Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder страница 264
![Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang - Johann Gottfried Herder](/cover_pre1073368.jpg)
Mit rechtem Christenmuthe streitet er; und mit rechter Christendemuth, Gott dankend, preiset er Gott nach dem Siege; wie aber? hat der Grenadier darum an gehörigem Orte auch nicht seinen Mars und Apoll? kann er nicht darum auch von seinem Friedrich sagen:
Frei, wie ein Gott, von Furcht' und Graus
Steht er – – du hoher Paschkopoll
Sahst ihn, im Heldenangesicht
Den Mars, und den Apoll.
Und sollte deßwegen mein Grenadier kein ächter, guter Christenmann bleiben?
Der, wenn er stirbt, bekommt zum Lohn
Im Himmel hohen Sitz! –
Und deßhalb sollten seine Lieder nicht immer der Würde werth seyn, die ihnen Abbt anwünscht, vor der Schlacht gesungen zu seyn? Entweder muß überall die Mythologie hier nicht mehr Mythologie; eine liebe Wörterblume seyn, oder weg damit!
Indessen will Hr. Kl. uns auch in geistlichen Gedichten nicht ganz leer vom Nutzen der Mythologie ausgehen lassen, und schlägt vor:3 »Beschreibungen der Göttlichen Weisheit und Macht, hohe Bilder der Göttlichen Majestät, oft so vortreflich, so erhaben, daß man sich kaum vorstellen kann, wie sie in den Geist ungläubiger Sterblichen haben kommen können, und durch deren geschickte Nachahmung der Poet seinem Gedichte die größeste Würde geben könnte.« Der Vorschlag ist fromm, aber auch wenig mehr. Wenn Hr. Kl. nicht glaubt, daß Gott selbst in die Seele des Christlichen Poeten Bilder einschiebe, so kann ers nicht fremde finden, daß große Geister unter den Heiden auch große Dinge haben denken können, sie auch von ihren Göttern denken müssen. Ich mag keine Vergleichungen, insonderheit in Sachen, die gewisse Leser so gern umzukehren pflegen; allein wer wandelte unter edlern Bildern: der alte, oder der heutige Grieche? Jener zwischen seinen Göttern; dieser zwischen seinen gemalten Heiligen, der Papist zwischen seinen gehauenen Märtrern. Und bei wem war (ich rede blos von Poetischen Bildern) ein solcher Anblick gelegner, um große Gedanken zu wecken?
Zu dem: Beschreibungen der Weisheit, Macht, Majestät, sind eigentlich keine Mythologie mehr; es sind Dichterische Bilder über Mythologische Gegenstände; mit ihnen hat also Hr. Kl. keinen Gebrauch der eigentlichen Götterlehre vorgeschlagen. Dazu ist dieser Vorschlag so gemein, so bekannt, so gebraucht –
Ja, weint ich sagen soll, nicht einmal so hochnöthig. Ich gebe es gern zu, daß an Abbildungen der Schönheit, der Milde, und einer gewissen Menschlichen Würde der Gottheit, man von Griechen und Römern lernen könne, insonderheit, was die schöne Kürze, das unübertrieben Prächtige, das Angemessene im Ausdrucke solcher Beschreibungen betrifft. Aber Weisheit, Macht, Majestät, alles Hohe, und gleichsam Unbegreifliche in der Gottheit – darinn sind die Dichter des Morgenlandes, und die Ersten derselben, die Dichter des alten Bundes, eine weit reichere, unerschöpfliche Quelle. In solchen Bildern sind ein Silius Italicus, Ovid, Virgil und Claudian gegen einen Hiob, Moses, Jesaias und auch David, wie ein Tropfen gegen einen Ocean: und Schande ists, an einem Tropfen zu lecken, wenn ein Abgrund von Größe, Hoheit, Majestät vor uns ist. Nur eine Gefühllose kritische Seele, die hierinn einen Milton und Klopstock hinter einen Silius Italicus und Claudian anführen; die verschossenen Purpurlappen aus einem Ovid und Silius den geistlichen Dichtern unsrer Religion, als Raritäten, als theuere Vorbilder, vorhalten darf, und in unsern heiligen Büchern, und in unsern hohen Nachahmern derselben, das Sonnenmeer von Majestät, den Regenbogen von prächtigen Farben nicht erblicken will, in welchem »die Größe und Macht Gottes« gemalet wird.
