Quentin Durward. Walter Scott

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Quentin Durward - Walter Scott

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Dieser Schritt einer ausländischen Wache lang in dem Umstand begründet, dass der eigene Adel in der Gesinnung schwankend und unsicher war. Die Oberherrschaft des Königs anerkennend, war dieser aber auch bereit, einem neuen König zu dienen, sollte dieser besser auf die Wünsche des Adels eingehen. Diesem wankelmütigen Adel den eigenen Schutz anzuvertrauen, wäre unpolitisch und höchst gefährlich. Dagegen war das schottische Volk gewissermaßen der Erbfeind Englands und demzufolge Frankreichs alter und, wenigstens dem Anschein nach, auch natürlicher Bundesgenosse. Die Schotten waren ein armes, aber mutiges und treues Volk, und weil kein anderes Volk in Europa so reich an kühnen und tapferen Abenteurern war, ließ sich damit rechnen, dass sich solche Garde immer aus seinen Söhnen neu rekrutieren ließ. Da ferner der schottische Adel sehr alt war und fast durchgängig bis zum Alter der Kreuzzüge, wenn nicht noch höher, hinaufreichte, stand ihm ein besonderes Anrecht zu, näher an die Person des Monarchen herangezogen zu werden, als jeder andere Adel, den französischen nicht ausgeschlossen. Zudem waren sie nicht zahlreich genug, sich gegen den König aufzulehnen.

      Jeder Bogenschütze hingegen stand an Rang und Ehre den Edelleuten des Landes gleich, und ihre ständige Berührung mit dem Landesherrscher verlieh ihnen in jedermanns Augen eine gewisse Anerkennung. Die prächtige Uniformen, die sie trugen, die vortreffliche Bewaffnung, sowie das Recht, sich einen Knappen, einen Diener, einen Pagen und einen oder auch ein paar Trabanten zu halten wirkten auf den nomalen Bürger und auch dem niedrigen Adel als privilegiert. Kein Wunder, dass solcher Bogenschütze als eine Respektsperson galt, und weil die im Korps frei werdenden Stellen nie anders aufgefüllt wurden, als aus den Reihen der Pagen oder Knappen, so geschah es nicht selten, dass vornehme schottische Geschlechter ihre jüngeren Söhne zu einem befreundeten oder verwandten Angehörigen dieses Korps sandten. In dessen Diensten blieb er so lange, bis er in das Korps eintreten könne.

      Quentin Durwards Onkel, Ludwig Lesley, oder wie er nach der ihn kennzeichnenden Narbe genannt wurde, Balafré, war annähernd sechs Fuß hoch und von muskulöser, untersetzter Gestalt. Seine an sich rauen Gesichtszüge wurden durch eine große breite Narbe, die von der Stirn zum rechten Auge hinunter und an diesem entlang, über den von ihr bloßgelegten Wangenknochen bis zum Ohrläppchen hinlief, bald scharlach-, bald purpurrot, bald blau aussehend, ja nicht selten sich dem Schwarz nähernd, noch erheblich verdüstert. Diesen Eindruck konnte auch die kostbare Rüstung nicht mildern, die er trug. Sie bestand aus Halskragen, Armstücken und Handschuhen aus feinstem Stahl. Sie waren kunstvoll mit Silber ausgelegt, und prunkten edel im Wettstreit mit einem funkelnden Panzerhemd. Über diesem trug er ein weites Oberkleid aus blauem Samt, das, an den Seiten wie ein Heroldsgewand offen, nach vorn und hinten zu durch ein großes, weißes, in Silber gesticktes Kreuz geteilt wurde. Knie und Schenkel waren durch eiserne Beinschienen geschützt, die sich in Stahlschuhen fortsetzten. An der rechten Seite seines Panzerhemds hing ein starker, breiter „Gottesgnadendolch“ genannter Dolch, über der Schulter das Wehrgehänge seines zweihändigen Schwertes. Die schottische Nationalmütze reich bestickt, mit einem Federbusch geziert wurde zusätzlich mit einem Bild der Jungfrau Maria aus gediegenem Silber versehen.

      Quentin Durward, von Jugend auf nach schottischem Brauch an die Führung der Waffen gewöhnt, stand trotzdem unter dem Eindruck, einen Soldaten mit solch mustergültiger Ausrüstung und Bewaffnung noch nie gesehen zu haben. Erst als ihn der bärbeißige Mann nach Neuigkeiten aus Schottland fragte, verschwand bei ihm die unangenehme Empfindung, die dieser erste Eindruck bei ihm geweckt hatte.

