Politische Justiz. Otto Kirchheimer

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Politische Justiz - Otto Kirchheimer

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gewährt als die Treuepflicht gegenüber einer herrschenden Person. Gilt die Treuepflicht einer Einzelperson, so kann es überaus gefährlich sein, die Grenze zwischen einer Einschränkung der Vorrechte des Herrschers und dem Versuch seiner Beseitigung zu überschreiten. Und dass der Historiker in bestimmten religiösen, gesellschaftlichen und politischen Strukturen die Lücken zu erkennen vermag, durch die in diese Gebilde politischer Wandel eingedrungen ist, bedeutet noch lange nicht, dass jedes Regime seinen Untertanen die Freiheit einräumt, sich für Neuerungen einzusetzen und auf ihnen zu beharren. Noch ein anderes kommt hinzu. Das Verlangen nach grundlegendem Wandel kann sich lange Zeit als sein Gegenteil präsentiert haben: sei es als Forderung nach verbürgter Freiheit des Vorgehens gegen Anschläge der Machthaber auf verbriefte politische Rechte und Positionen, sei es als Versuch, das Recht auf Widerstand gegen Übergriffe der Machthaber, das sich nie wirklich organisieren lässt, in eine organisierte Form zu bringen.

      Das republikanische Rom ließ bei maiestas-Delikten die Zeugenaussage eines Sklaven, der gefoltert werden durfte, sowohl zugunsten als auch zuungunsten seines Besitzers gelten. Seit den Zeiten des Tiberius durften in Verfahren, bei denen es um die Verletzung der maiestas ging, auch Bürger der Folter unterworfen werden. Von der Werdezeit der westlichen Staaten im 13. Jahrhundert bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts akzeptierten die Gerichte der Territorialherrscher ebenso wie die kirchlichen Gerichte die Folter als normalen Bestandteil des Untersuchungsverfahrens. (Heute sind solche Praktiken weniger allgemein oder weisen allenfalls ein offiziöses, kein offizielles Gepräge auf.) Zur Entwicklung der Inquisition hatte das brennende Interesse der Kirche an der Bekämpfung abweichender Glaubensvorstellungen Entscheidendes beigetragen.

      In damaligen Zeiten erlegten sich die Machthaber, sofern ihre Interessen betroffen waren, bei der Festlegung und Anwendung der Normen nur minimale Beschränkungen auf, und wo Vorteile zu erlangen waren, wurde auf sie selten verzichtet. Landläufige Vorstellungen über die Förmlichkeit der rechtlichen Handhabung politischer Fälle in früheren Perioden stammen aus der ganz anderen Atmosphäre des 19. Jahrhunderts und müssen in die Irre führen. Politische Strafverfahren wurden oft im Handumdrehen abgewickelt, sofern nicht besondere politisch-taktische Erwägungen, die politische Position des Angeklagten oder die Stärkeverhältnisse unter den Prozessbeteiligten dagegen sprachen; so war es jedenfalls bis zum 18. Jahrhundert: Bis dahin konnte ein Verteidiger kaum Einfluss auf die Prozessführung nehmen, und die Ladung von Zeugen, die zugunsten des Angeklagten aussagen könnten, wurde oft radikal beschnitten. In vielen Ländern wurden politische Fälle hinter verschlossenen Türen als geheime Staatssache erledigt; verhört, und bisweilen endlos verhört, wurde im geheimen, auch dort, wo es dem Staat auf größere Publizität ankam. Mochte der Widersacher der herrschenden Mächte ein Adliger sein, der im Verdacht stand, Ränke geschmiedet zu haben, um einen Personenwechsel an der Spitze herbeizuführen, oder ein Würdenträger, der in Ungnade gefallen war, oder ein gewöhnlicher Bürger, der sich an einem Zusammenschluss religiös Abtrünniger beteiligt hatte: Seine Aburteilung war eher Sache der Staatsräson als Sache der Rechtspflege. In der Regel war der Angeklagte besser beraten, wenn er sich darauf verließ, erhört zu werden, sobald er die Obrigkeit um Gnade anflehte, als wenn er sich darauf versteifte, seiner eigenen Interpretation des Verhaltens, das ihm vorgeworfen wurde, Gehör und Geltung zu verschaffen.

       2. Zeitalter der Rechtsstaatlichkeit

      In weitem Rahmen vollzog sich ein umwälzender Wandel im 18. Jahrhundert. Die erste Englische Revolution hatte es erreicht, dass dem Staatsbürger die Freiheit zugebilligt wurde, für seine beruflichen, besitzrechtlichen und auch – was allerdings zweifelhaft blieb – religiösen Interessen einzutreten.

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