Zwangsvollstreckungsrecht, eBook. Alexander Bruns
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Aus rechtssoziologischer Sicht: Blankenburg/Voigt (Hg.), Implementation von Gerichtsentscheidungen, 1987 (insbes. 3. Kapitel: „Implementation von zivilgerichtlich legitimierten Geldforderungen“ mit Beiträgen von Rogowski, J.M. Klein, Hörmann, Adler/Hörmann, Rasehorn, Ziegert); Hörmann, Verbraucher und Schulden, 1987; ders., Mechanismen der Beitreibung und Regulierung von Schulden, DGVZ 1991, 81; Wacke, Heiteres und Historisches über das Amt des Gerichtsvollziehers, DGVZ 1991, 101; Nesemann, Gerichtsvollzieher in Vergangenheit und Zukunft, ZZP 119 (2006); 87; Bruns, Vom Forderungseinzug zum Forderungsmanagement – Neue Aufgaben für den Gerichtsvollzieher?; DGVZ 2010, 24; Schwörer, GVGA und GVO – Vorschriften ade?, DGVZ 2010, 73; Glenk, Unverzichtbares Allerlei – Amt und Haftung des Gerichtsvollziehers, NJW 2014, 2315; s.a. Schrifttum zu § 4.
Vollstreckungsorgane sind der Gerichtsvollzieher (I.), das Vollstreckungsgericht (II.), das Prozessgericht (III.) und andere Behörden (IV.).
1. Rechtsstellung
8.1
Der Gerichtsvollzieher (GV) ist ein Beamter der Justizverwaltung, führt dabei aber einen eigenen Geschäftsbetrieb mit Geschäftszimmer und Bürobediensteten auf eigene Kosten. Ein bestimmter Anteil der Gerichtsvollziehergebühren, dessen Höhe sich nach den Gerichtsvollzieher-Vergütungsverordnungen der Länder bemisst[1], verbleibt nach der seit 1.9.2013 in den Bundesländern einheitlich geltenden Gerichtsvollzieherordnung ebenso bei ihm wie der von ihm vereinnahmte Auslagenersatz (§ 7 Abs. 1 und 2 GVO); unverschuldete Ausfälle sind aus der Landeskasse zu ersetzen (Einzelheiten s. § 7 Abs. 3 GVO). Der Gerichtsvollzieher ist nach h.M. selbständiges Organ der Rechtspflege[2] und funktionell zuständig für alle Akte der Zwangsvollstreckung, soweit sie nicht den Gerichten zugewiesen sind (§ 753 Abs. 1); dies bedeutet (im Wesentlichen): für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen und für die Vollstreckung von Ansprüchen auf Herausgabe von beweglichen Sachen und Grundstücken.
8.2
Die Rechtsstellung des Gerichtsvollziehers ist – leider – nicht leicht durchschaubar geregelt. Der Gesetzgeber hat sich mit § 154 GVG auf eine Grundsatzbestimmung beschränkt, die Landesjustizverwaltungen haben sich zur bundeseinheitlichen Ausgestaltung der „Dienst- und Geschäftsverhältnisse“ auf die Gerichtsvollzieherordnung (GVO)[3] und die Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA)[4] verständigt. Es handelt sich jeweils um Verwaltungsvorschriften ohne Normqualität[5]. Darüber hinaus bestehen einige i.d.R. nicht sehr ausführliche landesrechtliche Verordnungen, die sich zum Teil auch auf das Gesetz über Rechtsverordnungen im Bereich der Gerichtsbarkeit (BGBl. 1960 I, 481) stützen[6]. – Mit guten Gründen lässt sich bezweifeln, ob die gegenwärtige Situation in jeder Hinsicht verfassungsrechtlichen Anforderungen standhält[7]; die Forderungen des Berufsstandes nach einer umfassenderen bundesgesetzlichen Regelung verdienen jedoch auch ungeachtet der verfassungsrechtlichen Beurteilung Unterstützung.
a) Beamtenrechtliche Stellung
8.3
Die beamtenrechtliche Stellung des Gerichtsvollziehers regeln die Beamtengesetze und die GVO. Als Beamter unterliegt er generell der Dienstaufsicht des aufsichtsführenden Richters des Amtsgerichts, beim konkreten Vollstreckungsakt der Sachaufsicht des auf Erinnerung tätig werdenden Vollstreckungsgerichts (§ 766)[8]. Für Amtspflichtverletzungen des GV.s haftet der Staat (Art. 34 GG, § 839 BGB)[9], nicht der Gläubiger (s. aber Rn. 5.20 f.).
b) Verfahrensvorschriften
8.4
Das vom GV zu beobachtende Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen der ZPO. Um die Arbeit des GV.s zu erleichtern, gibt die bundeseinheitliche Geschäftsanweisung für den GV (GVGA) nähere Verhaltensregeln, welche auch die Amtspflichten des GV.s im Hinblick auf die Amtshaftung abstecken.
a) Öffentlichrechtliche Natur
8.5
Das Verhältnis des GV.s zum Gläubiger ist öffentlich-rechtlicher Natur, kein privatrechtliches Geschäftsbesorgungsverhältnis[10] trotz des – antiquierten – Sprachgebrauchs der ZPO, die von „Auftrag“ spricht (z.B. § 753); „Auftrag“ heißt nichts anderes als „Antrag“. Der GV ist nicht Vertreter des Gläubigers[11], nicht dessen Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe. Der Gläubiger erteilt zwar den „Auftrag“, er kann grundsätzlich auch verlangen, dass bestimmte Gegenstände gepfändet werden; auf seine „Weisung“ hin ist die Zwangsvollstreckung einzustellen oder der Vollstreckungsakt aufzuheben (Rn. 6.6, 6.14 ff.). Aber er hat kein allgemeines Weisungsrecht[12]. In gewissem Umfang kann der GV allerdings im Gläubigerinteresse tätig werden[13].
b) Die Befugnisse des Gerichtsvollziehers im Verhältnis zum Gläubiger
8.6
Durch § 754 wird der GV ermächtigt, Zahlungen oder sonstige Leistungen, so wie sie dem Vollstreckungstitel entsprechen, entgegenzunehmen, zu quittieren und die vollstreckbare Ausfertigung nach Erfüllung dem Schuldner auszuhändigen. Andere als die eigentlich geschuldeten Leistungen z.B. Wechsel oder Schecks statt Bargeld) darf der GV an Erfüllungs statt überhaupt nur bei Ermächtigung und erfüllungshalber nur dann annehmen, wenn er sich dadurch von der auftragsgemäßen Vollstreckungshandlung nicht abhalten lässt, hierzu vom Gläubiger ermächtigt wurde oder es sich um einen Bar- und Verrechnungsscheck handelt[14]. Zu einem solchen „Entgegenkommen“ ist der GV nur befugt, wenn ihn der Gläubiger dazu bevollmächtigt hat. Wird ein erfüllungshalber hingegebener Scheck von der bezogenen Bank eingelöst, greift wieder die Empfangsermächtigung im Ausmaß des Titels Platz (§ 754); der Gläubiger hat grundsätzlich kein Recht auf Überlassung eines vom GV entgegengenommenen Schecks[15]. Dem Schuldner steht kein Recht zur Tilgungsbestimmung gemäß § 366 Abs. 1 BGB zu[16]. Vor der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle durfte der GV ohne besonderes Einverständnis des Gläubigers dem Schuldner auch nicht Stundung oder Ratenzahlung bewilligen oder mit ihm gar