Steintränen. Manja Gautschi
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Читать онлайн книгу Steintränen - Manja Gautschi страница 13
Bob nahm seinen Mut zusammen um Zylin erst einmal das Mundstück zu lösen, was schwieriger war als gedacht, denn seine Hände zitterten. Irgendwie war er sehr nervös. Und das in Zylin dabei so ansah, machte es nicht besser. Diese Augen! Als ob er damit töten könnte. So direkt. Durch ihn hindurch. Der arme Bob musste sich alle Mühe geben es sich nicht anmerken zu lassen. Dieser Kerl war ihm unheimlich, und wenn er an die Szene im Besuchsraum von vor 3 Tagen dachte, schauderte es ihm... er machte sich jedenfalls darauf gefasst, beim kleinsten Anzeichen sofort zurückzuweichen um keine Kopfnuss oder Sonstiges zu kassieren.
Vorsichtig löste er also an Zylins Hinterkopf das Schloss der Mundfessel. Nahm Zylin langsam und vorsichtig die Stange aus dem Mund. Er beobachtete Zylin, wie er den Unterkiefer hin und her bewegte um ihn zu lockern. Stellte sich vor, wie unangenehm so ein Ding im Mund sein musste. Dass das überhaupt ging. Dann blickte ihn Zylin wieder direkt in die Augen, Bob erstarrte innerlich, ohne dass er es wollte und hielt die Luft an. 'Mist, er hat gemerkt, dass ich ihn anstarre!!' Bob schluckte. Eine dieser Pausen entstand, bei der man das Gefühl hatte, die Zeit würde einfrieren. Was nun?! war die Frage, die im Raum hing.
Es geschah nichts. Mit seiner tiefen, wirklich beeindruckend fester Stimme sagte Zylin schliesslich nur „Danke.“ und das nicht einmal unbedingt laut. Bob atmete aus und Riso fing an schallend zu lachen „Schade wie? Da kam weder Feuer noch ein Blitzstrahl heraus!“ Riso lachte Tränen, hielt sich den Bauch, bis ihm Takwo von gegenüber mit dem Schuh eine ans Knie knallte und fluchte „Lass das, wir sind nicht im Kindergarten! Für dich war es auch einmal das erste Mal im Aussendienst. Trottel!“ und zu Bob sagte er ebenso grob „Jetzt mach schon vorwärts, du Weichei und setz dich hin verflucht. Das ist doch nicht die Möglichkeit.“
Bob machte sich daran die Handfesseln von Zylin zu lösen, welche ihm dieser bereits unaufgefordert entgegenhielt soweit es die Ketten zuliessen. Jetzt deutlich schneller, öffnete Bob die beiden Handfesseln und starrte auf Zylins Handgelenke, die von den Fesseln blutig gescheuert waren. „Was ist das denn?“ fragte Bob „Wie lange tragen Sie diese Handfesseln schon?“ Zylin nahm dem verdutzten Bob leicht genervt den Magnetschlüssel ab, gab als Antwort auf dessen Frage nur ganz knapp „Lange genug“ und beugte sich zu seinen Fussfesseln hinunter um auch diese zu endlich abzunehmen. Denn, auch wenn man es ihm nicht wirklich ansah, aber die letzten Tage mit den verlängerten Aktivphasen hatten ihm, wie von Martin erwünscht, tatsächlich mehr Kraft abverlangt wie sonst und er war hundemüde. Die verletzten Handgelenken waren sein kleinstes Problem.
Nachdem er die Fussfesseln gelöst hatte, richtete er sich wieder auf, streckte Bob den Schlüssel hin und bat um seine Tasche. Ohne weitere Worte reichte ihm Bob die schwarze Tasche, die er vorhin entgegengenommen hatte. Sie war nicht schwer und kaum was drinnen. Neugierig von seinem jungen Aufpasser beobachtet, nahm Zylin seine Tasche entgegen, ohne etwas zu sagen. Wer war dieser unheimliche Kerl? fragte sich Bob ununterbrochen. Welche Geheimnisse versteckten sich wohl hinter diesem Mann, der einmal Commander gewesen sein soll? Ein für ihn so weit entferntes Ziel. In was für einem merkwürdigen Spiel befand er sich hier? Fragen über Fragen und keine Antworten. So hatte er sich seinen ersten Ausseneinsatz definitiv nicht vorgestellt.
Während Bob so in seinen Gedanken versunken da stand, öffnete Zylin seine Tasche und nahm ein kleines dunkelgrünes Samtsäckchen heraus. Das Säckchen enthielt ein oranges Pulver, womit sich Zylin seine von den Fesseln wundgescheuerten, blutenden Handgelenke einrieb. Anschliessend krempelte er sein rechtes Hosenbein hoch, darunter kam eine stark blutende Schnittwunde in der Wade zum Vorschein, die er sich ebenfalls mit dem orangenen Pulver einrieb, dann das andere. „Das ist reines Steintränenpulver, nicht wahr?“ fragte Isara erstaunt von ihrem Platz aus „Wir kriegen das immer nur verarbeitet oder verdünnt zu kaufen. Ich habe noch nie reines Pulver gesehen. Das ist sehr wertvoll! Woher haben Sie das?“ Zylin hatte kein Interesse an irgendwelchen Gesprächen und ignorierte Isaras Fragen einfach, versorgte auch sein anderes Bein, schloss dann das Säckchen wieder und stellte es neben sich auf den Boden.
