Die Giftmischerin. Bettina Szrama
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Читать онлайн книгу Die Giftmischerin - Bettina Szrama страница 12
»Du bist so wunderschön«, hörte sie seine Stimme. Sie klang rau und ging in ein Keuchen über. »Schön wie eine seltene Blume, die man nicht pflücken sollte, um ihren Liebreiz nicht zu zerstören.«
Er schmeichelte ihr, während seine Hand langsam, erst sanft, dann fest knetend, die Formen ihres Körpers nachzuzeichnen begann, seine Hand verhielt einen Moment auf ihrem Schoß. Dann setzte er die Lampe auf dem Nachttisch ab. Plötzlich ging sein Atem schneller, wurde hastiger und überschlug sich. Dann vermischte sich der Geruch des Alkohols mit seinem Schweiß. Sein Gesicht war dicht über ihr. »Hast du Angst?«, fragte er mit heiserer Stimme.
Sie nickte.
»Musst du nicht haben«, keuchte er. »Ich tu dir nicht weh.«
Plötzlich spürte sie, wie seine Hand nach der Decke fasste. Fast brutal riss er sie mit einer einzigen Bewegung zur Seite. Im gleichen Augenblick warf er sich auf sie. Der schwere Körper wollte sie erdrücken, und sie bekam keine Luft. Plötzlich waren seine Finger überall. In roher Begierde kneteten und quetschten sie, verursachten Schmerzen.
Verwirrt schloss sie die Augen und dachte an Christoph, an Viktor, an seine Küsse und an den Vater, der ihr zum Abschied noch einmal ans Herz gelegt hatte: »Liebe deinen Mann und ehre deinen Schwiegervater!«
Dann war es plötzlich ganz still. Der schwere Körper war von ihr heruntergerollt und lag nun neben ihr im Bett. Angespannt lauschte sie in die Dunkelheit. Sie spürte nichts mehr. Alles war vorbei. Gestorben war die Illusion von den romantischen Gefühlen zwischen Mann und Weib, dem zärtlichen Werben um die Geliebte, von dem sie heimlich so viel in den Romanen gelesen hatte. Zerbrochen an roher Begehrlichkeit.
Vorsichtig begann sie, ihre Beine zu bewegen. Erst die Zehen, dann den Fuß, dann das Bein. Der Schmerz kam wieder. Es war ein schmerzhaftes Ziehen, irgendwo im Schoß. Erschrocken richtete sie sich auf. Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Leuchter und hielt die Lampe so, dass der Lichtschein zwischen die geöffneten Schenkel fiel. Auf dem Laken aus weißem Batist ein roter Blutfleck. Neugierig zog sie die Beine an und rieb mit dem Hacken darauf umher. Hartnäckig blieb der Fleck. Das beunruhigte sie nicht, die Mutter hatte sie vorbereitet. Dann leuchtete sie hinüber zu ihrem Ehemann. Gerhard lag auf dem Rücken und hielt das Gesicht unter dem Arm verborgen. Seine Atemzüge hörten sich ruhig und gleichmäßig an. Trotzdem war sie sich nicht sicher, ob er schlief, und so wagte sie sich noch ein Stück weiter. Was sie dann sah, entlockte ihr einen unterdrückten Schreckenslaut, und sie wünschte sich, ihrer Neugierde niemals nachgegeben zu haben. Rasch betete sie mit geschlossenen Augen, in der Hoffnung, dass Gott sie nicht dafür bestrafte, was sie eben so leichtsinnigerweise in Augenschein genommen hatte. Gerhards Betttuch war verrutscht und gab einen Teil der entblößten Hüften frei. Auch wenn ihr Glaube und die Schamhaftigkeit ihr strengstens geboten, den Blick von dem männlichen Schoß abzuwenden, heftete sie jetzt den Blick wie gebannt auf Gerhards Unterbauch. Ein kleiner nierenförmiger Knoten, in der Nähe der Leiste, groß wie eine Erbse unter der weißen Haut, zog sie magisch an. Gleichzeitig fürchtete sie sich vor der Mutter, die in ihrem Geiste gebietend den Finger erhob. Doch wie von einer unsichtbaren Macht getrieben, leuchtete sie weiter suchend die kräftigen Oberschenkel hinab, bis ihr an der weißen Innenhaut eine ähnliche Geschwulst auffiel. Sie hatte sich geöffnet und nässte. Der üble Geruch reizte ihre feine Nase. Erschrocken, die Hand vor der Nase, richtete sie das Glas der Lampe nun auf Gerhards Unterarme. Das weiße Fleisch vom Handknöchel bis zum Ellenbogen war übersät von seltsamen blauroten Flecken.
