Die Farbe der guten Geister. A. A. Kilgon

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Die Farbe der guten Geister - A. A. Kilgon

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Eindruck. Sein Händedruck war warm und verbindlich. Hinderlich war, dass er nicht gut Deutsch sprach und so verstand Tilda nicht alles von dem, was er ihr erklärte. Weiter erschwerend kam hinzu, dass er immer wieder lateinische Fachbegriffe benutzte, die sie nicht kannte. Tilda war so beunruhigt und aufgeregt, dass sie ohnehin schon Schwierigkeiten hatte, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Sie fühlte sich wie ein in die Enge getriebenes Tier und das Behandlungszimmer, in dem die grelle Neon-Deckenbeleuchtung eingeschaltet war, wirkte kalt und sachlich und machte sie noch nervöser. Dieser afrikanische Arzt sollte offenbar mit ihr das Aufklärungsgespräch über die im Anschluss bevorstehende Operation führen. Die ambulante Operation, die für das Setzen des Portkatheters notwendig war. Tilda war eingeschüchtert und traute sich kaum noch einmal nachzufragen, wenn sie etwas nicht verstanden hatte. Offenbar wegen seiner eingeschränkten Kenntnisse der deutschen Sprache stand ihm eine zierliche, burschikos wirkende Schwester in grüner Kleidung zur Seite, die zwischen dreißig und vierzig Jahre alt war. Sie hatte die Ausstrahlung einer zähen, durchtrainierten Soldatin. Wegen ihrer geringen Größe wirkte sie wie ein Zwerg gegen ihn. Ihr ohnehin schon kurz geschnittenes, dunkelbraunes Haar war auf der linken Kopfseite fast vollständig abrasiert. Ihre dunkelbraunen Augen mit den starken Brauen darüber blickten unterkühlt und sachlich. Sie hielt ihre Hände ständig hinter ihrem Rücken verschränkt, so als habe sie etwas zu verbergen. Ihre Nasenflügel bebten, wenn sie atmete. Der afrikanische Arzt gestikulierte während seinen Erklärungen mit den Händen, wohl um das Gesagte verständlicher zu machen. Es war ihm offenbar bewusst, dass die Patienten Schwierigkeiten hatten, ihn zu verstehen. Während er sprach, versuchte Tilda den eingestickten Namen auf seinem weißen Kittel in Gedanken auszusprechen. „Dr. Abubakar Omntumbu“ stand da. Sie fragte sich, woher dieser Mann kam. Die kleine grüne Zwergen-Krankenschwester neben ihm wartete immer ab, bis er seine Ausführungen beendet hatte, und es eine kleine Pause gab. Dann begann sie, die Informationen für Tilda noch einmal zusammen zu fassen. Alles, was Tilda verstanden hatte war, dass ihr Portkatheter eine Kammer mit einer dicken Silikonmembran war, an die der Schlauch angeschlossen werden sollte, der mit dem Gemcitabin-Tropf, der chemischen Keule, verbunden wurde. Von dort aus würde also das Gift in ihre Blutbahn gelangen. Der Arzt erklärte ihr, dass dieser dauerhafte Zugang zu ihrem Blutsystem praktisch wäre, um ihr nicht jedes Mal erneut eine Kanüle in den Arm stechen zu müssen, wenn sie zur Chemotherapie kam. Er erwähnte dabei auch, dass es möglich sei, dass dieser Zugang verstopfen konnte. Der Arzt machte zur Erklärung eine Skizze mit einem silbernen Kugelschreiber aus dem eleganten, hölzernen Ständer auf seinem Schreibtisch. Er benutzte dazu den Schreibblock, der auf seinem Tisch dafür bereit lag und auf dem schon eine ähnliche Skizze zu sehen war. Er erklärte ihr, dass, wenn der Portkatheter nicht wieder frei zu bekommen war, ein neuer an einer anderen Stelle ihres Körpers eingesetzt werden musste. Das käme leider ab und zu vor, wie er beiläufig erwähnte. Tilda befürchtete im Stillen, dass das vermutlich davon abhing, wie lange der Patient mit seinem Krebs bei dieser aggressiven Therapie am Leben blieb.

      Der schwarze Chirurg blendete den Aspekt des Sterbens bei seinen Schilderungen aber vollkommen aus. Wahrscheinlich war für das Sterben in diesem Krankenhaus eine andere Abteilung zuständig. Überhaupt schien er die Maßnahmen, über die er Tilda aufklärte, nicht weiter dramatisch zu finden. Irgendwann gegen Ende seiner Ausführungen erwähnte er wie nebenbei, dass auch bei Palliativbehandlungen praktischerweise früher oder später alle Medikamente durch diesen Portkatheter gegeben werden konnten. Das würde vieles vereinfachen. Auch die regelmäßige Gabe der Schmerzmittel, wie beispielsweise des Morphins. Vor allem Patienten würden davon profitieren, so sagte er, die gegen Ende ihrer Erkrankung zu schwach waren, um ihre Medikamente auf andere Art und Weise einzunehmen. Tilda erstarrte innerlich bei seinen Worten. So direkt hatte das bisher noch niemand zu ihr gesagt. In ihrem Innern sträubte sich alles gegen das Gehörte. Sie fühlte sich, als hätte sie eine Injektion bekommen, die dafür sorgte, dass ihr binnen Sekunden das Blut in den Adern gefror. In ihrem Kopf rauschte es. Sie schloss für einen kurzen Moment lang die Augen. Palliativ bedeutete ja in Wahrheit, dass es gar nicht mehr um den Versuch einer Heilung ging. Es ging nur noch um schmerzfreies Sterben. Sie wusste ja eigentlich selbst, dass das die bittere Wahrheit war. Alles in ihr bäumte sich bei diesem Gedanken auf. Tilda merkte, wie ihr übel wurde. Sie wollte nicht sterben.

