Christentum und Europa. Группа авторов

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Christentum und Europa - Группа авторов Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie (VWGTh)

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zusammenträgt, die ganz überwiegend für das gesamte Euromediterraneum gelten.

      Statt der angekündigten geographisch-kulturellen Beschränkung nimmt er vielmehr tatsächlich eine andere vor, eine Beschränkung zeitlicher Art: Es kommt, von wenigen Nebenbemerkungen abgesehen, von der Antike nur die vorkonstantinische Teilepoche zur Sprache. Auch dies ergibt sich aus der alles leitenden Weichenstellung: Damals habe das Christentum besonders moderneaffine Erbschaften hervorgebracht. Doch scheint mir auch diese Beschränkung fragwürdig. Wenn vom Christentum im antiken Euromediterraneum die Rede ist, kann die nachkonstantinische Phase keinesfalls ausgeblendet werden, weil in ihr die christliche Imprägnierung dieses Raumes – und zumal des lateinischen Westens – erst eigentlich vor sich ging.

      Genug der Vorbemerkungen. Zur Sache selbst!

       1.

      Der Kontinent, den wir Europa nennen, war und ist ein Religionsimporteur. Eine auf eigenem Boden gewachsene Religion, die sich durchgehalten hätte, gibt es hier nicht. Damit soll nicht bestritten werden, dass in der Volksreligiosität ältere, bei den Völkern Europas selbst entstandene religiöse Vorstellungen und Bräuche über den Import außerhalb des Kontinents geborener Religionen hinaus am Leben blieben, dann meist als Aberglauben eingestuft, und es soll auch nicht in Abrede gestellt werden, dass die den importierten Religionen vorausgegangene religiöse Prägung die Rezeption des Importierten beeinflusst, zu dessen Inkulturation beigetragen hat. Doch eigene europäische Religionen im Sinne zusammenhängender Ensembles religiöser Vorstellungen und Riten haben sich hier nicht gehalten, sieht man von den fragwürdigen Rekonstruktionen folgenden Revitalisierungsversuchen im Nationalsozialismus und in neopaganen Bewegungen der Gegenwart ab.

       2.

      Mit Judentum, Christentum und Islam kamen die drei wichtigsten Importreligionen sämtlich aus dem vorderasiatischen Nahen Osten, die beiden ersten, deren eine die andere unmittelbar voraussetzte und sich als deren Transformation verstand, gar aus demselben nahöstlichen Land. Beschränken wir uns dem Thema dieses Kongresses gemäß auf das Christentum, so gilt für dessen Ausgangspunkt der Satz, mit dem Kollege Leppin seinen Vortrag anschaulich begann: »Jesus war ein Levantiner«, also ein Mann aus dem östlichen, asiatischen Mittelmeerraum. Auch die Apostel und fast alle Autoren des Neuen Testamentes waren »Levantiner«. Aus dem Judentum kommende Levantiner, deren heiliges Buch das Alte Testament war und deren Vorstellungen von Gott und Welt, Mensch und Gesellschaft, Zeit und Geschichte von ihrer ererbten jüdischen Herkunftstradition geprägt waren. Über sie wanderte dieses fremde, nichteuropäische Erbe in Europa ein.

       3.

