Das Neue Testament - jüdisch erklärt. Группа авторов

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(gr. „Freund Gottes“) gerichtet, der entweder ein echter Gönner oder ein idealer Leser ist. Dieser ideale Leser ist wahrscheinlich Nichtjude, da Lukas jüdische Praktiken erläutert (z.B. Lk 22,1) – manchmal sogar falsch (z.B. Lk 2,22) – und im Evangelium die aramäischen Begriffe fehlen, die in seinen kanonischen Gegenstücken vorkommen. Der ideale Leser ist vermutlich auch Christ und als solcher mit den Schriften Israels in ihrer griechischen Form (der Septuaginta) vertraut, die das Lukasevangelium häufig zitiert und auf die es oft anspielt. Das Evangelium wurde wahrscheinlich gegen Ende des 1. Jahrhunderts nach dem 1. Jüdischen Krieg gegen Rom (66–70) geschrieben. Zu dieser Zeit war die Kirche schon stärker nichtjüdisch geprägt und der Fokus auf Jerusalem, den Paulus noch aufrechterhalten hatte, war durch die Mission unter den Völkern überholt. Die dritte Generation der Jünger Jesu – die Generation nach den Augenzeugen und Gefolgsleuten (Lk 1,2) – hatte sich mit der Verzögerung der Wiederkunft Christi abgefunden und sich auch mit der Tatsache arrangiert, dass die meisten Juden in ihren Schriften keinen Hinweis auf Jesu messianische Rolle sahen, obwohl sie mehr oder weniger die gleichen Heiligen Schriften besaßen wie die nichtjüdische Kirche, und dass sie auch den Anspruch seiner Jünger nicht teilten, er sei der Messias.

      Stil, Inhalt und Struktur

      Der Stil des Lukasevangeliums reicht vom eleganten Griechisch des Prologs (Lk 1,1–4 bilden einen einzigen griechischen Satz) bis zu Anleihen an die Septuaginta. Indem es die Geburtsgeschichten Johannes‘ des Täufers und Jesu (Lk 1,5–2,52) in die Folge der Schriften Israels einreiht, suggeriert das Evangelium Kontinuität zwischen dem Alten Israel und der Geschichte der Christen. Die Erzählung folgt dem Handlungsstrang des Markusevangeliums (obwohl das Material aus Mk 6,45–8,26; 9,41–10,12 ausgelassen wird) und fügt einen zusätzlichen „Reisebericht“ oder ein „Itinerar“ (Lk 9,51–18,14) zwischen Mk 9,41 und 10,12 ein. In diesem erzählt Lukas einige der beliebtesten Lehren Jesu nach, etwa das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29–37) und das Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lk 15,11–32). Auch die Geburtsgeschichten des Lukas mit ihrem Schwerpunkt auf Johannes dem Täufer und der Jungfrau Maria und die Berichte über die Auferstehung und die Himmelfahrt unterscheiden sich vom Markusevangelium.

      Interpretations- und Leseanleitung

      Das Lukasevangelium zeigt ein besonderes Interesse an Menschen außerhalb der Elite, namentlich an Frauen, Kindern, Kranken, Armen, Zöllnern und Sündern sowie Nichtjuden. Problematisch wird es allerdings, wenn dieses Interesse als Alternative zu Jesu jüdischem Kontext gesehen wird. Wenn Jesus mit derlei Leuten oder über sie spricht, bleibt er eher ins Judentum eingebettet, als sich von ihm zu distanzieren. Das Evangelium bietet auch Details zu diesen gesellschaftlichen Rollen. Lukas beschreibt z.B. (jüdische) Frauen, die frei reisen (Lk 1,39; 8,2–3; 23,27.55–56), ihr eigenes Vermögen verwalten (Lk 7,37; 8,3; 15,8; 21,2), als Mäzeninnen fungieren (Lk 8,1–3), Häuser besitzen (Lk 10,38; s.a. Apg 12,12) und die Synagoge (Lk 13,10–17) und den Tempel (Lk 2,22.26–37.41–50) besuchen. Kinder, die im Judentum als höchst wertvoll galten, haben Eltern und Betreuer, die sie so lieben, dass sie Jesus für sie um Heilung und seinen Segen ersuchen (z.B. Lk 18,15). Die Kranken, die nicht mit den rituell Unreinen oder einer weiteren Kategorie von „Sündern“ verwechselt werden sollten, erscheinen in ein Netzwerk fürsorglicher Pflege durch Familie und Gesellschaft eingebunden. In der Antike waren die meisten Leute arm, und das jüdische System gebot der Gesellschaft seit dem Tanach, Arme zu unterstützen. Wenn man Jesu Eintreten für Frauen, Kinder, Kranke und Arme angemessen betrachten will, muss man ihn eher im Rahmen des Judentums sehen als von ihm getrennt.

      Der lukanische Jesus hat auch ein besonderes Interesse an der Gemeinschaft mit „Zöllnern und Sündern“. Sünder und Zöllner sind nicht nur verdächtig wegen ihrer laxen Gebotsbefolgung, sondern vielmehr Leute, die sich selbst aus der Gesellschaft ausgeschlossen haben (ihre moderne Entsprechung wären Drogendealer, Zuhälter, Börsenspekulanten und Waffenhändler). Letzten Endes sind nach Lukas Nichtjuden in der jüdischen Gemeinschaft willkommen (Lk 7,1–11).

      Die Darstellung der Juden und des Judentums durch das Evangelium ist komplex. Auf der einen Seite – besonders in den ersten beiden Kapiteln – werden Johannes der Täufer und Jesus in eine lebendige Umwelt gläubiger Juden hineingeboren. Das Evangelium beginnt damit, dass dem Priester Zacharias, dem Vater des Johannes, im Tempel eine göttliche Offenbarung zuteilwird; Josef und Maria besuchen den Tempel, um ihren Sohn zu weihen und Pesach zu feiern.

      Lukas schildert andererseits die Synagoge als Ort der Gewalt (Lk 4,28–29) und beschreibt Israels fortwährendes Versagen im Detail, während er den Glauben von Nichtjuden und Samaritanern betont (z.B. Lk 7,9; 17,16–18); auch karikiert er in verletzender Weise Pharisäer (s. „Pharisäer bei Lukas“) und Hohepriester. Seine harsche Rhetorik ähnelt der der biblischen Propheten und der Schriftrollen vom Toten Meer, aber dieser Vergleich hinkt, denn Jesu Kritik an seinen jüdischen Mitmenschen ist nun in einen Text eingebettet, der sich primär an Nichtjuden richtet. Daher sind manche Fachleute der Ansicht, dass es sich bei den ersten beiden Kapiteln um Zusätze handele, die im frühen 2. Jahrhundert angefügt wurden, nicht um die positiven Praktiken des Judentums an den Anfang zu stellen, sondern um damit den Argumenten Markions (ca. 85–160 u.Z.) zu begegnen, eines christlichen Lehrers, der die Ansicht vertrat, dass der Gott des Alten Testaments nicht der von Jesus geoffenbarte Gott sei (das Stereotyp des „zornigen Gottes des AT“ im Gegensatz zum „liebenden Gott des NT“ ist ein Wiederaufflackern der markionitischen Häresie). Zwar würde das Lukasevenagelium, auch wenn die Geburtsgeschichten aus ihm entfernt würden, mit Lk 3,1 durchaus kohärent beginnen, doch gibt es keine Belege in den Handschriften, dass die ersten beiden Kapitel Zusätze sein könnten, und die Themen aus den Geburtsgeschichten (Kritik an den römischen Autoritäten, Kontinuität

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