Die größten Klassiker der deutschen Literatur: Sturm und Drang. Johann Gottfried Herder
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Der einzige würdige Ausdruck für ihn wäre die seligste, allgnugsame Ruhe; allein auch da erscheint er nur als der seligste, allgnugsame Mensch: und weil die Menschliche Ruhe nur bei einer Feier von transitiven Handlungen möglich ist; so ist auch alsdenn bei der gebildeten Gottheit der Begrif von Unwürksamkeit beinahe unvermeidlich: der Begrif von Allmacht, Allwissenheit, Allweisheit, Einwürkung wird in seinen Ausdruck der Ruhe verschlungen, das Bild ist kein Gott mehr. Raphaels schaffender Gott steht mit gesenktem Auge, mit zeigendem Finger:
Kann der bewundern, Er, der die Sterne gemacht hat?
Raphaels ewiger Vater steht wie ein grauer Greis: ist das der Gott, der da bleibet, wie er ist? Gott sehe z.E. auf die Erde herab: ist das der Allwissende, was siehet er ewig auf die Kugel herunter? Siehst er auch was neben ihm ist? Gott wäge die Erde: sie hat ein Maaß gegen Gott, und muß dazu ein proportionirtes Maaß haben: was hat das Bild für einen Ball in der Hand, um damit zu spielen? – Nun setze man noch gar unwürdigere Vorstellungen: einen Klotzischen Postillon mit einem Brande in einer Hand auf einen Wagen – Blasphemien! »Wie wollet ihr mich bilden? und wem wollet ihr mich vergleichen?« spricht Jehovah.
»Christus als einen Apollo im Belvedere,«7 eben als wenn Christus einen Python im Zorne getödtet – doch hierüber mag ein Klopstock in der vorangezogenen Stelle, und ein Mann von der entgegengesetztesten Denkart, Webb, sprechen. Der Vatikanische Apollo wenigstens scheint nicht dem Charakter des Erlösers dem Hauptanblicke nach, und in der Bestimmung seines Lebens zu entsprechen, sonst – – Doch ich werde theologisch, da ich doch in der Schule eines Poetischen und Kunstcritikus bin – –
Und ei! da lerne ich wieder Etwas Neues! Gott auf einem Donnerwagen fahrend! »Von Christlichen Poeten erinnere ich mich keinen, der dieses Bild brauche, als Milton«8 – Keinen von Christlichen Dichtern? Hrn. Kl. Gedächtniß muß ihm den ärgsten Streich gespielt haben; denn das meinige erinnert sich bei allen Christlichen Dichtern keines häufigern, gemeinern, bekanntern Bildes. Denn ist Gleim, der Kriegssänger, kein Christ?
Wer hat dich, Pandur,
in Angst gesetzt, in Flucht gebracht?
Gott, der auf Wolken fuhr.
Ist Kleist kein Christ? –
Groß ist der Herr! Die Himmel ohne Zahl
sind seine Wohnungen,
sein Wagen sind die donnernde Gewölk,
und Blitze sein Gespann;
und wie der prächtige Ton weiter das Bild malet. Cramer kein Christ? –
Wenn nun dein Wagen, Gott der Götter,
Messias, donnert, und im Wetter
Dahin fährt – –
Ramler bei der Krippe Jesu kein Christ? –
Jehovah fähret durch den Himmel,
und sieht sein seliges Geschlecht.
Wir sehen Majestät! – –
Und so glaube ich, denn ich habe aus dem Gedächtnisse geschrieben, so Wieland, Bodmer und jeder Christliche Poet; ich kenne kein bekannteres Bild des donnernden Gottes. Nur Klopstock, wenn ich mich recht erinnere, braucht dies Bild nicht: sein Gott steigt herunter, den Meßias zu richten: er rollt nicht auf einem Donnerwagen, er ist selbst zu erhaben, um zu donnern. Sein Seraph Eloa schon kann tausend Donner fassen, und auch der steht nur auf einer Wolke. Ohne Zweifel schien Klopstocken das Bild zu niedrig selbst in der Poesie, für den –
Der Welten geheim und still den Untergang zuwinkt –
und Klotz darfs sehr vornehm für die Kunst empfehlen? So ists nach jenem Gemälde Galatons: was Homer ausspiee, war den andern Ambrosia!
1 p. 97. 98.
2 Nord. Aufseh. 3. B. St. 150.
3 St. 172. 174. 186. Nord. Aufseh. 3. Th.
4 p. 108. 109.
5 p. 115–122. Ostendi uno, eoque satis illustri exemplo, quomodo imitari possint nostri artifices veterum monimenta – ist das nicht viel?
6 p. 98. Ipse Deus sibi manus tribuit, dorsum, nasum, pedes etc. ist der Grund nicht bündig?
7 p. 111. 112. Hr. Kl. hat für gut gefunden, bei der Gelegenheit die Winkelmannische Beschreibung Apollo's in sein Latein hinzugießen.
8 p. 120.
IX.
Die Frage wird weltlicher.1 Können Dichter, die nicht über Sachen der Religion dichten, die Mythologie brauchen? Ich thäte am besten, blos zu übersetzen; aber auch das wird mir schwer. Wer kann einen Mann ertragen, der die Mythologie nicht anders kennet, als daß es »Griechen und Römern so beliebt,2 Neptun einen Gott des Meeres zu nennen,« als daß es »den Wiederherstellern der Wissenschaften so beliebt,3 auch die Mythologie der Alten (ohne weitere Gründe,) beizubehalten:« als daß sie »auf dem Irrthum und dem Aberglauben4 der Alten beruhe:« als daß sie »nichts als ein Namenregister,5 Schälle ohne Gedanken enthalte,« als daß sie6 »ein bloßer Flitterstaat mittelmäßiger Köpfe sey, um ihre Gedichte mit hundertmal gebrauchten Gleichnissen aufzustützen:« wer die Mythologie in Gedichten blos als so Etwas kennet, wie ist der eines Bessern zu belehren? Man müßte vom Anfange anfangen, daß von Homer bis zu Virgil noch etwas anders in dem Gebrauch ihrer Mythologie liege, als böse Irrthümer und unchristlicher Aberglauben – nämlich sehr Poetische Ideen. Und so hätte man erst eine Voraussetzung!
Darauf wäre zu zeigen, daß von den Wiederherstellern der Wissenschaften die Mythologie