Fehlalarm!. Leopold Stummer

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fehlalarm! - Leopold Stummer страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Fehlalarm! - Leopold Stummer

Скачать книгу

dunkle Schatten über der vorher so rosigen Zukunft. Der Glaube daran, »… die da oben hätten aus der Vergangenheit gelernt und wüssten schon, was sie tun …«, verschwand sogar bei vielen der nicht notorisch querulierenden Mitbürger. Die Studenten, Künstler und andere Intellektuelle konnte man sowieso vergessen, scheinbar hatten die Versprechungen künftiger Vorstadtbungalows, dicker Autos und öffentlichen Respekts auf diese Gruppe nicht recht glaubhaft gewirkt. Bald begannen die Menschen, anstatt bequeme Einwegprodukte zu konsumieren, jeden Mist zu sammeln, in der Hoffnung, irgendwie dann neuen Mist daraus herstellen zu können (Recycling). Ein Untergangsszenario folgte dem anderen, [14] »Prophets of Doom« wurden plötzlich ernst genommen. Millenniarismus bzw. Chiliasmus5 war angesagt, obwohl die Jahrtausendwende ja noch ein gutes Stück weit weg war. Vereinzelte Sektierergrüppchen waren zu politisch berücksichtigungswürdigen Wählerströmungen angewachsen. Ja, plötzlich waren sie überall – die Wölfe!

      Und sie vermehrten sich munter – Alarmismus bedeutet, dass irgendwas, irgendwie, irgendwo, irgendwann, irgendwem passieren könnte. Diese Ansicht ist als solche nicht widerlegbar. Gerne sieht der, der sie vertritt, sich als besorgter, verantwortungsvoller Mahner in einer Welt der Unvernunft und genießt die Beachtung und Bedeutung, die ihm seine warnenden Worte eintragen. Vermutlich sind die Wölfe eines der wenigen Phänomene des ausgehenden 20. Jahrhunderts, für das die »Grenzen des Wachstums« [14] nicht gelten.

      Weitgehend verzichten möchten wir hier auf die Untersuchung lokaler Probleme. Natürlich wird nicht jeder von allen Sorgen gleich stark geängstigt. Schwarzkopierte Musik und Videos mögen zum Beispiel dem einen oder anderen egal sein. Trotzdem kann jeder und jede6 mit dieser Problematik konfrontiert werden, beispielsweise durch enervierend-langweilige Vorspannsequenzen beim (teuer bezahlten) Konsum von Filmen – insgesamt also doch ein überregionales Problemchen, das jedem begegnen kann.

      Mit Lokalproblem sind explizit ortsbezogene Katastrophen gemeint, wie Autobahntrassen, Fabriksan- oder -absiedelungen, Großbauprojekte usw. Die Grenzen zwischen örtlichen und überregionalen Aufregern sind aber natürlich graduell (z. B. Tschernobyl).

      Allgemeine, diffus-chronische Stressfaktoren, wie z. B. »die Gesellschaft« oder »das Patriarchat« (alias Macho-Phallokraten-Aggressionsgesellschaft, etc.), werden ebenfalls nicht näher beachtet – dies wäre zu einfach und als Thematik wirklich zu »abgelutscht«. Außerdem werden aus Aktualitäts- und Pietätsgründen keine (na ja, fast) etablierten historischen Ängste wie Krieg, Armut, Krankheit usw. ­untersucht. Um Ehrenbeleidigungs-, Rufschädigungs- und sonstige Klagen zu vermeiden, kommen natürlich auch (fast) keine personalisierten Auslöser vor, egal ob lebend oder (besser) tot.

      Wie nun einem Wolf begegnen, wie mit ihm umgehen, ihn verscheuchen oder abwehren? Selbstverständlich ohne Angst! Es ist möglich (besonders für Politiker), den jeweiligen Wolf »auszusitzen« – die nächste Schlagzeile kommt mit Sicherheit. Inzwischen kann man sich mit »Sammeln verlässlicher Daten«, »Erwägen von Maßnahmen«, »Einholen von Expertenmeinungen«, »Bildung von Arbeitsgruppen« oder gar »Veranstalten eines Gipfeltreffens« beschäftigen. Der Kelch geht bestimmt bald vorüber.

      Der oft kurzfristige Wechsel der »Angstmode« kann aber sogar Nachteile bringen. Ich wurde einst selbst anlässlich einer Tagung Zeuge, wie innerhalb weniger Wochen viele Krebs-Spezialisten (wichtig) zu HIV/AIDS-Spezialisten (ebenfalls wichtig) konvertierten. Grund war die Verschiebung des Interesses der Medien, der Öffentlichkeit und besonders der Forschungsfonds-Manager, verursacht7 durch den AIDS-Wolf. Dies hatte eine Umschichtung von Forschungskapital (Charity-Fonds) ausgelöst, und dem pflegen Spitzenforscher zu folgen wie die Bienen dem Honig. (Der Vergleich von Fliegen und Aas ist in diesem Zusammenhang natürlich unangemessen.)

