende Kritik wahrgenommen (Kritikempfindlichkeit bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen), oder es wird anderen Menschen generell ein feindseliges Motiv unterstellt (paranoide Persönlichkeitsstörungen).

       4. die Selbstwahrnehmung und Selbstdarstellung: Es finden sich Betroffene, die ihre eigene Person stark in den Vordergrund rücken, die eigene Besonderheit/Talente hervorheben und damit sehr auf Bewunderung aus sind (histrionische und narzisstische Persönlichkeitsstörungen); andere wiederum stellen ihr Licht generell unter einen Scheffel und zweifeln fortwährend an ihren eigenen Kompetenzen (vermeidend-selbstunsichere und dependente Persönlichkeitsstörungen).

       5. die Impuls- und Selbstkontrolle: Die Kontrolle eigener Impulse kann so weit vermindert sein, dass es zu autoaggressiven, aggressiven oder deliktischen Verhaltensweisen kommt (z. B. Kaufsucht, selbstverletzende Handlungen, suizidale Handlungen oder Drogenmissbrauch bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen; Diebstahl und Gewalttätigkeit bei antisozialen Persönlichkeitsstörungen). Anderen wiederum fehlt die Geduld, Dinge einfach geschehen zu lassen oder widrige Umstände zu akzeptieren (Ärgerreaktionen bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen).

      Von einer Persönlichkeitsstörung spricht man – das sei noch einmal betont – nur dann, wenn die oben gelisteten Störungsbereiche zu überdauernden Problemen führen (über Jahre hinweg) und in mehreren Lebensbereichen (also z. B. am Arbeitsplatz und in der Familie) auftreten.

      Treten solche Störungen nur vorübergehend auf, etwa als Reaktion auf ein belastendes Lebensereignis (z. B. depressiver Rückzug nach Todesfall in der Familie) oder als Folge einer Substanzwirkung (z. B. Reizbarkeit nach Alkoholkonsum) oder als Folge eines medizinischen Problems (z. B. Realitätsverkennung nach Hirnverletzung), so darf nicht von einer Persönlichkeitsstörung gesprochen werden.

      Ebenso wird bei Jugendlichen oder Adoleszenten (mindestens bis zum 14. Lebensjahr, bei antisozialen Verhaltensweisen bis zum 18. Lebensjahr) übereinkunftsgemäß nicht von Persönlichkeitsstörungen gesprochen, weil man hier noch von einem erheblichen Entwicklungspotential ausgeht.21

      Im Bereich der klinischen Psychologie wird mitunter darauf Wert gelegt, dass nur dann von einer Persönlichkeitsstörung gesprochen wird, wenn der Betroffene selbst (und nicht nur seine Umwelt) unter seinem Verhalten und seinen Folgen leidet. Dies wird durchaus kontrovers diskutiert. Persönlichkeitsgestörte Menschen können sehr lange zufrieden und erfolgreich durchs Leben gehen und verursachen mehr Leid bei ihren Mitmenschen, als dass sie selbst ein Unbehagen spüren. Namhafte Autoren wie Peter Fiedler22 fordern jedoch den subjektiven Leidensdruck als Diagnosekriterium und wollen nur im Falle eines „erheblich eingeschränkten Funktionsniveaus“, d. h. im Falle einer „Kollision mit Ethik, Recht oder Gesetz“, eine Ausnahme gelten lassen.

       2.2 Epidemiologische Daten – Häufigkeiten und Verteilung

      Die einzige in Deutschland durchgeführte Studie zur Häufigkeit von Persönlichkeitsstörungen in der Allgemeinbevölkerung kommt auf eine Häufigkeit (Prävalenz) von 9,4 %.23 Dies entspricht in etwa der Zahl, die andere, internationale Untersuchungen neueren Datums ergeben haben.

      Unter den Patienten psychiatrischer Einrichtungen ist diese Zahl wesentlich größer. Hier leiden 40 - 60 % der Patienten (auch) unter Persönlichkeitsstörungen. Diese Häufigkeit spricht nicht nur für die fehlende soziale Angepasstheit persönlichkeitsgestörter Menschen, sondern vor allem auch für das hohe Risiko, psychische Begleiterkrankungen zu entwickeln. Persönlichkeitsgestörte Menschen leiden häufiger unter Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen. Sie weisen teilweise ein erheblich gesteigertes Suizidrisiko auf.

      Die höchsten Suizidraten finden sich bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen mit 4 - 10 % und vor allem bei narzisstischen Persönlichkeitsstörungen mit 14 %.24

      Die Geschlechterverteilung ist variabel. Je nach spezifischer Persönlichkeitsstörung findet man andere Verteilungen: Borderline-Persönlichkeitsstörungen betreffen z. B. in 80 % weibliche Patienten, antisoziale hingegen ganz überwiegend Männer.

       2.3 Ursachen und Entstehungsbedingungen

       Fazit

       Bei der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen spielen biologische, psychologische und umgebungsbezogene (soziale) Faktoren gleichermaßen eine Rolle.25

      Am besten werden die Verhältnisse in dem sogenannten „Vulnerabilitäts-Stress-Modell“ abgebildet26, nach dem ein bestimmtes Temperament oder bestimmte Defizite unter ungeeigneten Entwicklungsbedingungen oder starkem Stressoren-Einfluss schließlich zur Persönlichkeitsstörung führen, die dann nicht selten eine Art „Selbstschutz“ beinhaltet (also z. B. Zwanghaftigkeit zur Abwehr von Verlust- oder Zukunftsängsten, Misstrauen zum Schutz gegen zwischenmenschliche Verletzung, Größenphantasien zur Abwehr von Minderwertigkeitsgefühlen etc.).

      Eine Variante des Vulnerabilitäts-Stress-Modells ist das Konzept der „invalidierenden Umgebung“27: Wird z. B. ein Kind mit einem lebhaften und hoch reaktiven Temperament auf Biegen und Brechen „gezügelt“ (z. B. in ein kirchliches Internat gegeben), oder wird ein Kind mit einer durchschnittlichen Intelligenz ständig zu schulischen Hochleistungen angespornt, verknüpft mit herabsetzenden Kommentaren im Falle des „Versagens“ oder verknüpft mit konditionaler Zuwendung („Liebe nur für Leistung“), so drohen daraus tiefer greifende Störungen des Persönlichkeitsgefüges zu entstehen.28

      Erblichen und biologischen Faktoren wird bei der Entstehung von Persönlichkeitsstörungen eine große Rolle zugeschrieben. Torgersen29 schätzt die Erblichkeit für die Gesamtheit der Persönlichkeitsstörungen auf 60 %. Dabei wird nicht unbedingt die Persönlichkeitsstörung selbst vererbt, sondern eben jene Anfälligkeiten (Vulnerabilitäten). Dies mag einer der Gründe dafür sein, dass man in den Familien persönlichkeitsgestörter Menschen gehäuft auch andere psychische Erkrankungen findet (z. B. Schizophrenien in den Familien von paranoiden und schizotypischen Persönlichkeitsstörungen).30

      Die

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