Die Giftmischerin. Bettina Szrama

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Die Giftmischerin - Bettina Szrama

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dem Perserteppich, der mit seinem dichten Flor jedes Geräusch schluckte, standen sich die zwei Kampfhähne mit hochroten Gesichtern gegenüber. Der Jüngere, in einem dunkelblauen, zweireihig geknöpften Anzug, zerschlissenem Ärmel und einer blutbespritzten Hose, hielt sich den Älteren mit dem Degen vom Leib, wobei er aufgebracht schrie: »Ich werde dich töten, Vater. Jetzt, auf der Stelle. Dann hat das Leid endlich ein Ende!«

      Der alte Miltenberg, eingeschnürt in eine auffällig gelbgrün gestreifte Weste, in langer heller Hose und Schuhen, dessen Gamaschen Blutstropfen zierten, wehrte sich mit einem eisernen Feuerhaken. Um seine Füße wickelte sich ein verschmutzter ärmelloser Mantel.

      Von Post sah, dass er stolperte und unweigerlich in die Degenspitze fallen musste. Mit den Worten: »Aber meine Herren, das kann man doch anders regeln«, warf er sich flugs zwischen die Streitenden. Während er den jungen Miltenberg an den Schultern zurückhielt, überschrie der Alte den Sohn: »Versuche nur weiter, die Hand gegen deinen Vater zu erheben! Ich habe längst beschlossen, Haus und Habe zu verkaufen und dir nicht mehr als fünf Taler zu vermachen. Du Hurenbock!«

      Der Stadtsyndikus gab dem Gesellen ein Zeichen, der da-raufhin am alten Miltenberg Hand anlegte, bis dessen Jähzorn etwas verraucht war. Von Post vermutete, dass die beiden Miltenbergs vor Kurzem noch außer Haus gewesen waren. Der Sohn, sicher gerade aus irgendeinem dieser anrüchigen Frauenhäuser gekommen, war wahrscheinlich in dem Moment auf den Vater getroffen, als der wieder versucht hatte, den drohenden Vermögensverfall zu retten. Danach war der alte Miltenberg auf den Sohn nie gut zu sprechen.

      »Meine Herren, ich beschwöre Sie, es gibt nichts auf der Welt, was ein Verbrechen wie dieses rechtfertigen würde. Denken Sie nur an die Bibel, an Kain und Abel. Oder wollen Sie Ihr Leben für alle Ewigkeiten im Zuchthaus verbringen?«

      Heinrich Miltenberg keuchte noch einen Moment und schleuderte dann seinem Sohn einen wütenden Blick zu. Dann hob er den verschmutzten Mantel vom Boden auf und begab sich steifbeinig zu seinem Sekretär, einem Glanzstück von Rieseners französischer Schreinerarbeit. Noch immer sichtlich erregt, entnahm er mit zitternden Fingern einer der Schubladen mehrere verschiedene Schuldscheine und warf sie mit einer wütenden Handbewegung auf den Tisch.

      »Hier, mein Sohn, alles neue Schuldverschreibungen«, sagte er mit seltsam ruhiger Stimme. »Das Kasino, die Komödie, falsche Spekulationen. Ganz zu schweigen von deinen sinnlichen Begierden. Hierfür hast du kürzlich sogar einen unserer vier Höfe verwettet. Und was uns in den Ruin treibt, Herr von Post«, wandte er sich an den Advokaten, »dieses vermaledeite alte Weib erdreistet sich und verlangt für die missratene …«, hier bekreuzigte er sich rasch, »schwindsüchtig verstorbene Tochter die 1.000 Reichstaler Mitgift sofort zurück.«

      Fast ein wenig hilflos fuhr er sich mit der Hand durch das bei dem Kampf in Unordnung geratene Haar. Dabei ruhte sein Blick auf dem Advokaten, als erwarte er von ihm eine schnelle Lösung. »Ich war gezwungen, dem Senator Schmidt bereits zwei meiner wertvollen Ölgemälde zu verkaufen. Wenn mein missratener Sohn nicht bald heiratet und diesmal eine vernünftige eheliche Verbindung anstrebt, die uns allen von Nutzen ist, dann ist mein finanzieller Ruin nicht mehr zu verhindern.«

      Von Post kratzte sich nachdenklich am Backenbart. »Sie wollten der Unglücklichen keine Kost und Logis mehr gewähren, und Euer Sohn Gerhard hat sie leider mit einem unrühmlichen Fußtritt aus dem Haus gejagt. Das hat die Unglückliche, welche doch die selige Schwiegermutter war, stark gegen Sie erzürnt. Obwohl sie recht brav über Sie, den Vater, geredet hat. Ich habe mich der Tränen der Unglücklichen angenommen und mir erlaubt, die Reichstaler ganz in Ihrem Sinne zu retten. Sie brauchen also nichts mehr zu befürchten. Was erzürnt Sie dann so sehr, dass Sie Ihren Sohn töten wollten?«

      Vom Reden durstig geworden, schritt Herr von Post rasch zur Vitrine im Ostteil des Salons und öffnete die Kristalltür, hinter der er eine Karaffe mit dunklem Wein entdeckt hatte. Seitdem Gerhard Miltenberg einst seine Wohnung tapeziert hatte, ging er wie ein guter Freund im Miltenberg’schen Hause ein und aus. Deshalb kannte er die Gepflogenheiten in der Wohnung. Rasch stellte er drei Gläser auf den Tisch und schenkte ein. »Ein guter Jahrgang«, lobte er Miltenberg nach einem kräftigen Schluck und prostete dem Alten zu.

