Quentin Durward. Walter Scott
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„So, Neffe“, wandte sich nun Balafré wieder an Quentin Durward, „nun sag mir, wie Du eigentlich bei der Affäre mit blauem Auge davongekommen bist?“
„Ich stand mit den älteren und stärkeren zusammen in Reih und Glied gegen die feindlichen Ogilvies“, erwiderte Durward, „und hab mitgekämpft, bis wir schließlich unterlagen. Ein böser Schlag streckte mich nieder, und ich trug eine schlimme Wunde davon.“
„Das ist mir vor 10 Jahren nicht besser gegangen“, erwiderte der Onkel, „wie sie mich damals herausgeputzt haben, das kannst Du mir ja heute noch ansehen.“ Bei diesen Worten wies er auf die dunkelrote, tiefe Furche, die sein Gesicht in der Quere schnitt; „dergleichen Risse hat noch kein Schwert eines Ogilvie gezogen!“
„Zerrissen haben die Ogilvies gerade genug“, versetzte Quentin, „aber sie hatten schließlich ihren Blutdurst gestillt und gaben mich auf Bitten meiner Mutter los. Es war gerade ein Mönch von Aberbrothock in der Nähe, und dem erlaubten sie, mich zu verbinden; ich musste jedoch, zusammen mit der Mutter, geloben, Mönch zu werden.“
„Du, und Mönch?“, rief Balafré, „so was ist ja noch nicht dagewesen! Mich hat noch nie jemand, auch im Traume nicht, in eine Mönchskutte zu stecken gewagt; dass ich wenigstens nicht wüsste und doch muss ich mich eigentlich, wenn ich darüber nachdenke, wundern, denn ich hätte doch ganz sicher keinen schlechten Pater abgegeben. Aber mag es drum stehen, wie es wolle, mir hat's bis jetzt niemand zugemutet, einen solchen Berufswechsel vorzunehmen; und Dir ist das zugemutet worden, Neffe? Warum denn bloß, um alles in der Welt?“
„Damit unser ganzes Geschlecht aus der Welt getilgt werde!“, erklärte Quentin Durward, „wenn nicht im Grabe, so doch im Kloster!“
„Hm, nun verstehe ich“, erwiderte Balafré, „diese Ogilvies sind doch ganz infame Halunken! Doch hätten sie sich damit betrügen können! Wie war's denn mit dem Probst Robsart? Der fällt mir gerade ein! Er hatte doch auch die Weihen bekommen, war aber dann aus dem Kloster geflohen und Hauptmann bei einer Freikompagnie geworden. Er nahm sich ein allerliebstes Weib und zeugte mit ihr drei Jungen. Dem Mönchsvolk, lieber Neffe, ist nun mal nicht über den Weg zu trauen, ein Mönch wird Soldat und Vater von Kindern, ehe man sich's versieht. Aber erzähle weiter von Deinen Glenhulakiner Geschichten!“
„Da gibt's nicht viel mehr zu erzählen, Onkel“, antwortete Durward, „ich musste eben ins Kloster, wurde Novize, musste nach den Klosterregeln leben und sogar lesen und schreiben lernen.“
„Lesen und schreiben, sagst Du?“, rief Balafré, der zu den Leuten gehörte, die alle Kenntnisse, die das Maß des eignen Wissens übersteigen, für Wunderdinge ansehen, „so was ist ja noch nicht dagewesen! Das kann man doch nicht glauben! Welcher Durward hätte wohl vor Dir seinen Namen schreiben können? Ein Lesley doch auch nicht! Ich bin der Letzte von den Lesleys und kann so wenig schreiben wie fliegen! Aber, beim heiligen Ludwig! Wie haben sie es denn bloß angestellt, dass sie Dir das beigebracht haben?“
„Zuerst war's freilich schwer“, erklärte Durward, „dann ist's leichter geworden. Wie bei allem im Leben, kommt's hier eben auf die Übung an. Ich war infolge des starken Blutverlustes schwach zum Umfallen und wollte meinem Retter, Pater Peter, kein Herzleid bereiten. Drum gab ich mir auch alle Mühe, aufzupassen, und dann ist die Mutter auch krank geworden und gestorben, und da hat sich's in einem günstigen Augenblick mal gefügt, dass ich's dem Pater gestehen konnte, dass ich zum Mönchsstande gar keine Neigung hätte. Ich erklärte, ich möchte lieber in die Welt hinaus, mein Glück versuchen. Wir vereinbarten, dass es den Anschein hätte, ich sei aus dem Kloster geflohen. Die Ogilvies sollten keinen Grund haben, Rache am Pater und dem Kloster zu nehmen. Daher nahm ich auch den Falken des frommen Paters mit. Entlassen aber bin ich unter der Hand in aller Form Rechtens aus dem Kloster, wie ja das Siegel und die Handschrift des Abtes beweisen.“
