Preis des aufrechten Gangs. Prodosh Aich

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Preis des aufrechten Gangs - Prodosh Aich

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Dieser Rauschzustand hält an. Die Ernüchterung stellt sich nicht einmal zur Halbzeit meiner „Gastprofessur in meinem eigenen Land“ ein, als die Untersuchung der „lndischen Universität“ beginnt, Gestalt anzunehmen.

      Die Kehrseite dieser Erfolgsmedaille, dieses Rausches, ist aufschlußreicher. Wäre der Forschungsantrag zum Rückanpassungsprozeß „Künftige Elite oder wurzellose Intellektuelle?“ glatt durchgekommen, wie Winfried Böll mir noch vor „Farbige unter Weißen“ als Vertreter des Ministeriums zugesichert hatte, würde es weder einen Aufenthalt in Jaipur noch eine Untersuchung „Die Indische Universität“ gegeben haben. Ich würde gewissenhaft den Rückanpassungsprozeß beschrieben, eine Habilitationsarbeit über das Studium der „Farbigen unter Weißen“ und deren Folgen für die „beiden Welten“ geschrieben haben. Aber ich würde bestimmt nicht auf die Idee gekommen sein, mir die Frage zu stellen, wer die Ergebnisse meiner Untersuchungen mit Gewinn hätte verwerten können und wer die Verlierer gewesen sind. Ich wäre einem blond-blauäugig-weiß-christlichen Wissenschaftler gleich geworden, trotz meines nicht zu übersehenden fremdländischen Aussehens, und würde mich immer noch am Bauch gepinselt fühlen, wenn König und seinesgleichen mich als „hochentwickelten Unterentwickelten“ präsentieren würden.

      Ich habe die Wirklichkeit hinter dem Medienrummel nicht wahrnehmen können. Dieser hat der Regierung der Bundesrepublik nicht gepaßt. Sie hätte jede Studie finanziert, die sicherzustellen versucht hätte, daß ausgewählte Personen aus den „Entwicklungsländern“ auf kostspieligen Studienplätzen nach ihrer Rückkehr in die Heimatländer Karriere machten und dennoch im Herzen blond-blauäugig-weiß-christliche Botschafter blieben. Den diplomatischen Wink mit diskretem Charme des Auswärtigen Amtes, ob mit einer Veröffentlichung des Unesco–Berichts nicht abgewartet werden sollte, habe ich nicht verstanden, trotz meiner Erfahrungen mit der Friedrich–Ebert–Stiftung oder mit der Deutschen Stiftung für Entwicklungsländer. Die BMZ war damals und ist heute noch lediglich eine Unterabteilung des Auswärtigen Amtes. Dort zählten nicht die thematische Sympathie eines sachkundigen Winfried Böll und auch nicht der Nutzen von Forschungsergebnissen für die praktische Arbeit einer Carl-Duisberg-Gesellschaft, sondern übergeordnete, öffentlich nicht zu Markte getragene Interessen.

      Das „Abfeiern“ von „Farbige unter Weißen“ durch die Medien lockert nur zeitweilig unsere finanzielle Anspannung. Hans–Joachim Friedrich und Olrik Breckoff, damals Redaktionsmitglieder von „Report WDR“ unter Franz Wördemann („Monitor WDR“ gab es ncoh nicht), gehen mehrere Wochen schwanger damit, über „Farbige unter Weißen“ einen ausführlichen Bericht zu machen. Sie begleiten mich zu Veranstaltungen, aber zum Schluß finden sie die Zusammenhänge für einen Magazinbericht doch zu verwickelt. Dennoch bedenken sie mich mit einem großzügigen „Informationshonorar“. König muß mich noch am 22. März 1963 als Berater beim Kultusministerium von Nordrhein–Westfalen (NRW) andienen:

      „... da Herr Dr. Aich über eine ungewöhnlich große Erfahrung verfügt, hat er doch nicht nur die erste, Ihnen bekannte Untersuchung über ‚Farbige unter Weißen' gemacht, sondern bereits eine zweite, die sich momentan noch im Auswertungsstadium befindet. Wir planen ferner noch eine dritte Studie, welche eine der Hauptthesen bestätigen soll, wonach die Heimkehrer in ihren Heimatländern große Anpassungsschwierigkeiten durchzumachen haben. Bevor die erwähnte Untersuchung anläuft, stehen Herrn Dr. Aich noch einige Monate zur Verfügung, während derer er Ihnen sehr gern zur Verfügung steht.

