Steintränen. Manja Gautschi
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Die Apotheke befand sich an einer Seitenstrasse. Von dieser gelangte man direkt auf die Hauptstrasse, die über den Marktplatz und quer durch ganz Rupes führte. Boris Haus bestand neben dem Apothekerladen mit kleinem Labor, Lager und dem Wohnteil noch aus 4 Pferdeställen, die um einen kleinen Hinterhof herum platziert waren. Der Hinterhof war über zwei Eingänge erreichbar: eine Tür von der Küche aus und einen eigenen Eingang hinter dem Haus. Es war ein gewöhnliches, traditionelles rupianisches Steinhaus, das schon seit Beginn der Besiedlung von Steinwelten an existierte. Boris hatte es vom vorherigen Apotheker übernehmen können.
Die ganze Stadt Rupes war überhaupt sehr übersichtlich und zum Teil eng und klein gebaut. Stets lag eine familiäre, freundliche Stimmung in den Strassen. Man kannte sich, alles ging mit einer Ruhe vor sich einher, die jeden Besucher ansteckte. Nur war es schwer, als Fremder überhaupt in die Stadt zu gelangen, geschweige denn Kontakt mit den Rupianiern zu finden, denn Fremden gegenüber waren alle immer erst einmal misstrauisch und unfreundlich. Da verwundert die überdimensional hohe Stadtmauer ohne Tor, welche die Stadt umschliesst nicht. Nur demjenigen, der bei den Stadtwachen bekannt war oder eine Kontaktperson in Rupes als Leumund nennen konnte, war es möglich den unterirdischen, von rupianischen Wachen bewachten Tunnel in die Stadt zu passieren.
Einzig dort, wo die Stadt an den grossen Grünen See herangebaut worden war, gab es keine Mauer, die Stadt wurde mit einer mitten durch den See laufenden Linie an Wasser-Minen und Wachbooten vor unerwünschtem Besuch geschützt.
Eine weitere Eigenheit der gesamten Stadt und ihrer Umgebung war der weitgehende Verzicht auf technisches Gerät. Die einzig vorhandene Technik waren die Überwachungsanlagen, die vor allem einen unerwünschten Besuch aus der Luft abzuwehren hatten und ein paar unbedingt notwendige Gerätschaften im Verwaltungsgebäude zur Kommunikation mit Rotsand, der offiziellen Hauptstadt auf der gegenüber liegenden Seeseite. Während die eigenwilligen Steintränensammler in Rupes lebten, war Rotsand der Umschlagplatz der Steintränen, wo sich sämtliche Händler aus dem gesamten bekannten Universum tummelten. Rotsand war das pure Gegenteil von Rupes, aber beide Seiten existieren friedlich neben-, von- und miteinander.
Weil die Rupianer strikt auf technische Transportmittel verzichten, existiert nur ein offizieller Handelsweg zwischen Rupes und Rotsand: ein Zweitagesritt zu Pferd dem Grünen See entlang, durch den an den See grenzenden Seewald hindurch.
Und da Mara, im Gegensatz zu Boris, in Rupes aufgewachsen war, gehörte sie genau zu diesen eigenwilligen Sturköpfen. Boris sah ein, dass er sie nicht mehr umstimmen konnte. „Weiber!“ schüttelte er verärgert den Kopf und ging Doreka im Laden bedienen.
Derweil verliess Mara die zum Laden angrenzende Küche durch die Holztür, die zum Hinterhof führte. Dort warteten bereits ihre Wellenterstute Custa und ein bepacktes braunes Lastenpferd auf sie, denn sie wäre tatsächlich so oder so losgeritten und hatte schon lange alles gepackt. Custa wartete also ganz ungeduldig und scharte heftig im Stroh als sie Mara kommen sah. Aufgeregt nickte sie mit dem Kopf und begrüsste ihre Herrin.
Die Wakaner hatten die Wellentere mitgebracht. Ein pferdegrosses Reittier mit dem Verhalten eines Hundes. Auf den ersten Blick sah Custa auch aus wie ein Pferd mit weichem Angorafell, nur dass sie anstelle der Hufe vier riesige Pfoten besass.