„Na, das ist ja im Grunde auch besser“, meinte Balafré, „wenn auch schließlich König Ludwig nicht viel danach früge, ob Du gemaust hast oder nicht, so kann er es doch nicht leiden, wenn sich einer gegen ein Kloster vergangen hat. Darauf kann ich aber wetten, Junge, dass Dir alles Mögliche fehlt, zu einem anständigen Unterhalt?“
„Nun, ja Onkel“, erwiderte der Jüngling, „Dir kann ich's ja gestehen: Dazu ist mir weiter nichts nötig, als das nötige Kleingeld.“
„Eine schlimme Sache, wenn die Dinge so stehen“, meinte Balafré, „ich spare ja auch nichts vom Sold. Es ist nicht leicht mit Ehren, solchen Stand zu wahren. Was ich benötige, habe ich schließlich doch immer, und wenn es mal Matthäi am letzten wird, dann muss die goldene Kette herhalten. Du wirst dich fragen, Neffe, wie ich zu solchen schönen Dingen komme? Sie wachsen freilich nicht wie Narzissen auf dem Feld. Du kannst sie Dir dort holen wie ich, vom König von Frankreich! Denn wer Schätze zu suchen ein Herz hat, der findet sie dort, wenn auch hie und da mit Lebensgefahr; aber er findet sie!“
„Ich hörte“, erwiderte Quentin, „der Herzog von Burgund hält einen besseren Hofstaat als der König von Frankreich. Unter seiner Fahne sei mehr Ehre zu gewinnen.“
„Du redest wie ein Dummkopf“, entgegnete Balafré, „aber man kann's Dir nachsehen, denn als ich den Fuß nach Frankreich gesetzt hatte, redete ich gerade so dumm und albern wie Du. Ich hatte die Vorstellung von einem König, dass er den ganzen Tag unter einem Thronhimmel säße, mit seinen obersten Paladinen von früh bis spät schmause, die goldene Krone nie absetzt, oder an der Spitze seiner Truppen dem Feinde entgegenreite. Im Vertrauen gesagt, Neffe! Politik ist die richtige Kunst, die sich für die Könige schickt, und diese Kunst hat der König Ludwig von Frankreich so recht eigentlich für sich gepachtet. Er versteht es, wie kein anderer Monarch in ganz Europa! Du darfst mir glauben, Ludwig ist der klügste von allen Fürsten, der je den Purpur trug! Ich sah den Purpurmantel kaum ein einziges Mal auf seinen Schultern, solange ich in seinem Dienst bin. Viel öfter aber habe ich ihn herumlaufen sehen in seinem Schloss und seinem Land in einer Kleidung, wie sie sich kaum für unsereinen schicken möchte!“
„Aber, Onkel“, wandte der Jüngling ein, „Ihr erwidert ja gar nichts auf meinen Einwand. Wenn ich in fremdem Land dienen muss, so möchte ich es doch gern da tun, wo mir der größte Vorteil winkt, wo ich mich am ehesten und hervorragendsten auszeichnen könnte!“
„Das verstehe ich schon, lieber Neffe“, versetzte Balafré, „aber es fehlt Dir in solchen Dingen noch am richtigen Urteil. Der Burgunder Herzog ist ein Brausekopf, ein eisenfester Wagehals, der sich an der Spitze seiner Männer selbst ins Gefecht stürzt, und wenn wir, Du oder ich, uns bei ihm befänden, meinst Du, wir könnten es dort weiter bringen, als er und seine Adligen? Wollten wir nicht gleichen Schritt mit ihnen halten, dann wäre doch sicher der Herr burgundische Generalprofos nicht weit von uns, und täten wir's anderseits ihnen gleich, nun, dann wär's eben gut, und es hieße, wir hätten eben unseren Sold verdient. Höchstens hieße es einmal, wenn wir was ganz Besonderes verrichtet hätten, aus herzoglich burgundischem Munde: Ha! Brav gemacht! Sehr brav – gebt ihm einen Gulden, Seneschall, dass er mal auf unser Wohl einen guten Schluck trinken kann! Aber von Rang, Land oder Schätzen kommt in seinem Dienste an einen, der nicht Burgunder ist, kein Tüttelchen: das lass Dir gesagt sein, denn was der zu verschenken hat, kommt bloß an Landeskinder!“
„Dann sagt mir aber, Onkel“, erwiderte Quentin, „wohin soll ich mich wenden?“
„Zu demjenigen Fürsten“, antwortete Balafré, „der die Landeskinder fein säuberlich