Fehlalarm!. Leopold Stummer

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Fehlalarm! - Leopold Stummer

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Schutz vor ernsten Gefahren entzieht sich, wie nichts sonst, der materiellen Logik.

      Ein Beispiel: 2001 – beinahe »cum hoc …« zu den Anschlägen auf das World Trade Center in New York – wurde (vermutlich) von einem frustrierten Mitarbeiter eines Biowaffenlabors13 »waffenfähiges« Anthrax (Ameritrax) an ein paar Leute verschickt (22 Infizierte, davon 5 Tote). In der Folge wurden nicht nur ca. 9 000 Verhöre durchgeführt, ohne den/die Täter finden bzw. verurteilen zu können, es war – unterstützt durch 9/11 – offensichtlich jede erdenkliche Maßnahme gerechtfertigt, ja sogar geboten. Briefen wurde allergrößtes Misstrauen entgegengebracht. Schon verschütteter Staubzucker oder Fußpuder konnte die sofortige Sperre eines Großflughafens auslösen. Pharmakonzerne und Schutzmaskenhersteller verbuchten Traumgewinne. Die Gefahren des Bioterrorismus wurden von hunderten »Experten« überwacht, die unverzüglich ans Licht der erregten Öffentlichkeit drängten und laufend Rettungsmaßnahmen vorschlugen. Der letztendlich Hauptverdächtige erlag (angeblich) mittlerweile einer Überdosis eines Grippemittels (Paracetamol).

      An diesem und dem vorigen Beispiel sehen wir – die panische Reaktion auf die Anthraxbriefe (so viele Opfer wie ein durchschnittlicher Busunfall) oder die hysterische Angst vor Flüssigsprengstoff in Flugzeugen (Vororte-Züge oder U-Bahnen sind offensichtlich stärker durch Bombenanschläge gefährdet) stehen in keinem Zusammenhang zur realen Gefahr.

      Wenn sehr viele engagierte, kluge Menschen mit fast unbeschränkten (und nicht nur finanziellen) Mitteln sehr viel Zeit der Lösung von Problemen widmen, sollte man vermuten, dass irgendwann einmal keine Probleme mehr da sind, weil inzwischen alle weitgehend befriedigend gelöst wurden. Sozusagen: Alle Wölfe sind ausgerottet – wir haben gesiegt! Dieser Fall darf, kann und wird niemals eintreten.14

      Konsequenterweise können wir die Ursache des Entstehens immer neuer Bedrohungen – nach der alten kriminalistischen Methode »cui bono/cui prodest« (lat.: gut für wen?/wem nützt’s) – beim Expertentum vermuten.

      Deren unerfüllte Begehrlichkeiten nach Ruhm und Reichtum in Verbindung mit Kreativität und »Insider­informationen« – es handelt sich in der Regel höchstens um Fanatiker, keineswegs um Idioten – bildet eine ständig sprudelnde Quelle neuer (potentieller) Gefahren. Wenn man sich schon nicht vor dem fürchtet, was tatsächlich beweisbar ist, so doch noch besser vor dem, was sein könnte [z. B. 8], bzw. nicht ausgeschlossen werden kann, worüber noch zu wenige Daten vorliegen, was möglicherweise eintreten wird, oder was ganz sicher in einer Zeit, die keiner der Anwesenden je erleben wird, passiert. [4] Solche Szenarien werden dann per Pressemitteilung an den Boulevard weitergegeben.

      Besonders diejenigen Journalisten, die die Pressekonferenz verpasst haben oder schlichtweg nicht verstehen konnten, worum es geht (häufig!), neigen dazu, dann noch eins draufzusetzen. Der isolierte, spinnende Außenseiter wird plötzlich zum »… führenden Wissenschaftler …«, besser noch zum »… führenden internationalen Wissenschaftler …«, jedenfalls aber zum anerkannten Vertreter des Mainstream. Junktime fallen weg – manchmal erst in der Redaktion. Substanzlose Spekulationen werden zu gesicherten Fakten – schließlich will man die Leser/Seher möglichst nicht durch selbständiges Denken überfordern. Außerdem ist Platz kostbar – die Werbung muss schließlich auch noch reinpassen.

      Beim nächsten Interviewtermin wird dann der nächstpassende öffentliche Mandatsträger ganz sicher gefragt, was er denn von der aktuellen Bedrohungslage halte und welche Maßnahmen er denn … Ebenso sicher wird dieser Mandatar dann irgendeinen Aktionsplan ankündigen, denn zuzugeben, er wäre uninformiert oder ein Scheinproblemchen hysterischer Spinner wäre ihm egal, käme politischem Suizid gleich.

      … Und schon ist ein neuer Wolf auf die bebende Bevölkerung losgelassen!

