Jugendgerichtsgesetz. Herbert Diemer

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Jugendgerichtsgesetz - Herbert Diemer Heidelberger Kommentar

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anzuordnen, anstatt – falls erforderlich – mit einer Verwarnung oder mit einer Auflage nach § 15 zu reagieren. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verbietet es in solchen Fällen, in Ausübung des Ermessens nach § 5 Abs. 1 Erziehungsmaßregeln anzuordnen. Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel stehen zueinander – wie ihre gesetzliche Ausgestaltung zeigt (§§ 10, 13, 16) – nicht grundsätzlich im Verhältnis eines minderen zu einem schwereren Eingriff. § 5 Abs. 1 trägt damit, dass er die Anordnung von Erziehungsmaßregeln in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts stellt, diesem Umstand Rechnung. Nach der Systematik der Abs. 1 und 2 stehen die Rechtsfolgen des § 5 somit derart nebeneinander, dass diejenige Sanktion zu wählen ist, die nach den vorgenannten Grundsätzen (s. Rn. 6–14) geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.

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      § 5 Abs. 2 unterscheidet zwischen Zuchtmitteln und Jugendstrafe. In beiden Fällen handelt es sich um Maßnahmen der Ahndung mit den unter Rn. 8 genannten Strafzwecken. Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendstrafe nicht geboten ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zu Bewusstsein gebracht werden muss, dass er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat (§ 13 Abs. 1; s. Erl. zu § 13 Abs. 1). Er verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist (§ 17 Abs. 2; s. Erl. zu § 17 Abs. 2). Zum grundlegenden Unterschied zwischen Jugendarrest und Jugendstrafe s. § 8 Rn. 6.

V. Absehen von Ahndung bei Unterbringung (Absatz 3)

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      Die Anordnung von Unterbringung schließt auch im Jugendstrafrecht eine gleichzeitige Verurteilung zu Strafe nicht aus (BVerfG NStZ-RR 2007, 187). Eine Strafvollstreckung ist in diesen Fällen nicht deshalb in verfassungswidriger Weise unverhältnismäßig, weil sie aufgrund der psychischen Erkrankung und der dementsprechenden Behandlungsbedürftigkeit ihr Ziel verfehlen würde. Vielmehr muss dem Verurteilten bei einem grundrechtskonformen Strafvollzug eine ausreichende medizinische Behandlung und Betreuung zu Teil werden (BVerfG a.a.O., 188). Von Zuchtmitteln oder Jugendstrafe wird jedoch nach Abs. 3 abgesehen, wenn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt die Ahndung entbehrlich macht. § 5 Abs. 3 eröffnet damit die Möglichkeit, von der an sich erforderlichen Verhängung von Zuchtmitteln oder Jugendstrafe abzusehen, wenn diese durch die Unterbringung als zusätzliche erzieherische Maßnahmen entbehrlich werden. Die Regelung des Abs. 3 JGG schafft somit eine Voraussetzung, die Kumulation oder Zweispurigkeit von Sanktionen, wie sie im allgemeinen Strafrecht vorgesehen sind, zu vermeiden, und ermöglicht es, dem Gedanken der Einspurigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen im Jugendstrafrecht Rechnung zu tragen (BGHSt 39, 92, 95; BGH StV 2002, 416 m.w.N.). Gerade diese Ausgestaltung weist § 5 Abs. 3 JGG als eine spezifisch jugendstrafrechtliche Vorschrift aus (BGH Beschl. v. 9.12.1992 – 3 StR 434/92 m.w.N.). Die Ahndung durch den Richter ist dann entbehrlich, wenn die Ahndungszwecke des § 5 Abs. 2 (s. Rn. 8) durch die Unterbringung erreicht werden können, oder die Unterbringung eine zusätzliche Maßnahme nach § 5 Abs. 2 überflüssig macht oder als ungeeignet erscheinen lässt (vgl. BGH Beschl. v. 13.6.1995 – 4 StR 315/95 m.N.). Die gleichzeitige Verhängung von Jugendstrafe erfordert also ein zusätzliches Bedürfnis (BGH StV 2016, 736). Die Entbehrlichkeit wird im Falle einer Unterbringung nach § 63 StGB im Regelfall bejaht (BGH StV 1993, 534 m.w.N.). Zu den Anforderungen an die Ermessensentscheidung über das Absehen von Jugendstrafe gemäß § 5 Abs. 3 s. BGH StV 2014, 742).

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      § 5 Abs. 3 räumt dem Richter kein Auswahlermessen zwischen einer Ahndung nach § 5 Abs. 2 oder der Unterbringung ein. Die Ahndungsmaßnahmen des § 5 Abs. 2 und die Maßregeln der Unterbringung stehen selbstständig nebeneinander (BGH NStZ 1988, 492; 1987, 506 [jeweils bei Böhm] = StV 1988, 307), mit der Folge, dass ihre jeweilige Voraussetzungen (§ 13 Abs. 1, § 17 Abs. 2; § 7, §§ 63, 64 StGB) gesondert und unabhängig voneinander zu prüfen sind (vgl. auch BVerfG NStZ-RR 2007, 187 und oben Rn. 19). Mit dem Wesen der Jugendstrafe ist es nicht vereinbar, ihre Höhe von der voraussichtlichen Behandlungsdauer in einer Unterbringung abhängig zumachen (BGH StV 1998, 340 = NStZ 1998, 86 ff.). Falls eine behandlungsbedürftige Störung vorliegt, die zur Unterbringung führt, ist zu deren Beseitigung allein die Maßregel die zulässige Reaktion (BGH a.a.O.). Eine Vermischung von Strafe und Maßregeln zu einer einheitlichen Sanktion in der Art, dass Gründe, die im Falle einer nachgewiesenen erheblichen Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit die Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel, nämlich der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, rechtfertigen könnten, zur Erhöhung der Strafe verwendet werden, ist auch nach dem Jugendstrafrecht nicht zulässig (BGH a.a.O.; StV 1998, 340 m.N.). Liegen die Voraussetzungen einer Unterbringung vor (§§ 63, 64 StGB, s. § 3 Rn. 28 f., § 7 Rn. 4), ist zu prüfen, ob eine Ahndung nach § 5 Abs. 2 noch erforderlich ist.

VI. Rechtsmittel und Rechtsmittelbeschränkung

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