      Es ist absolut zu begrüßen, dass die besten (bzw. teuersten) Forscher sich mit AIDS beschäftigen, wahr bleibt aber auch, dass Krebs die zweithäufigste Todesursache geblieben ist. Die rasche Ablösung der jeweiligen Besorgnis durch die nächste, modernere, kann jedoch bereits begonnene Bekämpfungsmaßnahmen behindern, falls es sich nicht nur um ein Hirngespinst, sondern – wie bei Krebs – um ein echtes, schwerwiegendes Problem handelt.

      Insgesamt könnte nun gelegentlich der Eindruck entstehen, wir würden uns hier über die Sorgen anderer lustig machen. Um sicherheitshalber jeden fälschlichen Anschein von politischer oder irgendwelcher sonstiger Unkorrektheit schon im Ansatz zu vermeiden, folgt die salvatorische Generalklausel:

      Die hier bagatellisierten, trivialisierten, bestrittenen, in andere Perspektive gestellten oder auch nur angezweifelten Katastrophenszenarios bedeuten für tatsächliche Opfer – sollte es solche wirklich geben – natürlich persönliches Unglück. Hierfür sei ihnen das ausdrückliche Mitgefühl des Autors zugesichert! Ziel dieser Ausführungen ist die Kritik am Erzeugen und Ausnutzen von Ängsten aus meist niederen Motiven. Aufgrund von unzureichenden Informationen bei anderen Panik zu erzeugen, sich zu bereichern oder sogar wider besseres Wissen Menschen in Angst und Sorge zu versetzen, ist eigentlich soziopathisches Verhalten.

      5

      Die Gesundheit – ­Mindestens haltbar bis 2011?

      In diesem Abschnitt wenden wir uns den unmittelbaren Gesundheitsgefahren zu – wohl wissend, dass auch ein Meteoritentreffer ein gewisses Gesundheitsrisiko in sich birgt (dieser wird aber erst in einem der folgenden Kapitel behandelt werden).

      Das Rudel der Gesundheitswölfe ist sehr fruchtbar. Ständig spalten sich kleinere Rudel ab, wachsen oder schließen sich anderen Gruppen – z. B. den Techno-Wölfen – an. Bemühen wir uns, ein wenig den Überblick über die wirre Vielfalt zu gewinnen, so sehen wir zunächst zwei Hauptgruppen:

       Was ich tun (bzw. lassen) muss, um nicht krank zu werden; und (im Nichterfolgsfall):

       Wie werde ich wieder gesund?

      Das Wissen um die eigene Sterblichkeit begleitet die Menschen seit Beginn ihrer Geschichte. Abgesehen von durchaus erwünschten Todesfällen1 ist es meist schwer, dieses Wissen aus vollem Herzen freudig zu akzeptieren.

      Die verschiedenen religiösen Systeme bieten dafür nur scheinbar Hilfe – tot ist tot – und ewige Seligkeit, Walküren in Odins Halle, Houris im Paradies, eine neue, viel bessere Inkarnation usw. bleiben vage, unüberprüfbare Versprechungen. Darum versuchen ja auch die meisten Menschen, sogar wenn sie tiefreligiös sind, den eigenen Tod so gut als möglich2 zu vermeiden.

      Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Die Theorie lautet (implizit): Wenn man nur wirklich alles vermeidet, was die ­Gesundheit gefährdet oder dem Körper schadet, so wird man »ewiges« Leben erlangen. Besonders Zeitgenossen, die in ihrem Leben ohnedies nichts Bedeutendes geleistet haben, wünschen sich die Unsterblichkeit oft am dringendlichsten. Der Gedanke ist von verführerischer Einfalt – allerdings gibt’s (mindestens) zwei Probleme:

      Sogar vollkommene Askese bei allen bekannten Lastern kann nicht davor schützen, dass schon morgen eine neue, bis jetzt leider sträflich ignorierte Krankheit entdeckt wird. Deren (monokausale) Ursache wird eben erst dann den allerneuesten Messgeräten zugänglich. Mangels echter Erfahrung entstehen ringsum zahlreiche »Experten« (durch spontane Selbstdeklaration). Knapp alle Todesfälle (abgesehen von offensichtlichen Ausnahmen) können jetzt dieser jeweiligen neuen Gefahr zugeschrieben werden – es hatte sich schließlich bis jetzt leider niemand davor schützen können. Sogar wenn man also allen bekannten Gesundheitsrisiken ausweichen könnte, wird morgen ein neues entdeckt werden. Seinem Schicksal entkommt keiner, sogar bei bestem Willen nicht!

      Das zweite Problem ist, dass fremde Laster ein gesundes Leben ebenfalls bedrohen. Offensichtlichstes Beispiel sind die Knochenberge von unschuldigen Passivrauchern, die sich aus

Скачать книгу