Ausser Dek und Bob, war Isara die einzige im Team, die Zylins Bekanntschaft bereits vorher hatte machen dürfen und sie hatte ihn nicht als sehr gesprächig kennen gelernt. Daher erwartete sie auch keine Antwort auf ihre Frage. Und seine Gefängnisverletzungen überraschten sie ebenfalls kein Bisschen, sie wusste bereits von deren Existenz und hätte Zylin Hilfe beim Verarzten gewollt, hätte er es gesagt. Also lehnte sie sich entspannt wieder zurück und schloss die Augen.
Im Gegensatz zu Bob, er stand fassungslos mit immer offenerem Mund da und hatte Zylin beim Versorgen seiner Wunden schockiert beobachtet. Als er sich endlich aus seiner Erstarrung lösen konnte, ging er zum Cockpit um Captain Dek zu sprechen. „Captain...“ fing er entrüstet an „...das müssen wir melden!“ Dek öffnete die Augen, drehte sich um und sah Bob an „Bob, beruhige dich.“ sagte er ruhig „Was ist denn los? Was müssen wir melden?“ und Bob antwortete „Captain, Sa ist verletzt und seine Wunden wurden nicht versorgt. Das müssen wir der Aufsicht melden! Selbst wenn er der gefährlichste und unfreundlichste Mensch im Universum ist, er musste seine Handfesseln definitiv zu lange tragen und eine Schnittwunden an den Beinen wurde nicht einmal erstversorgt. Regeln sorgen für Ordnung und Gerechtigkeit, sie müssen eingehalten werden. Was, wenn sich das entzündet hätte? Er hätte sein Bein verlieren können!“ Bob atmete immer schneller „Captain, bei allem was Recht ist. Das ist nicht in Ordnung und definitiv gegen die Regeln. Und Captain“ Bob machte eine wichtige Pause "Captain, er stinkt. Offenbar durfte er sich nicht einmal waschen!" Dek begriff was ihm Bob gerade mitgeteilt hatte, schmunzelte ein wenig und drehte sich wieder um, nachdem er kurz festhielt „Bob, es gibt noch Vieles, was Du nicht weisst. Es ist nicht immer alles ‚schwarz’ oder ‚weiss’. Jetzt setz dich, ruh dich aus, wir haben noch 10 Stunden Flug vor uns.“
Entsetzt, verdutzt und fassungsloser denn je folgte Bob Deks Anweisung und nahm Platz auf seinem Sitz. Seine Welt brach gerade ein grosses Stück zusammen. Dafür hatte er jetzt ein wenig Mitleid mit ihrem fremden, furchteinflössenden Begleiter. Bob fragte sich, ob er Zylin vielleicht zu vorschnell Unrecht tat mit seiner Meinung über ihn?
Zylin hatte sich unterdessen um jedes Handgelenk ein braunes, ledernes Armband gelegt, als Schutz für die verletzte Haut und gegen neue Verletzungen. Viele Nahkampfsoldaten trugen solche Armbänder, da das Handgelenk ein sehr exponierter Körperteil war, insbesondere bei Nahkämpfen. Nach den Armbändern nahm er ein Haarband aus der Tasche, womit er seine langen, unfrisierten ziemlich wild wirkenden Haare flink zu einem lockeren Haargeflecht zusammenband. Dann nahm er zwei Dolche aus der Tasche. Er schnallte sich je einen um den Oberschenkel mit einem schwarzen Lederhalfter, auf der schwarzen Hose waren die Waffen kaum mehr erkennbar. Als letztes zog er einen langen schwarzen Kapuzenmantel aus der Tasche, in welchem er das Säckchen mit dem Steintränenpulver verstaute. Um sich den Mantel anzuziehen, stand er kurz auf, worauf sich Sila, Riso, Takwo und Bob sofort anspannten und die Hand an Ihre Schusswaffen bereitlegten um bei Bedarf schnell reagieren zu können, falls sie von Zylin angegriffen würden oder so.
Aber wie Dek insgeheim vermutet hatte, dachte Zylin im Augenblick keines Wegs daran irgendwelche Schwierigkeiten zu bereiten. Dafür nahm Zylin die angespannten Soldaten eher amüsiert zur Kenntnis ‚Keine Ahnung’ dachte er, streifte sich den Mantel über und setzte sich. Es dauerte einen Moment ehe sich die anderen gänzlich entspannen konnten, eigentlich solange, bis sich Zylin wie alle angeschnallt hatte.