Revolutionen auf dem Rasen. Jonathan Wilson

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Revolutionen auf dem Rasen - Jonathan Wilson

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dass die Olympischen Spiele 1916 ein Erfolg werden würden. Doch der Krieg sollte diesen Traum vernichten. Als Hogan erkannte, dass ein bewaffneter Konflikt drohte, nahm er Kontakt zum britischen Konsul auf und fragte, ob eine rasche Rückkehr mit der Familie nach Großbritannien ratsam sei. Man teilte ihm mit, dass keine Gefahr im Verzug sei. Tatsächlich aber folgte innerhalb von 48 Stunden die Kriegserklärung. Einen Tag darauf wurde Hogan als Ausländer interniert.

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       Jimmy Hogan, Fußballpionier auf dem europäischen Festland, zeigt der 1940 in Frank reich stationierten Einheit der britischen Luftwaffe, wie man köpft.

      

      Dank des Einsatzes des amerikanischen Konsuls konnten seine Frau und sein Kind im März 1915 nach Großbritannien zurückkehren. Hogan selbst wurde einen Tag vor der geplanten Überstellung in ein deutsches Internierungslager freigelassen. Die Gebrüder Blythe, die ein Kaufhaus in Wien besaßen, erklärten sich einverstanden, für ihn zu bürgen. Hogan stand daraufhin fast eineinhalb Jahre in ihren Diensten und gab ihren Kindern Tennisunterricht. Allerdings waren 200 Kilometer weiter östlich bereits Bestrebungen im Gange, ihn zurück zum Fußball zu holen. Baron Dirstay, ein Absolvent der Universität von Cambridge und Präsident des Budapester Klubs MTK, hatte von Hogans Notlage gehört. Er ließ einige diplomatische Kontakte spielen und verschaffte ihm schließlich eine Stelle als Trainer seiner Mannschaft – vorausgesetzt, Hogan meldete sich regelmäßig bei der örtlichen Polizei.

      Hogan nahm bereitwillig an. Da der größte Teil der Stammelf im Einsatz an der Front war, bestand seine erste Aufgabe darin, eine Mannschaft zusammenzustellen. Naturgemäß wandte er sich dabei jungen Spielern zu. Zwei der bekanntesten Spieler des Vereins wurden György Orth und József „Csibi“ Braun. Hogan hatte sie verpflichtet, nachdem er sie bei einem Spaziergang im Angol-Park beim Kicken beobachtet hatte. „Ich stürzte mich auf sie und sagte: ‚Die gehören mir, mir allein‘“, erzählte er später. „Sie waren beide kluge Jungs, die in Budapest das Gymnasium besuchten. Jeden Tag nach der Schule standen sie bei mir auf dem Platz, und ich unterwies sie in der Kunst des Spieles.“ Mit ihrer intelligenten und lernbegierigen Art waren Orth und Braun typische Vertreter jener Spieler, die Mitteleuropa hervorbrachte und mit denen Hogan so gerne arbeitete. Genau deshalb fühlte er sich ja in Wien wie auch in Budapest so sehr zu Hause. „Der große Vorteil des mitteleuropäischen gegenüber dem britischen Fußball besteht darin“, so sagte Hogan, „dass die Jungs bereits in sehr jungen Jahren trainiert werden.“

      Seine Methoden führten zu spektakulären Erfolgen. 1916/17 gewann MTK nach einer kurzen, kriegsbedingten Pause die erste offizielle Meisterschaft und verteidigte sie neun Jahre lang. Nach dem Krieg ließ eine Budapester Auswahl aufhorchen, als sie den Bolton Wanderers eine 4:1-Klatsche zufügte und damit die Stärke des Festlandfußballs demonstrierte. Hogan selbst war allerdings nur bei zwei Triumphen MTKs der Trainer. Als der Krieg zu Ende war, kehrte er, sobald er konnte, nach Großbritannien zurück. „Meine Zeit in Ungarn war bei nahe genauso glücklich wie mein Aufenthalt in Österreich. Budapest ist eine wundervolle Stadt – meiner Meinung nach die schönste in Europa“, sagte er. Dafür aber hatte er fast vier Jahre weder seine Frau noch seinen Sohn gesehen. Hogans Nachfolger wurde mit Dori Kürschner einer seiner älteren Spieler. 20 Jahre später sollte Kürschner noch eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Fußballs in Brasilien spielen.