      Ist damit der Gemeinplatz ausgesprochen, dass Europa und das Christentum keine wurzelhaft miteinander verbundenen Größen sind, stellt sich bei näherer Betrachtung das Bild doch komplizierter dar. Denn die jüdischen Levantiner, die Christusanhänger wurden, waren in ihrer Mehrzahl selbst bereits von einer Bewegung erfasst, die europäisch verwurzelt war, vom Hellenismus – jener Durchdringung des Orients durch griechische Kultur und Amalgamierung des griechischen Erbes mit orientalischen Elementen, die im Gefolge der Eroberungszüge Alexanders des Großen vonstattenging und die antike Welt nachhaltig veränderte. Und das nicht nur im Osten, sondern über das nächste Großreich, das römische, auch bis zum westlichen Ende des Mittelmeeres – eben in der Gesamtheit jenes Euromediterraneums, von dem schon die Rede war. Solche Zugehörigkeit zum hellenistischen Einflussbereich schloss Abwehrreaktionen nicht aus, wie die Geschichte des Judentums in jenen Jahrhunderten zeigt. Doch auch diese setzten das – intensivere oder lockerere – Einbezogensein in jene Welt voraus. D. h., auch die ersten Christen, die aus dem Judentum kamen und dessen Erbe, auf Jesus Christus hin gedeutet, an die Kirche weiterreichten, waren Teil des hellenistischen Kulturkreises. Mit dieser Feststellung will ich nicht die altehrwürdige, ebenso umstrittene wie uneindeutige These von der Hellenisierung des Christentums aufwärmen. Aber die Zugehörigkeit der ersten Christen zur hellenistischen Welt ist doch nicht zu leugnen. Die meisten von ihnen, wenn nicht alle – vielleicht vor ihnen sogar Jesus selbst –, sprachen zumindest auch Griechisch. Überwiegend bedienten sie sich eines der beiden einflussreichsten Textcorpora des Hellenismus, der Septuaginta, in der das jüdisch-orientalische Erbe in griechischer Gestalt erschien. Und bald darauf entstand vornehmlich in ihren Kreisen das andere der beiden Corpora, das ebenfalls griechische Neue Testament. In diesem Rahmen ging schon in den Anfängen des Christentums das östliche Erbe eine symbiotische Verbindung mit Mustern des Denkens, Handelns und der gesellschaftlichen Ordnung ein, die eine europäische Wurzel hatten – eine griechisch-europäische; Lateineuropa und sein Christentum waren hier zunächst nur Nutznießer. Wenn ich von einer symbiotischen Verbindung spreche, meine ich allerdings nicht, das frühe Christentum sei ganz hellenisiert worden – »das ist niemals völlig geschehen«2. Die östliche Erbschaft ging nicht ununterscheidbar in der Symbiose auf. Das zeigt sich etwa an den judenchristlichen Gemeinden, die nach einiger Zeit untergingen, und an der ostsyrischen Kirche, die bis zum heutigen Tag zur ökumenischen Familie gehört. Es zeigt sich aber auch, worauf ich hier nicht eingehen kann, an den theologischen Spannungen, die im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder zwischen der orientalischen und der europäisch-griechischen Erbschaft aufbrachen.

       4.

      Nur en passant, weil nicht in das Raster der Moderneaffinität passend, kommt bei Leppin eine der wichtigsten Prägungen zur Sprache, die die antike Welt und über sie unsere Welt bis heute vom Christentum empfing, der aus dem Judentum geerbte, doch an einem anderen Feiertag festgemachte Rhythmus der Siebentagewoche. Zu nennen wäre auch das Kirchenjahr mit dem am jüdischen Kalender orientierten Osterfestkreis und dem an pagane, vielleicht auch gnostische Festtradition angelehnten Weihnachtskreis. Wurde doch von hier aus das ganze Leben des Einzelnen und der Gesellschaft, das geistliche wie das profane, in einen neuen, für weite Teile der Welt bis heute regelhaften Jahresrahmen gestellt. Hinzuweisen wäre ferner auf die Klöster, deren Anfänge bereits in vorkonstantinischer Zeit liegen, mit ihrer großen Bedeutung schon für die antike Welt – mag diese Institution »moderneaffin« oder das Gegenteil sein.

       5.

      Die vier »Bereiche«, auf die Leppin sich konzentriert, »Individualisierung des Glaubens«, »universaler Geltungsanspruch«, »Zwang zum Reflexivwerden« und »Prozeduralität«, sind in der Tat wichtige Erbschaften des Christentums an die antike und über sie an die spätere Welt, mögen hier und da auch Anknüpfungspunkte im hellenistischen Judentum oder in der paganen Kaiserzeit festzustellen sein. Doch bildeten sie sich quer durch das gesamte Euromediterranneum heraus, nicht allein, ja nicht einmal primär im lateinischsprachigen Raum. Dass mit dem Christentum eine Religion in die antike Welt trat, für die jedenfalls in ihrer missionarischen Phase vorrangig die persönliche Entscheidung ausschlaggebend war und die exklusive Zugehörigkeit forderte und alle anderen Lebenskontexte relativierte, wenn nicht abschnitt, galt für die Christen in Ägypten und Griechenland nicht weniger als für die Roms und des lateinischen Nordafrikas. Ja, in der nächsten Phase, in der der quantitative Erfolg des Christentums die Zugehörigkeit zu ihm immer weniger als Sache entschlossener Einzelner erscheinen ließ, war es der Osten, der mit dem Mönchtum die Möglichkeit solcher »Individualisierung« nun innerhalb einer christlich werdenden Gesamtgesellschaft entwarf.

      Ebenso steht es mit den anderen drei von Leppin genannten Punkten. Die Überzeugung, dass die christliche Verkündigung universal gelte, die Wahrheit für alle Menschen biete, vertrat man im Osten des Euromediterraneums nicht weniger als im lateinischen Westen. Und niemand brachte sie in vorkonstantinischer Zeit so eindrücklich zur Geltung wie der Alexandriner Origenes. Origenes wäre in jener Teilepoche auch das glänzendste Beispiel für die »Reflexivität« des Christentums, die im Übrigen in dem aus dem Judentum

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