Weil du mich wärmst. Elle Brownlee
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Dan öffnete die Hintertür und schloss sie wieder. Etwa drei Meter hinter der Hütte fiel der Hang abrupt ab und davor war lediglich noch mehr dichtes, böses Dornengestrüpp.
Er suchte unter der Veranda, fand nichts und gab dann sein Bestes, die Seitenwände der Hütte zu überprüfen. Eine Seite war fast komplett von einer hässlichen, giftig aussehenden Pflanze mit glänzenden, rotbraunen Blättern verdeckt. Auf der anderen Seite gab es einen Schornstein, den er von innen nicht gesehen hatte. Er hatte sich von der Wand gelöst und neigte sich gefährlich auf eine Seite. Das Loch, das davon zurückgeblieben war, war mit Brettern vernagelt und das Dach mit Wellblech geflickt.
Keiner der Steine wackelte oder ließ sich herausziehen, aber der Schornstein selbst wirkte nicht gerade stabil, also tastete er das Fundament ab und bekam doch nichts außer schlammiger Knie und dreckiger Hände.
Dan seufzte frustriert und kramte den Zettel aus seiner Tasche.
Wenn du je hier heraufkommst, um deinen dummen großen Bruder zu sehen, wirst du das brauchen.
Die kryptischen Worte und der Schlüssel, um die sie gewickelt gewesen waren, waren alles, was er hatte – das und ihre Gespräche über die Hütte. Dan war sich sicher, dass beides zusammengehörte.
Als Kind hatte Dan Axe verehrt. Er war zehn Jahre älter und immer so stark und schnell und cool gewesen. Axe hatte einen anderen Vater, aber keiner ihrer Väter war bei ihnen geblieben. Da ihre Mutter sich kaum für sie interessierte, war Axe Dans ganze Welt gewesen. Er hatte ihm Schwimmen und Surfen beigebracht und wie man zu einem Mann heranwuchs, zumindest versuchte er es so gut, wie ein Teenager das konnte. Aber zehn Jahre Altersunterschied waren zu einer Kluft zwischen ihnen geworden, als sie zehn und zwanzig gewesen waren und Axe der Küstenwache beigetreten war. Danach war er aus Dans Leben verschwunden.
Dan war ihm wieder gefolgt und am Tag seines Schulabschlusses zur Küstenwache gegangen. Aber er hatte es ebenso für sich selbst gewollt, wie er seinem älteren Bruder hatte nachfolgen wollen. Er liebte das Wasser und das Schwimmen, den Rausch der Rettung. Eine Karriere und seine Zukunft darauf aufzubauen, ergab einfach Sinn. Er hatte geschuftet, um in allem die besten Noten und Zeugnisse zu bekommen, hatte seine erste Dienstperiode in Kalifornien absolviert und sich Hawaii zum Ziel gesetzt.
Das hatte er aufgegeben, als Axe für tot erklärt worden war. Es war leicht gewesen, nach Alaska versetzt zu werden, da es nicht gerade eine gefragte Station war. Alles andere hingegen war weniger leicht. Mehr Fragen zu finden als Antworten, verlangsamte seine Nachforschungen nur, aber es würde ihn nicht davon abbringen.
Dan musste herausfinden, was passiert war. Er konnte nicht akzeptieren, dass ein so guter und erfahrener Schwimmer wie Axe ohne jede Spur verschwunden war. Entweder war Axe gar nicht auf See verschollen oder es war komplizierter als das. Sie hatten sich im Laufe der Jahre vielleicht auseinandergelebt, aber manche Dinge wussten Brüder einfach voneinander.
Es war eine dumme Idee, in den Spalt zwischen Schornstein und Wand zu klettern, trotzdem stieg er natürlich sofort hoch.
Auch nichts. Nichts unter dem schleimigen Plastikdach, nichts in den Löchern, die die Spechte in dichten Linienmustern in die Holzwand gebohrt hatten. Er änderte seinen Griff, um sich umzudrehen und wieder herunterzuklettern, und musste sich schwer gegen die Wand lehnen. Er ahnte den Fall, bevor er tatsächlich geschah.
Holz ächzte und splitterte und Dan ruderte mit den Armen. Er landete hart auf dem Rücken, der Atem wurde aus seinen Lungen gepresst und Dunkelheit waberte in seinem Sichtfeld auf. Er sog Luft ein und versuchte, die Wand wegzuschieben, die ihn gefangenhielt. Aber es war zu schwer, zu eng.