      Merkwürdig entschlossen zwang sie sich zur Ruhe und erkundigte sich nach den Nebenwirkungen ihrer Chemotherapie. Dr. Omntumbu lächelte freundlich, so dass sie seine schneeweißen Zähne erneut sehen konnte. „Haarausfall, Blutbildveränderungen, Übelkeit und verschiedenes mehr“, gab er vage zur Antwort. Dann aber schüttelte er den Kopf, als er zu sprechen fortfuhr. All das würden ihr seine Kollegen von der Onkologie später noch erklären, sagte er. Sie würden es rechtzeitig tun, bevor sie in der kommenden Woche ihre erste Chemotherapie bekäme. Er sei schließlich nur der Arzt, der den Port einsetzen sollte. Er sei Chirurg und kein Onkologe. Freundlich lächelnd gab er Tilda abschließend jedoch den guten Rat, sich über die Nebenwirkungen ihrer Chemotherapie keine Gedanken zu machen. Patienten, so sagte er, die sich zu viele Gedanken machten, würden die Chemotherapie erfahrungsgemäß schlechter vertragen. Vieles sei nämlich nur Kopfsache.

      Tilda starrte ihn an. Von einem Moment zum anderen war sie voller Wut. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie hatte sich nicht verhört. Sie sollte sich keine Gedanken machen, sollte stattdessen alles über sich ergehen lassen und sich nicht einbilden, das Gift nicht zu vertragen.

      Tilda fragte sich entsetzt, was dieser Mann da eigentlich redete. In ihr brodelte es. Sie biss die Zähne zusammen, und versuchte, sich zu beruhigen. Alles in ihr war in Aufruhr. Ihr war, als hätten sich alle Härchen ihres Körpers wie zur Abwehr aufgestellt. Sie war schließlich nicht blöd und es gab keinen Zweifel daran, dass die eingesetzten Medikamente bei ihrer Chemotherapie hochgiftig waren. Sie würde doch nach dem Dafürhalten der Mediziner auf jeden Fall sterben, denn sie bekam eine Palliativbehandlung. Und dabei sollte sie sich keine Gedanken machen. Tilda fragte sich, was das für eine Art und Weise war. Patienten waren doch nicht automatisch dumm. Sie schien einen ausgesprochen debilen Eindruck auf den Arzt zu machen, weil sie auf diese Art beruhigt werden sollte. Das Kalenderblatt ihres Küchenkalenders fiel ihr ein, das sie kürzlich abgerissen hatte. Sollte die Weisheit darauf, dass es sich mit leerem Kopf besser nickt, eine mysteriöse Vorwarnung in Bezug auf ihre Therapie gewesen sein?

      Tilda sah Dr. Omntumbu wütend an und sagte mit fester Stimme: „Ach so? Ich verstehe sie! Sie sind also auch der Meinung, dass es sich mit leerem Kopf leichter nickt.“ Betretenes Schweigen erfüllte einen Moment lang das Zimmer. Allerdings kam es weniger vom Arzt selbst, denn Dr. Omntumbu schaute sie nur verständnislos an. Er hatte offenbar wegen seiner mangelnden Sprachkenntnisse nicht wirklich verstanden, was sie damit meinte. Die kleine grüne Krankenschwester allerdings, die neben ihm stand, wurde plötzlich ganz blass und dann wieder rot und warf Tilda einen vernichtenden Blick zu. Sie wandte sich schnell einem Tischchen zu und ordnete dort mit fahrigen Bewegungen klappernd irgendwelche chirurgischen Instrumente. Es schien ihre Art zu sein, sich abzureagieren. Offenbar hatte sie in diesem Zweiergespann den Mund zu halten, weil es ihr nicht zustand, die Patienten in Anwesenheit des Arztes von sich aus anzusprechen oder gegebenenfalls zurechtzuweisen.

      Das Vorgespräch für den Eingriff schien damit beendet zu sein. Dr. Omntumbu holte ein Formular aus seiner Schreibtischschublade. Es war eine Einverständniserklärung für das Einsetzen des Ports, die Tilda unterschreiben sollte. Unmittelbar darauf sollte offenbar dann schon der Eingriff stattfinden. Der Arzt schob ihr das Formular zusammen mit seinem Kugelschreiber über den Tisch und lächelte auffordernd, während er sagte: „Dann lesen sie bitte hier und unterschreiben!“

      Einen kurzen Moment lang zögerte Tilda, dann schob sie ihm das Papier zusammen mit dem Kugelschreiber entschlossen über den Tisch zurück. Wenn sie sich bis jetzt noch im Unklaren gewesen war, so wusste sie mit einem Male, dass sie diesen Portkatheter nicht wollte. Sie brauchte ihn nicht, weil sie nicht im Entferntesten sicher war, ob sie überhaupt eine Chemotherapie machen wollte. Und falls sie sich doch noch dazu entschließen würde, dann schon gar nicht in der folgenden Woche.

      Mit einem Schlage war ihr klar, dass sie, bevor sie überhaupt irgendeine Therapie anfangen würde, erste einmal in Ruhe über alles nachdenken

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