Ich gebe es zu, baß diese Morgenländischen Bilder auch oft ein Morgenländisches Auge fodern: daß sie oft in einer Hülle des Orients erscheinen, die uns dieselben fremde, oder in einem Glanze, der uns dieselben betäubend macht. Ein geistlicher Dichter aber, und der Critikus dieses Dichters, sollte dem die Hülle unüberwindlich seyn? Sollte er nicht, den Spuren eines großen Michaelis folgend, sich solche Bilder gleichsam in die Sprache und Denkart seines Occidents übersetzen, und sie alsdenn mit Orientalischer Wärme fühlen! Die Proben, die dieser Verdienstvolle Mann gegeben, liegen in ihrer Entwickelung da, und wie verstäuben gegen sie die Schlacken eines Claudians! Blos das Leichte, das unsrer Denkart nähere, die für uns faßlichere Evidenz dieser Römischen Bilder ists, die uns dieselben empfielt. Wären die Orientalischen nach unserm Augenmaaße: so wäre der Vorschlag unleidlich. Kann man sie nicht aber nach seinem Augenmaaße stellen? nicht seinen Blick zu ihnen erheben? gewöhnen? und kannst du das nicht, so siehe die Sonne in diesem ihrem stralenden Wasserbilde. Siehe den Abglanz Orientalischer Hoheit in einem Klopstock; von Erde bist du, wenn du an einen Silius Italicus hierinn, als Vorbild, zurück eilest.
1 Der Messias. Gesang 6.
2 Gesang 7.
3 Epist. Homer. p. 86.
VIII.
»Auch Künstler sollen Gott und Christus würdig bilden!«1 Wie todt ist, was Hr. Kl. hierüber sagt, gegen das, was andre gesagt haben. Hier ist Klopstock, da er Winkelmann beurtheilet, und wem ist es nicht ein sehenswerther Anblick, zween solche Männer, zwei Enden des Menschlichen Geistes, zwei Extreme Deutscher Originale, von denen der Eine unter, der andre über Deutschland seinen Ort fand – ich sage, ists nicht ein merkwürdiger Anblick, solche zween Markgrafen Deutscher Hoheit von ihren Grenzsteinen zusammen treten zu sehen, zusammen sprechen zu hören. Das Stück ihres Gesprächs im nordischen Aufseher2 ist mir eine Art von Phänomenon! »Der einzige Weg für uns, unnachahmlich zu werden, sagt Winkelmann, ist die Nachahmung der Alten.« »Ich würde, versetzt Klopstock, diese Einschränkung hinzusetzen: in denen Arten der Schönheiten, die sie erschöpft haben. Denn welches Genie würde nicht erschrecken müssen, wenn es sich nicht erlauben dürfte, an der Allgemeinheit jenes Satzes zu zweifeln? Haben z.E. die Griechen die Vorstellungen ausdrücken können, die wir uns von Engeln machen müssen? Aber wie vortrefflich haben sie nicht oft die Götter vorgestellt! Sollten wir nicht die Engel so machen? Gewiß nicht völlig so! Wir sollten jene Vorstellungen der Götter übertreffen. Bisher zwar sind wir, von diesem Uebertreffen, sehr weit entfernt gewesen. Wir malen Kinderchen, Frauenzimmer, und wenn wir uns recht hoch schwingen, schöne Jünglinge; geben diesen Figuren Flügel, und bilden uns ein, Engel vorgestellt zu haben. So gar Raphaels Michael ist ein Jüngling; und er sollte doch wenigstens ein Jupiter seyn, der eben gedonnert hat. Wenn nun Raphael vollends einen Todesengel hätte machen sollen; z.E. einen, durch dessen bloßen Anblick der erstgebohrne Sohn Pharaos niedersinkt. Michael Angelo also, wird man sagen. Nein, der auch nicht: denn er übertrieb zu oft. Der Contour des wahren Großen ist sehr sein! Wenn die Hand nur ein klein wenig ruckt: so kann es übertrieben werden. Wer also? Vielleicht ein noch ungebohrner Künstler, dem es aufbehalten ist, die heilige Geschichte würdig vorzustellen, nämlich die meisten schon oft wiederholten, neu, und dann viele sehr erhabene, die noch niemals gemacht worden sind. Wie würde ich mich freuen, wenn er schon lebte, und dieses läse. Er ist es, der noch viel was anders sagen würde, als die Griechen haben sagen können. Gott vorzustellen, würde er sich niemals unterfangen; niemals! Aber den Versöhner der Menschen einigermaßen würdig abzubilden, würde er alle Kräfte seines Genies anstrengen, und sich den großen Empfindungen, welche die Religion giebt, ganz überlassen.«
Ich