Globetrotter, ein unternehmerisches Abenteuer. Отсутствует
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Botschafter des Natürlichen
Langzeitreisen zu unternehmen war ein Wunsch, in dem sich damals die Stimmung einer Epoche ausdrückte. Wer in den 1970er-Jahren zu weiten Fahrten aufbrach, suchte keinen Komfort, sondern Abenteuer, unverfälschte Eindrücke und ein rustikales Leben. Wenn für die Übernachtung in irgendeiner Stube ein Schlafplatz improvisiert wurde, war der Umstand keine Unvermeidlichkeit, sondern ein interessanter Teil des Erlebnisses. Kamm war einer der ersten Schweizer, der sich der neuen Art des Reisens verschrieb: Er nahm sich viel Zeit, machte sich mit Geschichte und Religionen vertraut und passte sich den lokalen Gegebenheiten an. Dafür ergab sich eine oft überwältigende Gastfreundschaft. Walo Kamm: «Am meisten schätzte ich einfache Mahlzeiten, oft nur eine Gemüsesuppe, oder im Himalaya Buttertee mit Gerstenmehl, die ich von Bauern oder in Klöstern erhielt. Zu opulenten Festessen liess ich mich nur von wohlhabenden Leuten einladen.»
Walo Kamm lernte unzählige andere Langzeitreisende kennen, fast alle waren jung und hatten wenig Geld. «Die neuen ‹Globetrotter› oder Alternativreisenden unterschieden sich aber nicht nur durch den Rucksack oder den unbegrenzten Zeithorizont von den ‹Touris›, welche Bequemlichkeit gewohnt waren, konventionelles Sightseeing suchten und in der Regel in einem höheren Alter und mit einem stattlichen Budget ihre Kulturreisen absolvierten», erläutert Kamm. «Mit dem Generationenwechsel stellte sich ein Bedürfnis nach ganz anderen Informationen ein.» Neben den Hinweisen auf lohnende Ziele wurde das praktische Wissen über erschwingliche Verkehrsmittel, günstige Unterkünfte und Traveller-Treffpunkte zur Voraussetzung für das Gelingen einer Reise als Weltenbummler.
Der Hunger nach Informationen aller Art öffnete Walo Kamm neue Türen. Als er zurück in Zürich Anfang 1974 in einem Restaurant von seinen Erfahrungen erzählte, sprach ihn ein Mann am Nebentisch an – der Programmleiter einer grossen Klubschule. Ob nicht zwei oder drei Diavorträge möglich wären? Kamm fühlte sich hin- und hergerissen: «Zuerst hielt ich mich für zu schüchtern, um öffentlich aufzutreten. Dann aber fand ich, sechs thematisch verschiedene Abende seien das absolute Minimum, um die Vielfalt der Erlebnisse darzulegen. Drei Serien à sechs Vorträge fanden zum Auftakt allein in Zürich statt – mit einem Echo, das alle Erwartungen übertraf. Die Veranstaltungen waren im Voraus ausverkauft.» In zehn weiteren Schweizer Städten folgten Dia- und Diskussionsabende. Kamm ging nun auf eigene Rechnung vor und war gleichzeitig Veranstalter, Referent, Werbemann und Plakatierer. Wenn er landauf, landab seine Bilder zeigte und von seinen Reiseabenteuern erzählte, waren die Säle wiederum immer voll.
Nicht nur in ihrem Inhalt, auch in ihrer Vortragsweise unterschieden sich die Ausführungen vom Üblichen. Kamm sprach mit seinen Zuhörern auf gleicher Augenhöhe, referierte nicht als Akademiker vor einem passiven Publikum. Nach den Veranstaltungen sass er mit den (meist jungen) Leuten in einer Beiz zusammen und beantwortete Fragen, oft bis Mitternacht.
Bald liess er auch Adresslisten kursieren, auf denen sich Reisefans eintragen konnten. Zum ersten Mal bildeten sich damit Ansatzpunkte dessen, was sich später zum viertgrössten Reiseunternehmen der Schweiz entwickeln sollte. Globetrotter Club nannte Walo Kamm das Informationsnetz, in dem sich auf seine Initiative jene zusammenfanden, die ebenfalls Weltenbummler werden wollten. Für die Mitglieder entstanden auf einem Wachsmatrizendrucker erst allmonatliche Loseblattsammlungen mit Berichten und Insidertipps, dann auch geheftete Broschüren.