Trotz des Ekels, den sie nun vor der seltsamen Krankheit empfand, war sie doch nun Miltenbergs Ehefrau, bis der Tod sie schied. So war es nicht verwunderlich, dass sie sich plötzlich ernsthaft um ihn Sorgen machte und ihn sogleich sanft an der Schulter rüttelte. »Mein Ehemann, mon aimé …«, rief sie ängstlich und schüttelte ihn heftiger, als er nicht gleich reagierte.
Der reichliche Alkoholgenuss erschwerte es Gerhard, die müden Lider zu öffnen. Als er einige Sekunden später mit weit aufgerissenen Augen verwirrt um sich starrte, war ihr Gefühl für ihn nur noch von Ekel und Selbstmitleid geprägt. Dieser fremde Körper aus Haaren, weißem Fleisch und Pusteln sollte fortan als ihr Ehemann neben ihr liegen? Strafte sie der Herrgott jetzt etwa auf diese Weise für die kleinen Diebereien der Kinderzeit, indem er ihr Verfall und Siechtum in das Bett legte? Verzweifelt schlug sie die Hände vor das Gesicht und begann, leise mit dem Schicksal zu hadern. Erst als Gerhard, bemüht, die Blöße vor ihr zu bedecken, vor ihr stand, sah sie zu ihm auf.
Verwirrt fuhr er sich mit den Händen durch das zerwühlte blonde Haar: »Ich hatte Gott gebeten, es vor dir zu verbergen. Aber er hat mein Beten nicht erhört.« Als sie keine Antwort gab, ließ er sich zu ihren Füßen nieder. Mit einer hilflosen Bewegung legte er ihr ein weißes Taschentuch in den Schoß und umfasste zaghaft ihre Knie. Unschlüssig, wie er sich verhalten sollte, kniete er vor ihr auf dem Boden und bettelte mit den Augen um einen Blick von ihr.
»Wenn du meine Hand ausgeschlagen hättest, oh Gesche, dann hätte ich Bremen für immer verlassen und wäre in die Fremde gezogen. Denn dir dann jemals wieder zu begegnen, hätte mir furchtbare Schmerzen bereitet. Dein Jawort hat mich so glücklich gemacht, dass ich darauf vor Freude dem bei meinem Oheim versammelten Sattleramt gleich zwei Bohlen Punsch zum Besten gegeben habe. Verachte mich nicht und bleib bei mir, Gesche«, bat er. »Auch wenn der Herrgott mich nun für mein liederliches Leben mit einer Lustkrankheit bestraft hat. Ich schwöre dir, ich werde mein Versprechen halten und es dir nie an etwas fehlen lassen und dich in meine Welt als eine Dame einführen.«
Noch verwirrt von der rohen Begierde und geschmeichelt von der plötzlichen liebevollen Anbetung, überwand Gesche ihren Ekel. Bei dem Gedanken an ihr bisheriges Leben streckte sie die Arme nach ihm aus und zog ihn mit einem neu gewonnenen Gefühl der Macht über ihn an ihre Brust.
*
Einige Wochen später.
Margarethe trat hilflos von einem Fuß auf den anderen. Sie stand hinter der Stuhllehne und schaute unschlüssig auf die Tochter herab. Gesche saß vor ihr über den Tisch gebeugt und hatte das Gesicht in der Armbeuge vergraben. Leise schluchzte sie vor sich hin. Hilflos musste Margarethe zusehen, wie die schmalen Schultern unter dem Seidentuch auf und nieder zuckten. Dabei hätte sie die Tochter zu gern in die Arme genommen und sie getröstet. Doch Gesche hatte sich in den wenigen Wochen ihrer Ehe verändert. Sie schien zurückhaltender in ihrer Liebe zu den Eltern geworden zu sein. Schon seit Längerem hegte Margarethe den Verdacht, dass ihr geliebtes Kind wenig Freude in der Ehe fand, und machte sich deshalb die heftigsten Vorwürfe. Immer wenn sie Gesche besuchten und sie freudestrahlend von ihr durch das Miltenberg’sche Haus geführt wurden, dann vergaßen sie bei all ihrem Stolz auf die junge Hausfrau, welche das neue Hauswesen mit Geschick und Klugheit führte, dass sie heimlich leiden könnte. Denn Miltenberg, glücklich über die neue Haus- und Küchenordnung, überhäufte sein Weib in ihrer Nähe mit teuren Geschenken und ließ es nie an verliebten Schmeicheleien fehlen. »Wie sollen wir dir helfen, liebes Kind, wenn du mir nicht sagst, was dein Herz bedrückt?«, unternahm sie einen erneuten Versuch, Gesche zum Reden zu bewegen. Sanft berührte sie dabei ihre Schulter und überlegte, womit sie sie erfreuen könnte. »Soll ich dir eine heiße Schokolade bringen lassen?«, fragte sie und ließ sich nun auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder. Die Beine machten schon lange nicht mehr mit und schmerzten beim längeren Stehen. »Du mochtest doch immer so gern