Custa wurde damals zusammen mit Mara gefunden und zwischen den beiden entwickelte sich eine unheimliche Bindung. Sie beschützten sich gegenseitig und Custa liess niemanden ausser Mara an sich heran. So erstaunte es nicht, dass Custa zwar einen Sattel trug, aber kein Zaumzeug, sie kommunizierten telepathisch und jeder spürte immer wie es dem anderen ging.
Gerade als Mara auf Custa losreiten wollte trat Boris in den Hof. „He!“ rief er und Mara drehte sich im Sattel um. Boris lief zu ihr hin „Auf Wiedersehen und pass auf dich auf.“ sagte er. „Natürlich, Boris.“ bestätigte Mara. Boris nickte, klopfte mit der rechten Hand auf Custas Hals und wies Custa an „Dass du mir ja auf sie aufpasst!“ Custa drehte den Kopf zu Boris hin und schleckte seine Wange mit ihrer grossen, sabbernden Zunge ab. „Ähh...! Das ist einfach jedes Mal ecklig.“ war Boris Kommentar dazu. Er stiess Custas Kopf freundschaftlich beiseite und wischte sich mit dem Handrücken den Schleim von der Wange, während Mara herzlich lachte. „Jetzt haut schon ab.“ sagte Boris weiter, gab Custa einen Klapps aufs Hinterteil und lief zurück zur Holztür. Mara ritt los, es war noch früher Vormittag und sie wollte bis zum Eindunkeln in den Steinbergen sein.
6 - Zylin - Ankunft im Dunkeln
Ein eckelhafter Piepton und eine von einer anonymen Frauenstimme gesprochene Mitteilung durchdrang die friedliche Stille im Jagdgleiter. Der eckelhafte Piepton und die Mitteilung „Das gewünschte Ziel wird in 20 Minuten erreicht.“ wiederholten sich gefühlte unendliche Male bis der Pilot, Cheks, endlich aufwachte und ihn deaktivierte. Captain Dek, ebenfalls geweckt, streckte sich zur Lockerung in seinem Sitz, nutzte dafür soviel Platz aus wie er nur konnte, es war eng. Dann löste er seine Sicherheitsgurte, stand auf und reckte sich noch einmal so gut es ging in dem kleinen Jagdgleiter.
Er machte die paar Schritte zu Bob, seinem jungen Assistenten und schüttelte ihn heftig, wäre er nicht angegurtet gewesen, wäre er wohl aus dem Sitz gefallen. Unglaublicherweise schlief der junge Mann immer noch tief und fest. „Bob! Jetzt wachen Sie schon auf.“ raunte er den armen Bob an, der verschlafen, erschrocken sofort aufstehen wollte, aber nicht konnte, da er noch angeschnallt war. Dek verschaffte sich einen Überblick. Die anderen waren alle schon mehr oder weniger wach, rieben sich die Augen und streckten ihre Glieder.
Alle ausser Zylin, der noch immer, so bequem wie es eben im Sitzen ging, auf seinem Platz schlief. Den Blick zurück zu Bob gewendet, befahl Dek „Sehen Sie zu, dass alle für die Landung bereit sind.“ „Jawohl Captain.“ antwortete Bob mehr im Reflex als bewusst, denn er rang immer noch um seine Orientierung, Dek musste ihn in einem dummen Moment aufgeweckt haben.
Jedenfalls liess Dek von Bob ab, schüttelte den Kopf und setzte sich wieder auf seinen Copilotensitz. Immer diese unerfahrenen, jungen Soldaten, dachte er bei sich. Er fragte sich, ob er wohl genügend Geduld aufbringen würde um aus diesem Hitzkopf einen brauchbaren Soldaten für den Ausseneinsatz machen zu können. Lehrer zu sein war wirklich nicht sein Ding.
Einen Moment später schaffte es also auch Bob wieder einen klaren Kopf zu kriegen und er wusste wo er war. Er löste seine Sicherheitsgurte, bewegte seinen Kopf hin und her um seinen steifen Nacken zu lösen und streckte Arme und Beine. Anschliessend blickte er sich im Gleiter um und stellte fest, alle wach und sich am Vorbereiten ausser dieser Zylin Sa, der noch immer schlief. Riso hatte Bob beobachtet und stand auf. Er fasste Bob an der Schulter und meinte schadenfroh grinsend „Na? Willst du unser Dornröschen denn nicht wachküssen? Er verpasst sonst noch unseren Ausflug.“ Bob stiess Risos Hand wütend von seiner Schulter „Lass