      Hogan zog wieder nach Lancashire. In Liverpool fand er einen Job im Versand bei Walker’s Tobacco. Seine Geldmittel blieben allerdings knapp. Man gab ihm deshalb den Rat, bei der FA um eine Beihilfe nachzusuchen. Der Verband hatte einen Unterstützungsfonds für Profis eingerichtet, die durch die Kriegsjahre finanziell zu Schaden gekommen waren. Hogan glaubte, einen Anspruch auf 200 Pfund zu haben. Er lieh sich fünf Pfund, um die Reise nach London bezahlen zu können. Doch der Generalsekretär der FA, Frederick Wall, hatte nur Verachtung für ihn übrig. Der Fonds sei für diejenigen, die gekämpft hatten, sagte Wall. Hogan entgegnete, dass er vier Jahre lang interniert gewesen sei und keine Chance gehabt habe, sich zum Dienst zu melden. Als Antwort gab Wall ihm drei Paar Socken und höhnte, „dass die Jungs an der Front über diese sehr froh gewesen seien“. Hogan war voller Zorn und konnte der FA nie verzeihen. Für den englischen Fußball waren seine Fähigkeiten damit verloren – wobei es fraglich bleibt, ob man seine Vorstellungen im konservativen England überhaupt jemals positiv aufgenommen hätte.

      In Wien folgte Hugo Meisl weiter Hogans Vorbild, wenngleich sein Vertrauen kurz nach dem Krieg durch eine 0:5-Niederlage Österreichs gegen eine süddeutsche Auswahl auf eine harte Probe gestellt wurde. Auf dem gefrorenen, ackerähnlichen Platz in Nürnberg erwies sich das Kurzpassspiel als untauglich. Der niedergeschlagene Meisl diskutierte die ganze Rückfahrt lang mit seinen Spielern, ob sie ihre Spielweise direkter und körperbetonter gestalten sollten. Auf gar keinen Fall, lautete die Antwort. Damit war der Grundstein für das österreichische „Wunderteam“ Anfang der 1930er Jahre gelegt, jener ersten großen Nationalauswahl, der ein Triumph verwehrt blieb. Unter Meisl, so schrieb Brian Glanville, „wurde Fußball beinahe zu einer Theatervorführung, einer Art Ballett unter Wettbewerbsbedingungen, bei dem die Torerzielung nichts anderes als einen Vorwand für das Weben von 100 komplizierten Mustern darstellte“.

      

      Grundsätzlich blieb die Schottische Furche aber weiterhin die Basis. Die Spielweise in Form einer radikalisierten Variante des schottischen Passspiels erwies sich allerdings als so verschieden von der in England praktizierten Weise, dass das „Scheiberln“ als eigenes System reüssierte. Technik war dabei zwar wichtiger als Robustheit, wurde aber in den Dienst der Mannschaft gestellt. In Südamerika wich der Fußball später sogar noch deutlicher vom ursprünglichen Vorbild ab. Auch hier stand die Technik hoch im Kurs, doch feierte man in Uruguay und besonders in Argentinien darüber hinaus vor allem Individualität und Selbstdarstellung.

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      Die Fußballregeln der Football Association erreichten Argentinien im Jahre 1867, als sie von der englischsprachigen Zeitung The Standard abgedruckt wurden. Noch im gleichen Jahr gründete sich als Ableger des Cricket Club der Buenos Aires Football Club. Fußball konnte sich aber zunächst nicht etablieren, und der Verein wechselte sechs Jahre darauf zum Rugby. Erst in den 1880er Jahren sollte der Fußball tatsächlich durchstarten, was in erster Linie Alexander Watson Hutton, einem Absolventen der Universität von Edinburgh, zu verdanken war.

      Hutton hatte sich als Lehrer an der St. Andrew’s Scotch School in Argentinien niedergelassen. Als die Schule sich weigerte, die Spielfelder zu erweitern, trat er zurück und gründete 1884 die English High School. Dort beschäftigte er einen Lehrer speziell für den Fußballunterricht. Bei der Reform der Fußballliga des argentinischen Verbandes im Jahr 1893 war Hutton eine der Schlüsselfiguren. Der Alumni Athletic Club aus Buenos Aires, der größtenteils aus Ehemaligen der English High School bestand, erhielt einen Startplatz in der ersten Liga und sollte sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts dominieren. Die Schulmannschaft selbst spielte in niedrigeren Klassen des Ligasystems. Man war jedoch keinesfalls die einzige Schule, die sich um Fußball kümmerte. Sechs der ersten sieben Meisterschaften entschieden Mannschaften für sich, die aus dem renommierten Internat Lomas de Zamora hervorgegangen waren.

      Einen ganz ähnlichen Verlauf nahm die Geschichte auch auf dem anderen Ufer des Río de la Plata. In Uruguay hatten junge Briten ebenfalls Kricket- und Ruderklubs gegründet, die Fußballabteilungen hervorbrachten, während auch hier britische Schulen den Fußball nach Kräften förderten. William Leslie Poole, Lehrer an der English High School zu Montevideo, war Huttons Pendant in Uruguay. Er gründete 1891 den Albion Cricket Club, dessen Fußballabteilung bald darauf Spiele gegen Mannschaften aus Buenos Aires austrug.

      Ein kurzer Blick auf die Mannschaftsaufstellungen verdeutlicht, dass die Spieler in jenen Anfangszeiten meist Briten oder Anglo-Argentinier waren, und dementsprechend war ihre Haltung.

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