      „Viel Gutes, Herr Onkel, wüsste ich da leider nicht zu melden“, erwiderte Quentin Durward auf diese Frage; „aber gefreut hat's mich, von Euch so schnell erkannt worden zu sein.“

      „Junge, ich hätte Dich auf der Stelle zwischen den Heiden von Bordeaux erkannt“, erwiderte der Krieger mit der Narbe, „wenn ich Dich dort als Storch auf Stelzen hätte laufen sehen. Aber setz Dich doch! Hast Du was Trauriges zu berichten, so steht Wein hier, der wird's uns tragen helfen. Heda, Alter! Noch einen Humpen vom besten!“

      Im Nu stand eine Flasche der besten Champagner-Marke vor ihnen, denn in den Schenken von Plessis kannte man die Bogenschützen zu gut, um sie auch nur eine Sekunde warten zu lassen. Quentin nippte jedoch, weil er heut Morgen schon einmal Wein getrunken hatte, an dem Humpen, während der Onkel einen derben Zug daraus tat ... „Säß Deine Schwester an Deiner statt hier, dann möcht ich solche Entschuldigung gelten lassen“, erwiderte Balafré, „so aber rate ich Dir, vor einem Weinkruge Dich nicht so zimperlich zu benehmen, denn ich denke doch, Du willst auch mal einen Bart bekommen und ein tapferer Soldat werden. Also trink! Und dann los mit den Neuigkeiten, die Du von unserem Glenhulakin weißt. Was macht meine Schwester?“

      „Die ist gestorben, lieber Ohm!“

      „Was? Gestorben?“, wiederholte Balafré, mehr im Tone der Verwunderung als des Mitgefühls, „wie kann das sein? Sie war doch fünf Jahre jünger als ich, und wohler als sie hab ich mich doch mein Lebtag nicht befunden ... Soso! Gestorben also ist sie? Hat sich Dein Vater wieder verheiratet?“

      Ehe aber der Jüngling noch eine Antwort auf diese weitere Frage gefunden hatte, fiel ihm der Onkel schon mit der Frage dazwischen: „Was? Nicht wieder verheiratet? Ich lese Dir die Antwort ja in den Augen, Junge! Ich hätte Gott weiß was wetten mögen, dass Allan Durward nicht ohne Frau werde leben können ... Ordnung in seinem Haus ging ihm doch über alles, und ein hübsches Weib hatte er immer gern vor Augen. Wie kann er das haben, ohne verheiratet zu sein? Ich mach mir dagegen aus all den Bequemlichkeiten nicht sonderlich viel, sehe wohl auch ganz gern mal ein Frauenzimmer, aber deshalb gleich ans Sakrament der Ehe zu denken, ist nicht mein Fall. Dazu fehlt es mir an der nötigen Heiligkeit.“

      „Aber, lieber Onkel, die Mutter war ja schon ein ganzes Jahr Witwe, denn die Ogilvies waren in Glenhulakin eingefallen, und dabei ist der Vater mit den beiden Onkels und meinen beiden älteren Brüdern, auch noch sechs von unsern Leuten, dem Harfner und dem Arbeitsvogt, umgekommen. Bei uns in Glenhulakin raucht kein Herd mehr, und kein Stein steht mehr auf dem andern.“

      „Beim Kreuze des heiligen Andreas!“, rief Balafré, „das muss ja bös hergegangen sein! So eine Niederlage ist noch nicht dagewesen. Freilich, die Ogilvies waren immer schlimme Nachbarn. Wann ist denn die unglückliche Affäre passiert?“ Als ihm der Neffe sagte, es sei am Sankt-Judasfeste gewesen, nahm Balafré einen tüchtigen Schluck und schüttelte dann mit großem Ernste das Haupt ... „Da siehst Du's, Neffe“, sagte er, „es ist nun mal im Krieg alles Zufall. Bald hat's an dem, bald an jenem gelegen. Ich bin am selben Tage mit zwanzig Berittenen gegen Schloss Rochenoir ausgezogen und hab's im Sturm genommen, und hatte es mit einem gar schlimmen Gegner zu tun, mit Amaury, dem Eisenarm, von dem Du doch sicher schon gehört hast. Den hab ich vorm Portal niedergehauen und hab in dem Schloss so viel Gold erbeutet, dass ich mir die güldene Kette hab schmieden lassen, die noch zweimal so lang war, wie jetzt ... da fällt mir übrigens ein, dass ich einen Teil davon auf ein frommes Gelübde verwenden muss. He, Andreas! Andreas!“

      Sein Trabant dieses Namens trat in die Stube, fast genau wie der Bogenschütze selbst gekleidet, bloß die Beinschienen fehlten ihm, und die Rüstung war weit gröber gearbeitet, auf der Mütze fehlte der Federstutz und sein Oberkleid war weniger weit, und statt aus Samt nur aus Baumwolle und grobem Tuch. Balafré nahm die Goldkette vom Hals, biss mit seinen unverwüstlichen Zähnen etwa zwei Zoll davon ab und gab das Stückchen dem Trabanten. „Da, Andreas! Trag das zu Pater Bonifaz, nach Sankt-Martins hinüber, bestell ihm einen Gruß und sag ihm, ich trüg ihm nicht weiter mehr nach, dass er nach unserer letzten Kneiperei ohne Adieu sich von mir gedrückt hätte. Dann sag ihm auch, mein Bruder und meine Schwester und die ganze Glenhulakiner Sippe seien tot, und er solle so gut sein, für ihre Seele ein paar Messen zu lesen. Was ich ihm durch Dich von meiner goldenen Kette schickte, würde schon als Kirchenlohn für das bisschen Messelesen ausreichen. Sag ihm auch, meine Sippe in Glenhulakin hätte immer einen gottesfürchtigen Wandel geführt, und wenn er daraufhin vielleicht meinte, sie könnten schon ohne Messe aus dem Fegefeuer heraus sein, so soll er das Geld auf einen Fluch gegen das hundsföttische Gesindel dieser Ogilvies verwenden ... auf welchem Wege, soll ihm überlassen bleiben,

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