Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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sie wegen der Schwere der Schuld verhängt wird (noch h.M. in der Rspr., allerdings mit der Einschränkung, dies schließe aber nicht aus, der Schwere der Schuld und dem Sühnegedanken eigenständige Bedeutung beizumessen (BGH NStZ-RR 1998, 285 = Urt. v. 23.4.1998 – 4 StR 12/98; BGH Beschl. v. 31.10.1995 – 5 StR 470/95 = NStZ-RR 1996, 120 f.; BGH 1 StR 178/13; BGH StV 1994, 598; BGH NStZ-RR 2016, 325, 326; zum Meinungsstand in Rspr. und zur überwiegend abweichenden Meinung in der Lit., die eine Berücksichtigung des Erziehungsgedankens kumulativ zum Schweregrad der Schuld ablehnt, MK-JGG Radtke § 17 Rn. 53 ff. m.w.N.). Andererseits soll die Verhängung von 10 Jahren Jugendstrafe wegen Mordes neben dem pauschalen Hinweis auf die Schwere der Schuld nicht allein und ohne differenzierende Erwägungen damit begründet werden dürfen, dass dem Angeklagten nur die Höchststrafe erzieherisch gerecht würde (BGH NStZ 1997, 481 [Böhm]). Zur Bemessung der Strafe bei schon erwachsenen Angeklagten s. Rn. 10.

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      Zur jugendrechtlichen Sanktionspraxis in Deutschland, insbesondere im Vergleich zur Strafzumessung nach allgemeinem Strafrecht: Pfeiffer in: BMJ (Hrsg.), Grundfragen des Jugendkriminalrechts und seiner Neuregelung, 1992, S. 60 ff. Zur Jugendstrafe im Einzelnen s. Erl. zu §§ 17 und 18. Wenn auch die erzieherische Eignung der Ahndungsmittel nach § 5 Abs. 2, insbesondere der Jugendstrafe, wegen ihrer Art und Ausgestaltung in der Praxis oder wegen nicht ausreichend vorhandener und ausgestatteter Vollzugseinrichtungen unter psychologischen Gesichtspunkten vielerorts bezweifelt wird (vgl. etwa Eisenberg Rn. 8 ff., 16), so ist für die Rechtsanwendung zu beachten, dass der Gesetzgeber eindeutig von dieser Geeignetheit ausgeht und diese Rechtsfolgen zur Erreichung des Erziehungszieles zwingend anordnet (§ 5 Abs. 2, § 13, § 17 Abs. 2, § 18 Abs. 2). Es ist nicht Sache der Gerichte, einem eindeutigen Gesetzesbefehl die Gefolgschaft deshalb zu versagen, weil die Exekutive nicht die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereithält (vgl. BGHSt 28, 327 ff., 329). Soweit der Gesetzgeber nicht durch eine entsprechende Veränderung der Rechtslage oder etwa dadurch eingreift, dass er das Inkrafttreten gesetzlicher Vorschriften bis zur Bereitstellung der sachlichen Möglichkeiten für ihre Durchführung hinausschiebt, hat der Richter das Gesetz anzuwenden und es der Verwaltung zu überlassen, die für die Vollstreckung seines Urteilsspruchs erforderlichen Einrichtungen bereitzustellen. Anderenfalls hätte es die Verwaltung in der Hand, durch Verzögerung der notwendigen Maßnahmen die Durchführung eines Gesetzes für einen ihr richtig erscheinenden Zeitraum zu verhindern (BGHSt 28, 329). Solange die Zuchtmittel und insbesondere auch die Jugendstrafe daher nicht als schlechthin ungeeignet für die Erziehung angesehen werden müssen, was neben den die Erziehungseignung leugnenden Untersuchungen auch positive Erfahrungen zeigen, sind sie anzuwenden, wenngleich eine Erziehung in Freiheit besser gelingen kann (SchlHOLG StV 1985, 420).

IV. Systematik der Absätze 1 und 2

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      Nach der Systematik der Abs. 1 und 2 wird die Straftat mit Zuchtmitteln oder Jugendstrafe geahndet, wenn Erziehungsmaßregeln nicht ausreichen (Abs. 2 Hs 2). Der Tatbestand erfordert insoweit eine wertende Betrachtung der Straftat und der Täterpersönlichkeit einerseits sowie des Erfolges der nach § 5 zu ergreifenden Maßnahmen andererseits. Erziehungsmaßregeln reichen dann nicht aus, wenn der Unrechtsgehalt der Tat und die darin zum Ausdruck kommenden Persönlichkeits- und Charaktermängel so schwer wiegen, dass es die Erziehung des Täters erforderlich macht, ihm das Unrecht der Tat auch durch sühnende und vergeltende Maßnahmen vor Augen zu führen. Dies kann bei schweren Taten ebenso der Fall sein, wie bei leichteren, wenn der Täter durch sein Verhalten gezeigt hat, dass ihn bisherige Sanktionen unbeeindruckt gelassen haben.

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      Die Abwägung erfordert damit zweierlei: einmal die Bewertung der in dem Tatunrecht zum Ausdruck gekommenen Persönlichkeit des Täters im Hinblick auf dessen Erziehungsbedürftigkeit (s. § 9 Rn. 6) und Erziehungsfähigkeit (s. § 9 Rn. 7), zum anderen eine Prognose hinsichtlich des Erfolges der ins Auge gefassten Maßnahme(n) nach § 5 (hierzu allgemein etwa Sonnen Kriminalität und Strafgewalt, 1978, S. 192 ff.). Dabei sind wie überall neben den tatbegleitenden subjektiven und objektiven Umständen die tatnachfolgenden äußeren Einflussfaktoren auf den Täter (z.B. Untersuchungshaft) wie auch die Wirkung der Maßnahme auf sein künftiges Leben zu werten. Werden Nebenfolgen (§ 6) oder Maßregeln der Besserung und Sicherung angeordnet (§ 7), so ist auch dies zu berücksichtigen.

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      Abs. 2 Hs. 2 normiert dagegen keine Subsidiarität der Maßnahmen nach § 5 Abs. 2 und insbesondere auch keine Priorität der Erziehungsmaßregeln nach § 5 Abs. 1 (a.A. Eisenberg § 5 Rn. 19). Dies ergibt sich zum einen daraus, dass Erziehungsmaßregeln angeordnet werden können (s. Rn. 6); zum anderen aber auch aus ihrem unterschiedlichen Eingriffsgehalt. Zuchtmittel greifen häufig weniger in den Freiraum des Jugendlichen ein als Erziehungsmaßregeln, auch wenn das Wort „Zucht“ gegenüber dem Begriff „Erziehung“ im allgemeinen Sprachgebrauch negativ belegt ist. So stellt etwa die Verwarnung (§ 13 Abs. 2 Nr. 1) einen wesentlich geringeren Eingriff in die Freiheitsinteressen des Täters dar, als die Weisung, eine Arbeitsleistung zu erbringen oder in einem Heim zu wohnen (§ 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, 4). Erziehungsmaßregeln werden deshalb dann auszuscheiden haben, wenn der in der Straftat zum Ausdruck gekommenen Erziehungsbedürftigkeit des Täters durch ein Zuchtmittel (etwa eine Verwarnung oder eine Geldauflage) Genüge getan werden kann (so wohl auch Brunner/Dölling § 5 Rn. 3-5; Streng Jugendstrafrecht Rn. 244 ff., 246 f.). So wäre es bei einem in seiner Lehre reüssierenden, bislang strafrechtlich nicht aufgefallenen 17-jährigen auszubildenden Schreiner, der in

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