Im Kellerbüro geht ein Licht auf
Das Jahr 1976 brachte den eigentlichen Umschwung. «Der Globetrotter», wie man ihn nannte, war nun so bekannt, dass man ihn drängte, eine Gruppenreise in den Himalaya zu organisieren: «Über Nacht wurde ich also Reiseveranstalter und Reiseleiter. Zwar hatte ich noch nie ein Reisebüro von innen gesehen, doch konnte ich logisch denken und wusste, wie die Aufgabe anzupacken war.» Auch diesmal hatte Kamm Erfolg. Es gingen derart viele Buchungen ein, dass die Reise wiederholt werden musste; in den folgenden Jahren weitere acht Mal. Eine weitere Gruppe führte Kamm persönlich auf den Kilimandscharo, den er von seiner Besteigung 1965 her kannte.
Das Globetrotter-Team Zürich-Rennweg in den 1980er-Jahren auf dem Lindenhof. Walo Kamm (rechts aussen): «Unsere intensivste und schönste Zeit – viel Arbeit, viel Freude!»
Die Aktivitäten Kamms waren nun wie ein Schneeball, der erst langsam, dann aber immer schneller rollte und sich schliesslich zu einer Lawine entwickelte. In die Schweiz zurückgekehrt, stellte der Weltenbummler fest, dass ein Kollege einen Raum gemietet hatte – für den ungewöhnlich geringen Mietzins von 80 Franken im Monat. Das hatte allerdings einen Grund: Bei einem ersten Augenschein erwies sich das «Büro» als ein früherer Fahrradkeller in der Zürcher Altstadt und war durch einen Hinterhof zugänglich. Für die Hintergrundarbeit als Reiseveranstalter war der fast fensterlose Raum dennoch tauglich – und selbst als behelfsmässiger Beratungsraum. Er hatte zuvor immerhin dem Studenten Peter Nobel, dem später supererfolgreichen und bekannten Rechtsanwalt, als Studierzimmer gedient …
Der «Weltenbummler mit Büro», wie Walo Kamm sich nun scherzhaft nannte, verfügte also über bescheidene und doch ausreichende Voraussetzungen, als sich eine unerwartete weitere Chance zeigte. Mit der Inbetriebnahme von Grossraumflugzeugen anfangs der 1970er-Jahre waren Überkapazitäten im internationalen Luftverkehr entstanden. Um die Maschinen auszulasten, gingen viele Gesellschaften dazu über, Flugscheine unter der Hand für die Hälfte oder einen Drittel des offiziellen Tarifs loszuschlagen, in einem «Graumarkt», wie man damals sagte.
Walo Kamm hatte Hinterhof-Billigflugbüros schon in Indien und Südostasien kennengelernt und zögerte nicht, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen. Auch der Umstand, dass die Besucher des Kellerlokals an der Zürcher Mühlegasse zuerst in einem finsteren Korridor nach dem Lichtschalter zu tasten hatten, tat dem Erfolg der Billigflugscheine keinen Abbruch.
Was Walo Kamm betrieb, war weit mehr als ein düsterer, bunkerähnlicher Arbeitsraum. Er nahm sich enorm viel Zeit, um Weltreisende gründlich zu beraten und sein Wissen und seine Geheimtipps weiterzugeben. Das spezielle Einfühlungsvermögen gehörte zu den Aspekten, die Kamms Namen schnell zu einem Begriff machten. Vor allem konnte er vielen Käufern von One-Way-Tickets auch zu einem Visum verhelfen – echte Weltenbummler, die sonst keine Chance gehabt hätten. Die Haupttätigkeiten waren Konzeption weltweiter Reisen und Verkauf von Graumarktflugtickets sowie der ersten alternativen Reisehandbücher und Landkarten. Da er keine Zeit hatte, das geplante weitere Standbein Reiseausrüstung selber aufzubauen, arbeitete er diesbezüglich mit den Kollegen von Transa zusammen.
Bald wurde ein Umzug unumgänglich. Am Zürcher Rennweg, gleich neben der Bahnhofstrasse, fand sich Ende 1977 ein neuer, hellerer Raum, diesmal im 4. Stock. Es war ein ehemaliges Jugendstilwohnzimmer mit Erker, eingeklemmt zwischen einem Goldschmiede-Atelier und einem Zahntechniker, und wiederum war die Miete erstaunlich günstig, da das ganze Gebäude renovationsbedürftig war. Die geringen Unkosten und der Enthusiasmus, den Kamm verbreitete, halfen mit, in einer Branche Fuss zu fassen, in der mit zunehmend härteren Bandagen gekämpft wurde, in der aber auch eine ständig wachsende Nachfrage entstand: «Der Zerfall des Dollarkurses ab 1973, die Einführung der Graumarkt-Flugtarife und das Erscheinen unzähliger alternativer Reisehandbücher hatten dazu geführt, ferne Destinationen attraktiv und erreichbar zu machen.»
Ein Unternehmen nach eigenen Vorstellungen