      Heinrich Miltenberg, ein wenig lädiert von der Auseinandersetzung mit dem Sohn, hatte sich in der Mitte des Salons am Esstisch auf einem Stuhl niedergelassen. Die Arme auf die Lehne gestützt, schielte er grimmig auf den Sohn, der, die Beine in den langen Stiefeln weit von sich gestreckt, am Weinglas nippte und entspannt im Lehnsessel fläzte.

      »Für diesen hochachtungsvollen Dienst, Wolfgang, danke ich Ihnen von Herzen. Sie sind ein wahrer Freund, und manchmal wüsste ich nicht, was ich ohne Sie anfangen sollte. Ach, wäre mein Sohn nur halb so gütig und schlau wie Sie, dann könnte ich mich an ihm erfreuen und ihn lieben, wie man einen Sohn liebt. Nicht nur, dass er seine Wanderschaft in Braunschweig abgebrochen hat und von dort dieses liederliche Frauenzimmer in unser Haus mitgebracht hat, jetzt säuft und hurt er genauso wie sie umher und schert sich einen Dreck um die Zukunft unseres Hauses. Seine Mutter, Gott habe sie selig, hat ihm ein Vermögen hinterlassen, dass er nun in Windeseile im Müßiggang verjubelt. Sehen Sie mich doch an, Wolfgang. Bald ist meine Zeit vorbei, und ich bedarf alsbald der Pflege. Aber bevor er unser gesamtes Vermögen bei Saufgelagen in Häusern der niedrigsten Verworfenheit verprasst, enterbe ich ihn zu Lebzeiten und ziehe auf meinen Landsitz.«

      »Urteilen Sie nicht so hart, mein Freund«, versuchte von Post Heinrich Miltenberg zu beschwichtigen, nachdem der Alkohol für eine angenehmere Atmosphäre sorgte, die nun fast in eine heitere Stimmung umschlug. Denn nun meldete sich Gerhard zu Wort. Dabei blieb er zunächst in seiner entspannten Haltung sitzen und prüfte mit kritischem Blick sein Glas. Irgendwie verstand von Post die Frauen, die sich scharenweise von ihm aushalten ließen. Nicht zum ersten Mal war er ihm in anrüchigen Spelunken begegnet, halb nackt, mit mehreren Weibern gleichzeitig im Arm. Gerhard Miltenberg war nicht unansehnlich. Der Wein, der nun die blassen Wangen mit einer leichten Röte überzog, verstärkte diesen Eindruck zusätzlich. Doch der ausschweifende Lebenswandel des Mannes hinterließ bereits seine ersten Spuren. Das helle Haar bereits schütter, nach neuster Mode dicht an den Kopf gelegt und nach vorn gekämmt, verlieh dem schmalen Gesicht mit den braunen Augen und der ewigen, unstillbaren Sehnsucht darin eine gewisse Verwegenheit. Aber seine Züge waren verweichlicht und wirkten verschwommen. Hinzu kam, dass Gerhard Miltenberg um die Taille herum zur Fülle neigte.

      »Was träumen Sie, Herr Magister?«, bemerkte der junge Mann schmunzelnd. »Trauen Sie mir nicht zu, dass ich eine Ehefrau für mich finde?«

      Lauernd erhob er sich. Er trat an den Tisch heran und forderte von Post auf, ihm das Glas zu füllen. Groß gewachsen, mit dem Glas in der Hand, stand er vor ihm. Den Vater neben sich ignorierte er, als ob er gar nicht anwesend wäre. »Aber ich will keine Ehefrau. Ich kann jedes Weib haben. So ein faules, fettes Luder will ich mir nicht noch einmal in mein Haus holen. Ich habe Freudensprünge getan, als der Herrgott mich endlich von diesem Ehedrachen erlöste. Auch wenn der Herrgott mich dafür bestrafen wird. Denn seitdem lebe ich in der Furcht, mein Weib könnte als Leiche wiederauferstehen und mir das Leben erneut zur Hölle machen. Aber dieser verbohrte alte Herr«, er wies mit dem Finger anklagend auf den Vater, »erdreistet sich und will mich mit aller Macht zu einer neuen Heirat zwingen.«

      »Und wie ich dich zwingen werde, du Säufer!« Heinrich Miltenberg war bei den letzten Worten aufgesprungen und machte Anstalten, sich erneut auf den Sohn zu stürzen. Doch von Post war schneller. Er hatte dem jungen Miltenberg ruhig zugehört und dirigierte ihn nun mit den Worten »Um was für eine interessante Ehe handelt es sich denn, um die hier so eifrig gestritten wird?« sanft auf den Stuhl zurück. Sein Interesse an den Neuigkeiten bewirkte, dass sich die beiden Miltenbergs gemeinsam an den Tisch setzten und Heinrich sogleich begeistert loslegte: »Es ist die Jungfer Timm, die mir in Gedanken vorschwebt. Sie ist schön und tugendhaft, und ihr geht der beste Leumund voraus. Außerdem soll sie sehr arbeitsam und in vielen Künsten bewandert sein. Sie wäre die rechte Ehefrau, um die gräuliche

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