Die Dunkelheit kam näher und schwächte ihn. Er schloss die Augen, nur eine Minute lang, um neue Kraft zu sammeln, kam allerdings wieder zu sich, als etwas anderes neben ihm krachte.
Er stellte sich vor, was passieren würde, wenn der Schornstein nachgab und der Wand folgte. Dann malte er sich aus, wie er durch den morschen Boden stürzte, Tetanus bekam oder sich ein Bein brach und zusammen mit allem anderen dalag und verrottete.
Er kam zu Atem und schaffte es, ein Bein unter den Trümmern der Wand hervorzuziehen. Er zog das Knie an, stellte den Fuß auf die Bretter und schob. Dann kroch er rückwärts, so schnell er konnte. Die Bretter hoben sich weit genug, dass er sich befreien konnte, und krachten wenige Zentimeter neben ihm wieder herab. Helle Punkte blinkten in seinem Sichtfeld auf und er hustete ätzenden Staub, der in seiner Kehle und seinen Lungen brannte.
Er stolperte auf die Veranda und entfernte sich von der Hütte, zu benommen, um sauer oder enttäuscht zu sein. Er sah nicht auf die Uhr, sondern senkte den Kopf und rannte los. Der abgenutzte Jeep stand vor dem Laden und Karl wartete auf dem Fahrersitz.
Dan hatte keine Erklärung, also versuchte er gar nicht erst, eine schlechte Ausrede vorzuschieben. »Tut mir leid.«
Karl sah auf seine Uhr. »Wir werden gerade rechtzeitig zurück sein.«
»Ich bin weiter gegangen als geplant und hab länger gebraucht als erwartet.« Dan breitete die Arme aus. »Alle haben mich gewarnt, dass Entfernungen hier draußen schwerer abzuschätzen wären, aber ich hab nicht gemerkt, wie wahr das ist.«
»Bist du in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen?« Karl musterte Dan sorgfältig und fuhr mit einem Finger leicht über dessen Knie.
Dans ganzer Körper kribbelte und er senkte den Blick, weil Karl noch nicht losgelassen hatte. Karl schnalzte mit der Zunge und lehnte sich vor, nah und warm, und als Dan den Kopf drehte, streiften sich ihre Nasen. Sie blinzelten – zu nah, zu warm –, Karl atmete aus und griff unter Dans Sitz.
Er konnte nur dumm dasitzen, während Karl den Erste-Hilfe-Koffer öffnete und sich um einen Schnitt an Dans Knie kümmerte, der ihm erst aufgefallen war, als Karl darauf gedeutet hatte. Karl klebte ein Pflaster darauf und legte eine Hand auf Dans Knie – heiß, aber sanft. Dann untersuchte er ihn auf weitere Verletzungen.
»Die Dornen haben mich erwischt.« Dans Stimme war dünn, er versuchte, sein Knie nicht unter Karls Hand wegzureißen. Es würde seltsam wirken und schmerzen. Er redete sich ein, dass das Brennen unter Karls Berührung von der Benommenheit kam, weil er zu weit und zu schnell gerannt war.
Er zog seine Nase kraus, da er den chemischen Geruch noch immer riechen konnte. Er lehnte sich an die Kopfstütze zurück, drehte sich, um das Gesicht im Kapuzenpulli zu vergraben, und sog den frischen, würzigen Duft ein, der dem Stoff noch anhaftete.
Karl summte unbestimmt und schob Dan eine kalte, feuchte Flasche in die Hand. Er öffnete sie und stürzte das Wasser herunter.
»Danke. Und danke, dass du gewartet hast.«
»Natürlich.« Karl packte das Erste-Hilfe-Set ein, verstaute es im Fußraum der Rückbank und studierte Dan noch eine Minute. »Lass dich von Gent ansehen, wenn wir zurückkommen. Okay?«
Dan nickte.
Karl startete den Jeep, fuhr rückwärts vom Parkplatz und schaltete, sodass sie einen Satz nach vorne taten. Wenn er neugierig darauf war, warum Dan in den Ort lief, nur um dann gefühlt mehrere Stunden lang umherzuirren, zeigte er es nicht. Er machte ihm keine Vorhaltungen oder stellte Fragen. Er plauderte nicht einmal. Es ärgerte Dan, dass er den Small Talk von vorhin vermisste.
Wenn stattdessen Axe auf ihn gewartet hätte, hätte er ihm längst das Fell über die Ohren gezogen.