Die Farbe der guten Geister. A. A. Kilgon

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Die Farbe der guten Geister - A. A. Kilgon

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da und starrte auf ihre weißen, eiskalten Hände unter dem Tisch.

      Dr. Umlauf ahnte wohl, was in ihr vorging. Mit Sicherheit war sie nicht sein erster Fall dieser Art. Er schaute nachdenklich auf das Stück Papier vor sich, tippte mit dem Zeigefinger darauf und atmete geräuschvoll ein, bevor er sagte: „Das wir ihren Behandlungsplan schon haben, Frau Johannsen, hat möglicherweise damit zu tun, dass die Kollegen in der Klinik neue Erkenntnisse darüber haben, was am besten hilft. Dann erübrigt sich die Tumorkonferenz manchmal…... Wissen sie?“

      Seine Worte klangen wenig überzeugend. Sie klangen vielmehr so, als würde er selbst nach einer plausiblen Erklärung suchen, damit seine ärztlichen Kollegen nicht in ganz so schlechtem Licht dastanden. Tilda versuchte währenddessen ein gequältes Lächeln. In Wahrheit war ihr zum Heulen zumute. Sie entgegnete, wobei sie sich eine ihrer blonden Haarsträhnen aus dem Gesicht strich und sie hinter das Ohr schob: „Was am besten hilft? Soviel ich weiß gar nichts - bei Bauchspeicheldrüsenkrebs“. Sie machte mit den Händen eine hilflose Geste und fuhr dann bitter fort: „Zumindest nach allem, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte.“ Einen Moment lang presste sie ihre Zähne ganz fest aufeinander, um ihre Fassung nicht zu verlieren. Dann fügte sie angstvoll hinzu: „Gibt es denn überhaupt eine Chance für mich, die Krankheit zu überleben?“ Der Arzt sah sie an, als wäre das die ungewöhnlichste Frage auf der Welt. So, als hätte er nie im Leben mit etwas Derartigem gerechnet. Zögerlich entgegnete er, wobei er es vermied, sie anzusehen und den Blick auf die Akte vor sich gerichtet hielt: „Eine Chance gibt es immer, Frau Johannsen. Ja, die gibt es immer. Aber ihre Chance ist klein. Sehr klein! …….. Leider.“ Sein Blick streifte sie etwas unsicher. „Wir müssen sehen, was die Zukunft bringt. Wunder können wir wohl leider kaum erwarten. Es sei denn, sie belehren mich eines besseren…. Dagegen hätte ich nichts einzuwenden.“

      Er richtete seinen Blick auf Tildas Gesicht, ohne ihr dabei in die Augen zu sehen. Nachdenklich fügte er noch hinzu: „Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas Anderes sagen! Es ist auf jeden Fall empfehlenswert, wenn sie sich noch ein paar schöne Tage mit ihrer Familie machen. Und wenn sie ihre persönlichen Angelegenheiten in Ordnung bringen. Nur sicherheitshalber, wenn sie verstehen was ich meine.“ Er ergriff seinen Kugelschreiber und drehte ihn einige Male nervös zwischen den Fingern hin und her. Dann gab er sich plötzlich einen Ruck und setzte seine Unterschrift entschlossen unter ihren Krankenschein. „Wenn sie die Chemotherapie nicht machen möchten, so kann sie niemand dazu zwingen, wissen sie? Aber es ist das einzige, was die Medizin Ihnen anbieten kann.“ Er machte eine kurze Pause und sagte dann, während er Tilda die Hand zum Abschied reichte: „Setzen sie mich bitte in Kenntnis, wie sie sich entschieden haben. Alles Gute für sie, Frau Johannsen!“

      Tilda bedankte sich leise und ging hinaus. Irgendwie hatte sie das Gespräch noch mehr verunsichert. Sie hatte nun erst recht keine Ahnung mehr, was sie tun sollte. Tatsache war, dass sie eine Chemotherapie aus der Schublade bekommen sollte. Es war den Ärzten in der Onkologie offenbar klar, dass sie ein aussichtsloser Fall war. Ein Fall, für den sich der Aufwand einer individuellen Therapie nicht mehr lohnte. Bei diesem furchtbaren Gedanken erschrak sie über sich selbst. Es war ihr, als würde sich die Erde auftun und sie hinabziehen. Hinabziehen in ein riesiges, schwarzes Loch - unaufhaltsam, immer tiefer und tiefer. Welches grausame Schicksal war ihr beschieden, das sie schon mit dreißig Jahren sterben ließ? Niemanden der Mediziner schien sich wirklich dafür zu interessieren. Es kam Tilda so vor, als habe sie mit ihrer Diagnose eine medizinische Maschinerie in Bewegung gesetzt, die ihre Arbeit zwar verrichtete, der es aber vollkommen an Empathie und Optimismus fehlte und für die die Erfolglosigkeit ihrer Behandlung bereits unabänderlich feststand.

