Magic Tales - Verhext um Mitternacht. Stefanie Hasse

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Magic Tales - Verhext um Mitternacht - Stefanie Hasse Magic Tales

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      Ohne Magie zu sein, fühlte sich in ihrer Gegenwart jedoch gar nicht mehr so schlecht an.

      Als ich am nächsten Morgen die knarrende Holztreppe herunterkam, saßen Ingrid und Barbara bereits am Küchentisch. Ingrid erklärte mir, dass sie und Barbara den kleinen Hof gemeinsam am Laufen hielten, seit Ingrids Mann verstorben war. Während wir aßen und Kaffee tranken, planten sie den Tag, der für das Alter der beiden Frauen durchaus ambitioniert war. Aufgrund des langen Winters war es erst jetzt warm genug, den Mais auszusäen. Barbara wollte allerhand im Garten hinter dem Haus erledigen.

      So hörte ich zu, was es zu tun gab und, wichtiger noch, was es an neuem Klatsch im Ort gab – denn hierfür waren die beiden offenbar eine unerschöpfliche Quelle. Doch es fiel kein Wort über von Dunkelmagie zum Leben erweckte Brunnenfiguren. Die Jäger hatten tatsächlich alle Zeugen aufgespürt und ihre Erinnerungen gelöscht.

      Nach dem Frühstück fühlte ich mich wie nach einem Crashkurs in Landwirtschafts- und Gartenkunde, zusätzlich vollgestopft mit etlichen Namen, die mir nichts sagten und die ich – wenn man bedachte, was so getratscht wurde – auch besser nie gehört hätte.

      Mit einem Pausenbrot von Ingrid im Rucksack folgte ich der Wegbeschreibung der beiden zum Grimm-Gymnasium, meldete mich wie von Ingrid empfohlen im dortigen Sekretariat und suchte anschließend nach meinem Klassenzimmer für die erste Stunde.

      »Ela Bianchi.«

      Wieder und wieder flüsterte ich den Namen meiner neuen Identität vor mich hin. Er schmeckte falsch auf meiner Zunge. Vielleicht lag das aber auch an den vielen sich gegenseitig überlagernden Gerüchen. Die Wissenschaft im Wissenschaftstrakt hatte ich mir anders vorgestellt. Sauberer. Aber hier roch es abgestanden, nach Schweiß, Putzmittel, Aftershave, Haarspray und alten Socken. Alles auf einmal. Ich wollte gar nicht wissen, was hinter den metallenen Türen der Spinde, an denen ich gerade vorbeilief, vor sich hin gammelte. Der Ekel packte mich bei den Schultern und schüttelte mich. Daher konzentrierte ich mich auf die zarte Apfelnote, die ebenfalls in der Luft hing, und auf das ausgedruckte Blatt in meiner Hand mit meinem Stundenplan. Endlich hatte ich ihn gefunden: Raum 1.2.5. Mathematik bei Herrn Reeder. Mein Puls raste wie zuletzt bei … ich hatte keine Ahnung. Die Nervosität hatte mich fest im Griff und ich fürchtete, von der Türklinke abzurutschen, weil sich auf meinen Handflächen ein Schweißfilm gebildet hatte.

      Mit jedem Blick auf die kahle Stelle, an der sich sonst meine Sigille befand, verspürte ich lähmende Sehnsucht. Meine Hexeninstinkte drängten darauf, das Armband sofort wegzureißen, es zumindest anzuheben, damit ich wenigstens zu einem Teil wieder ich selbst sein konnte.

      Doch genau das durfte ich nicht sein, wenn ich hier etwas herausfinden wollte.

      Ich rieb die Feuchtigkeit in meinen Handflächen an meiner Jeans ab und drückte anschließend die Klinke. Als ich eintrat, richteten sich sämtliche Blicke auf mich und eine neue Mischung aus Gerüchen strömte auf mich ein. Wie im Flur drang die zarte Apfelnote an meine Nase, aber da war noch etwas anderes, etwas … Überwältigendes, das mich mit voller Wucht traf.

      Der Duft nach Sommerregen, nach glücklichen Gesichtern, die sich den Tropfen entgegenstreckten, Erneuerung nach langer Trockenheit. Er war so intensiv, dass mein Herz vor Freude aus dem Takt geriet. Ich sog tief den Geruch von purem Glück ein und schloss kurz die Augen, um ihn festzuhalten. Es war derselbe Rausch wie beim Wirken eines großen Zaubers, wenn die handgezeichnete Sigille an die Elemente übergeben wurde. Als ich die Lider wieder öffnete, sah ich direkt in die blauen Augen eines Jungen. Ich musste blinzeln, um von dem überwältigenden Glücksgefühl getrieben nicht darin einzutauchen, mich zu verlieren wie in einem endlosen Meer. Ich rang nach Luft wie nach einem langen Tauchgang und die Mischung aus Deodorant, Haarspray, billigem Aftershave und Schweißfüßen holte mich in die Realität zurück.