       Ich kann Herrn Dr. Aich restlos empfehlen. Er ist ein außerordentlich liebenswürdiger und sympathischer junger Mann, in jeder Hinsicht sehr zuverlässig, der sich bei allen meinen Mitarbeitern sehr beliebt gemacht hat.“

      So werde ich für drei Monate Berater. Am 6. Juni 1963 stellt König den folgenden Antrag, damit wir nicht am Hungertuch nagen müssen:

      „hiermit möchte ich den Antrag stellen, daß die Unterstützung von Herrn Dr. Prodosh Aich aus den Mitteln des Kultusministeriums zur Förderung des Nachwuchses noch für die Monate Juli und August verlängert wird. Ab 01. 09. 1963 wird Herr Dr. Aich als planmäßiger Assistent des Forschungsinstitutes für Soziologie angestellt werden, wo ihm die Abteilung spezieller Probleme der Entwicktungsfragen übertragen werden soll.“

      Dem Antrag wird stattgegeben. Am 23. August 1963 beantragt die Universität beim Herrn Kultusminister des Landes Nordrhein–Westfalen:

      „Der Direktor des Forschungsinstituts für Soziologie der Universität zu Köln, Herr Professor Dr. König, bittet mit beiliegendem Antrag vom 26.07.1963, den indischen Staatsangehörigen Herrn Dr. phil. Prodosh Aich zum wissenschaftlichen Assistenten am vorgenannten Institut zu ernennen. ...

       Abgesehen davon, daß Herr Dr. Aich in verschiedenen Fachrichtungen studierte, hat er unter Anrechnung aller seiner Studienzeiten einschließlich der praktischen Fachausbildung als Förderungsstipendiat nur eine Gesamtstudien– und praktische Ausbildungszeit von 5 ½ Jahren aufzuweisen. Außerdem besitzt er nicht den für seine Ernennung zum wissenschaftlichen Assistenten vorgeschriebenen Grad eines Dr. rer. pol., sondern den eines Dr. phil. Die in § 2 Abs. 1 Nr. 2 u. 3 der Reichsassistentenordnung vom 1. 1. 1940 vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Ernennung zum wissenschaftlichen Assistenten sind daher nicht als erfüllt anzusehen.

       Entsprechend dem Antrag von Herrn Professor Dr. König bitte ich gleichwohl, unter Befreiung von diesen Vorschriften die Zustimmung zur Ernennung von Herrn Dr. Aich zum wissenschaftlichen Assistenten zu erteilen. Außerdem bitte ich, da Herr Dr. Aich die indische Staatsangehörigkeit besitzt, zu der Ernennung gemäß § 6 Abs. 3 LBG die Zustimmung des Herrn Innenministers zu erwirken.

       Ich darf als bekannt voraussetzen, daß sich Herr Dr. Aich durch seine Arbeit ‚Farbige unter Weißen‘ schon einen Namen gemacht hat. Die Ernennung zum wissenschaftlichen Assistenten kann daher unbedenklich befürwortet werden.“

      Auch diesem Antrag wird stattgegeben. Ich werde zum wissenschaftlichen Assistenten ernannt, verbeamtet, auf Widerruf. Weder im soziologischen Seminar noch im Forschungsinstitut für Soziologie wird ein Arbeitsplatz für mich bereitgestellt. Es gibt keine Räumlichkeiten. Mein Arbeitsplatz bleibt in der Weberstraße 96 in Bonn. Dieser bemerkenswerte Zustand wird von keiner Seite thematisiert. Fakt ist, daß für mich nie ein Arbeitsplatz in den Räumlichkeiten der Universität eingerichtet wurde.

      Erwin K. Scheuch, noch habilitierter wissenschaftlicher Assistent im Seminar für Soziologie unter Direktor René König, erhält zur Überraschung vieler einen Ruf an die Harvard University, dem Mekka für deutsche Soziologen. Der Lehrstuhl von Samuel A. Stouffer, neben Paul Lazarsfeld der andere Papst der empirischen Sozialforschung, war nach seinem Tod im Jahre 1960 noch unbesetzt. Stouffer und Lazarsfeld waren erfahrene Sozialforscher und auch Kriegsforscher im Auftrag der USA–Regierung, und nicht fleißige „Sekundärauswerter“ von empirischen Untersuchungen anderer wie Scheuch und König. Scheuch folgt dem Ruf, steigt raketenhaft in der Hochachtung von König, der es nur bis zu „Summer Schools“ in den USA gebracht hatte. Andere im Institut grübeln darüber, ob Scheuch sich in Harvard halten wird. Nun, Scheuch hält sich nicht in Harvard und kommt zurück nach Köln mit einem Ruf zunächst als Kodirektor des Seminars für Soziologie. Ab sofort redet König Scheuch mit „Herr Kollege“ an. Meine Hochachtung vor König erfährt ein weiteres Beben.

      Das BMZ lehnt den Forschungsantrag nicht ab. Aber es bewilligt ihn auch nicht. Es läßt den Antrag einfach schmoren. Nach meiner Ernennung halte ich Seminare im Auftrage von König ab und arbeite intensiv an der Entwicklung des Untersuchungsinstruments für die Rückkehrerstudie. Daß das BMZ nicht entscheidet, führe ich auf die Aufbauphase des neuen Ministeriums zurück. Auch Böll, der sich immer mehr unerreichbar macht, bestärkt mich in dieser Annahme. Wie König diese Verzögerung deutet, sagt er mir nicht. Routinemäßig macht der Kanzler der Universität König am 23. August 1965 mit einer hektographierten Mitteilung darauf aufmerksam, daß meine Ernennung nicht automatisch

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