      Als Ludwig von der Arbeit kam fand er Tilda in Tränen aufgelöst in der Ecke der Couch hockend vor. Sie hatte ihre nackten Füße unter der schottischen Wolldecke vergraben, die zusammengelegt neben ihr lag. Seit Stunden hatte Sie dort wie erstarrt gesessen. Sie wusste selbst nicht mehr wie lange. Ihre Augen waren gerötet und geschwollen vom Weinen. Ihre blaue Jacke lag noch immer achtlos hingeworfen auf dem Fußboden im Flur. Ihre Schuhe standen daneben, mitten im Weg. Draußen begann es bereits ein wenig zu dämmern. Im Raum war es fast dunkel. Tilda hatte das Licht nicht eingeschaltet. Alles, was sie noch zu fühlen imstande war, war die Unausweichlichkeit ihres nahenden Todes. Die Furcht davor ließ sie vor Angst erstarren. Sie hatte in den letzten Stunden jedes Zeitgefühl verloren, hatte nichts gegessen und nichts getrunken. Da war nur noch die Angst, bald zu sterben. Diese Angst vermischte sich mit Hilflosigkeit und Panik zu einer grollenden Lawine, die unabänderlich auf sie zuraste.

      Ludwig schaltete die kleine Lampe mit dem bunten, gläsernen Schirm an, die auf dem Fensterbrett zwischen den Blumentöpfen stand. Sie war ein Geschenk ihrer Eltern zu ihrem letzten Geburtstag gewesen. Das Licht der kleinen Lampe war viel zu schwach, um den ganzen Raum zu erhellen, aber es war freundlich und warm und es half ein wenig gegen die zunehmende Dunkelheit des Raumes. Vorsichtig setzte er sich neben Tilda, als hätte er Angst davor, ihr näher zu kommen. Er streichelte ihr sanft übers Gesicht und ließ seine Hand tröstend auf ihrer Schulter liegen. Erst nach einer ganzen Weile, nachdem sie so stumm nebeneinander gesessen hatten, begann Tilda wieder zu weinen. Je länger sie weinte, desto stärker flossen ihre Tränen. Ludwig holte aus der Küche eine Packung Taschentücher, faltete eins davon auf und wischte ihr damit die Tränen aus dem Gesicht. Unvermittelt ging ein Ruck durch Tilda, die bis zu diesem Zeitpunkt nur apathisch dagesessen hatte. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals und schluchzte: „Ich will nicht sterben, Luddi!“ Sie spürte, wie Ludwig nach Worten suchte. Alles, was ihm einfallen wollte, schien viel zu banal zu sein, um sie trösten zu können. Hilflos drückte er sie an sich und krümmte sich dabei selbst zusammen, als hätte er Schmerzen. So saßen sie eine ganze Weile stumm beieinander. Draußen war es mittlerweile vollständig dunkel geworden und auch der Rest der Wohnung lag in absoluter Dunkelheit. Nur die Glaslampe auf dem Fensterbrett warf ihr spärliches, buntes Licht in den Raum. Tildas Tränen versiegten irgendwann. Mit dem Wissen um ihre aussichtslose Lage war sie vollkommen überfordert. Später am Abend gelang es ihr, sich ein wenig zu beruhigen.

      Ludwig war zu diesem Zeitpunkt bereits zur Normalität zurückgekehrt. Er hatte den Fernseher eingeschaltet und sah sich wie üblich die Sportsendung an. Tilda war irgendwann wortlos aufgestanden und hinausgegangen. Ein tiefer, spitzer Schmerz hatte sich in ihr Herz gebohrt und brannte dort unaufhörlich vor sich hin. Genau das war es, was sie an Ludwig so schrecklich fand. Es war diese Art von Selbstsucht. Die Sache mit der Sportsendung hatte ihr einmal mehr deutlich gemacht, dass er immer nur an sich selbst dachte. Es war eine kleine Enttäuschung mehr für sie an diesem trostlosen Tag. Natürlich konnte Ludwig ihr nicht helfen. Das wusste sie selbst. Aber allein seine Aufmerksamkeit und seinen Beistand hätte sie an diesem Abend als große Hilfe empfunden. Doch Ludwig war weit davon entfernt, sich das bewusst zu machen.

      Nachdem ihre größte Enttäuschung langsam gewichen war, war es ihr eigentlich ganz recht, allein zu sein. So konnte sie wenigstens ungestört mit ihrer Schwester telefonieren. Wahrscheinlich hatten ihr die Eltern ohnehin schon alles erzählt. Je länger sie darüber nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien ihr das. Mit der Zeitverschiebung von acht Stunden war bei Doro grade Mittagszeit. Möglicherweise war sie zu Hause während Greg und Gesi noch in der Schule waren und der Kleine Güssi in der Vorschule. Tilda wählte ihre Nummer. Es dauerte keine dreißig Sekunden und sie hörte die vertraute Stimme ihrer Schwester, die sofort rief: „Tildi! Was machst du nur für Sachen! Ich bin hier halb verrückt vor Angst! Du musst ganz schnell wieder gesund werden! Ganz schnell! Verstehst du mich?“ Sie machte eine ganz kurze Pause, ließ ihre Schwester aber nicht zu Wort kommen. „Bauchspeicheldrüsenkrebs! Bist du nicht recht bei Trost, Tildi? Ich hab da mal nachgeschaut…..“

      Tilda schossen sofort wieder die Tränen in die Augen. Sie schniefte. Ihre Schwester fuhr währenddessen aufgelöst fort: „Die Eltern haben mir schon alles gesagt.“ Tilda schniefte erneut und konnte nichts antworten. So fuhr Doro fort: „Was machst du jetzt? Willst du Chemotherapie machen?“ Tilda flüsterte tonlos: „Ich weiß nicht. Ich glaub´ nicht.“ Ratlos hörte sie wieder die Stimme ihrer Schwester, die entsetzt rief: “Oh Gott, ich weiß auch nicht! Mach das lieber nicht! Hier in den Staaten

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