      4

      Historische Entwicklung und ­Definition der Bedrohungsbilder ­sowie salvatorische Generalklausel

      Manche historische Ängste sind nicht mehr aktuell (z. B.: Fernreisen, Hexerei, Seeungeheuer, …), andere aber noch durchaus präsent (Fremde, Weltuntergang, Dunkelheit, …) oder sogar berechtigt (Armut, Krankheit, Steuererhöhung, …). Den sehr lesenswerten historischen Untersuchungen [9–12] soll hier aber keine weitere hinzugefügt werden.

      Als Zeithorizont der Wolfsplage konnte bisher eine ungenau definierte Zone, irgendwann in den 60er oder Anfang der 70er des 20. Jahrhunderts festgelegt werden. Der Grund ist, dass Massenpanik vorher scheinbar seltener war, jedenfalls aber in wesentlich geringer Vielfalt aufgetreten ist. Die von verschiedenen Autoren (z. B. [12]) geäußerte Theorie, dass der Fall der Berliner Mauer1 und die kurz darauf folgende Auflösung der Sowjetunion im Westen ein Angstvakuum schuf, das durch »Alarmismus« gefüllt werden musste, kann nicht eindeutig bestätigt werden – obwohl sich Wortspiele zum »horror vacui« aufdrängen würden.

      Im historischen Verlauf wurden die Nazis als Feindbild überraschend schnell durch Kommunisten abgelöst, die bekanntlich überall zu finden waren und absolut alles unterwandert hatten (die sogenannte 5. Kolonne). Ihre finsteren Pläne, schlichtweg »das Gute« zu zerstören, konnten eigentlich nur durch die penible Säuberung2 Hollywoods von angeblichen Sympathisanten im allerletzten Augenblick durchkreuzt werden.

      Trotz der »roten Gefahr« war das allgemeine Lebensgefühl damals nicht so übel. Breiter gesellschaftlicher Konsens war: Mit einigen Anstrengungen, besseren Bomben und strammer Disziplin wird’s schon werden. Technischer Fortschritt war eine Verheißung und kein Schreckgespenst. Die Autos waren riesig,3 relativ selten und zeigten deutlich, dass sich die Funktion dem Design unterzuordnen hatte. Flugzeuge hießen »Super-Constellation« und nicht »Airbus«. Der Traum von schneller und bequemer Überwindung langer Strecken wurde – ohne kleinliche ökonomische und ökologische Vorbehalte – geträumt, geplant und schließlich als Concorde bzw. Tupolew Tu-144 auch verwirklicht. Über den Atlantik – luxuriös und in nur wenigen Stunden –, eine Vorstellung, die in Zeiten, in denen man versucht, immer mehr Passagiervolumen pro Liter Kerosin auf noch kleinerem Raum noch billiger (aber doppelt so lange) zu transportieren, fast undenkbar scheint.

      Die geplanten (praktisch schon beinahe bezugsfertigen) Siedlungen auf dem Meeresgrund und/oder auf dem Mond würden (na ja, fast) jedem ein schönes Heim mit Kamin und großer Einbauküche ermöglichen. Alles modern, bequem und vor allem sicher. Die Arbeit würde von putzigen Robotern erledigt werden, die ihre nie versiegende Kraft aus der problemlosen Atomenergie4 schöpfen. Die Hoffnung, dass alle (na ja, fast) mühselige Tätigkeit bald »automatisch« getan werden würde, war durch Staubsauger, Waschmaschine, Fertiggerichte, etc. fast (na ja, fast) schon Realität geworden. Die allgemeine Stimmung war also nicht so schlecht. (Wir bleiben in unseren Ausführungen stets bei der Betrachtung der westlich-technisierten, kapitalistischen Geschmacksrichtung.)

      Diese Zeit soll hier jedoch keineswegs als vorbildlich oder auch nur gut dargestellt werden. Der Kalte Krieg konnte jeden Augenblick heiß werden, zivile Freiheiten waren praktisch unbekannt, Sex tabuisiert, Konformismus allgemein gefordert (dies allerdings auch später immer wieder). Nicht einmal Frauen, Farbige und Homosexuelle waren in gleichem Maße anerkannt wie heutzutage. Insgesamt war es eine miefige, kleinbürgerliche, autoritätshörige Epoche – aber die Ängste waren auf einige wenige Ziele fokussiert und sozusagen etabliertes Allgemeingut (wodurch die Möglichkeit bestand, sich als Kollektiv zu fühlen).

      Der Stimmungsumschwung kam schleichend, viele Fragen sind in diesem Zusammenhang noch unbeantwortet. War es die Ermordung J. F. Kennedys (und dessen Ersatz durch den absolut unglamourösen Lyndon B. Johnson)? War es die Erkenntnis, dass der Mond keineswegs Bungalow-Errichtungs-GesmbH Hoffnungsland ist, sondern eher sterbenslangweilig? Waren es (chronologisch) die Antibabypille, Contergan® (=Thalidomid), der »Stumme Frühling« [13], Miniröcke, Vietnamkrieg, Rockmusik,

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