      Ich stand vollkommen sprachlos vor einer Klasse mit ungefähr dreißig Schülerinnen und Schülern, die offenbar hocherfreut darüber waren, dass der Mathematikunterricht unterbrochen wurde – und vor denen ich mich gerade gnadenlos blamierte. Der Junge, den ich die ganze Zeit schamlos angestarrt hatte, schob sich verlegen die halblangen blonden Haare aus dem Gesicht. Seine Lippen waren leicht geöffnet, als wolle er mir etwas sagen, während ich noch immer nicht den Blick von ihm lösen konnte. Er besaß hohe Wangenknochen, kantige Gesichtszüge und eine etwas zu breite Nase. Instinktiv fragte ich mich, ob er sie irgendwann in der Kindheit vielleicht gebrochen hatte. Seine Lippen bildeten einen perfekten Bogen, ehe er sie zwischen die Zähne zog.

      Ein Räuspern neben mir schreckte mich auf und ein paar Schüler kicherten. Meine Wangen brannten und ich riss mich endlich zusammen und lenkte den Blick auf den Mann, der neben mich getreten war, ohne dass ich es bemerkt hatte.

      »Sie müssen die neue Austauschschülerin sein«, sagte der Lehrer mit einem freundlichen Lächeln inmitten des grauen Vollbarts und sah kurz in ein Buch auf dem Lehrerpult. »Ela Bianchi, nicht wahr?«

      Ich nickte und zwang mir ein Lächeln auf die Lippen, mit dem ich mich dann auch an den Rest der Klasse wandte. Ein paar meiner Mitschüler erwiderten es sofort. Von einem schüchternen Zucken der Mundwinkel bis zu einem ehrlichen Lächeln unter neugierigen Augen war alles vertreten. Nur der blonde Junge starrte mich finster an. Dafür traf mich aus der letzten Reihe ein intensiver Blick aus dunkelbraunen Augen. Ich kannte das Gesicht von zahlreichen Fotos aus den Unterlagen, die mir mein Vater zur Vorbereitung auf die Mission mitgegeben und die ich während der langen Zugfahrt ausgiebig studiert hatte. Christoph Brands Augen blitzten voller Neugier auf, während mich sein Blick von oben bis unten abtastete, bis ich mich am liebsten bedeckt hätte. Dennoch lächelte ich ihn hoffentlich gewinnend an, während ich zu dem mir zugewiesenen Platz in der fast leeren ersten Reihe zuging.

      Herr Reeder widmete sich jetzt wieder der Gleichung an der Tafel. Die meisten im Raum schienen wenig Interesse am Änderungsverhalten von Funktionen zu haben, sie flüsterten leise miteinander oder zeichneten wie das braunhaarige Mädchen neben mir auf den Block. Ich versuchte, einen Blick auf ihr Kunstwerk zu erhaschen, doch sie bedeckte es größtenteils mit ihrem Arm. Danach sah ich mich noch einmal im Klassenzimmer um und erkannte, dass nur fünf Personen zumindest so taten, als würden sie etwas von Analysis verstehen. Ich versuchte, Herrn Reeders genuschelten Erklärungen zu folgen, während ich in dem Mathebuch, das ich zuvor im Sekretariat erhalten hatte, nach den entsprechenden Seiten suchte.

      Das Zeichentalent zu meiner Rechten versteifte sich und seufzte genervt auf, als würde sie mein Blättern in ihrer Konzentration stören. »Seite 87«, sagte sie, ohne aufzusehen, ehe sie sich bereits wieder ihren Bleistiftstrichen widmete.

      »Danke«, murmelte ich nur, schlug die entsprechende Seite auf und versuchte den Zusammenhang zu dem Gewirr von Graphen an der Tafel herzustellen. Offensichtlich hatte ich ein großes Defizit, was den Lernstoff an normalen Schulen anging, und meine Finger verhakten sich instinktiv in dem Armband an meinem linken Arm. Der Drang, den Kontakt des Kristalls mit meiner Haut zu unterbinden und mein Problem mit Magie zu lösen, war schier übermächtig. Doch dann würde Christoph Brand wissen, dass ich eine Hexe war wie er ein Hexer, und das durfte nicht passieren, wenn ich meine Mission erfüllen wollte.

      Kaum dass es geklingelt hatte, sprangen die meisten meiner neuen Mitschüler auf und verließen fluchtartig den Raum. Ich konnte es ihnen nicht verdenken. Der Mief von rund dreißig Jugendlichen in einem Raum mit geschlossenen Fenstern war nahezu unerträglich. Draußen prasselten mittlerweile dicke Regentropfen gegen die Scheiben, weshalb vermutlich niemand die Fenster geöffnet hatte. Kurz überlegte ich, ob hier der Geruch von Petrichor, den man eigentlich nur nach einem Regenschauer im Sommer wahrnehmen kann, schon im Frühjahr vorkam oder ob mir meine Nase einen Streich gespielt hatte.

      Die Letzten in der Schlange am Eingang waren das Mädchen mit den Regenbogenhaaren und der blonde Junge, die miteinander

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