Politische Justiz. Otto Kirchheimer
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Welche Probleme die Anwendung der Sicherheitsgesetzgebung für Stil und Atmosphäre des politischen Lebens mit sich bringt und wie sie das Gesamtklima der politischen Auseinandersetzungen in verschiedenen Ländern beeinflusst, wird in der weiteren Darstellung zu beleuchten sein.
1 P. Cornelius Tacitus: Annalen, I, 72 und 73; III, 22; XVI, 30 f.; vergleiche Theodor Mommsen: Römisches Strafrecht, Graz, 1955 (unveränderter photomechanischer Nachdruck der Ausgabe von 1899), S. 584 f.
2 Das Urteil wurde zwar vom Appellationsgericht aufgehoben, aber nicht etwa weil die höhere Instanz die weltliche Gerichtsbarkeit für unzuständig angesehen hätte. Sie behalf sich mit der unanstößigsten und unüberprüfbarsten aller Rechtskategorien: Dem streitbaren Kleriker wurde das Fehlen eines schuldhaften Vorsatzes zugutegehalten; siehe Fall Fiordelli, Appellationsgericht von Florenz, Urteil vom 1. März 1958, in: Il Foro Italiano, Jahrgang LXXXIII, Teil II, Sp. 741.
3 Vergleiche das unveröffentlichte Urteil des 3. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 27. November 1959, 9 StE 4/59 (Verurteilung nach § 100e Abs. 1 des Strafgesetzbuchs wegen »Beziehungen« zu »einer Einrichtung außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des Strafgesetzbuches«, die »die Mitteilung von Staatsgeheimnissen … zum Gegenstand hatten«). Die Angeklagte war als Sekretärin beim Landesverband Oder-Neiße der CDU beschäftigt und hatte dem Ministerium für Staatssicherheit der DDR Informationen aus dem Parteibereich über Personen, Tagungen, Beschlüsse, Wahlvorbereitungen, Reisen und dergleichen mehr übermittelt. Solche Dinge, sagte das Gericht, stellten »für sich allein keine Staatsgeheimnisse« dar; die Angeklagte habe aber »in einer zentralen Stelle der Regierungspartei« gearbeitet, sei dadurch mit Personen zusammengekommen, »denen Staatsgeheimnisse bekannt sind«, und das Ministerium für Staatssicherheit habe damit rechnen können, »daß die Angeklagte im Laufe der Zeit in nachrichtendienstlich noch ergiebigere Stellungen aufrücken würde«. Mit der Verurteilung der Angeklagten wegen potentieller, nicht tatsächlicher Preisgabe von Staatsgeheimnissen benutzt der Bundesgerichtshof die Wand, hinter der das Gesetz Staatsgeheimnisse verwahren wollte, dazu, auch parteiinterne Vorgänge, die in einer Demokratie im weitesten Umfang publik sein sollten, mit einem Geheimnisschutz zu versehen, dessen Missachtung Gefängnis nach sich zieht.
4 Im Jahre 1876 eingefügter § 353a des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich (»Arnim-Paragraph«). Karl Binding: Lehrbuch des gemeinen deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, Zweiter Band, Zweite Abteilung, Leipzig, 1905, S. 495, nennt dies Bismarcksche Erzeugnis »ein häßliches und totgeborenes Gelegenheitsgesetz«.
5 The Statutes of the Realm. From Original Records and Authentic Manuscripts, printed by command of H. M. King George the Third in pursuance of an address of the House of Commons, Volume III, London, 1816, S. 859.
6 Christoph Heinrich Brecht: Perduellio. Eine Studie zu ihrer begrifflichen Abgrenzung im römischen Strafrecht bis zum Ausgang der Republik, München, 1938, S. 191 ff.
7 Corpus iuris civilis, Iustiniani digesta. XLVIII, IV, 11.
8 Frederick Pollock und Frederick William Maitland: History of English Law before the Time of Edward I, Band 2, Cambridge, 1895, S. 501.
9 Pollock/Maitland: Ebda., S. 505. Vergleiche auch Heinrich Mitteis: Politische Prozesse des frühen Mittelalters in Deutschland und Frankreich (Jahrgang 1926/27 der Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophischhistorische Klasse), Heidelberg, 1927, insbesondere den Bericht über den Prozess des Markgrafen Ekbert von Meißen, S. 41; über die Unbestimmtheit des fränkischen Infidelitätsbegriffes siehe Victor Ehrenberg: Commendation und Huldigung nach fränkischem Recht, Weimar, 1877, S. 116 f.
10 Mommsen: Römisches Strafrecht … (siehe oben Anmerkung 1), Viertes Buch, 1. Abschnitt, II, S. 550 f.
11 Armand Du Plessis, Cardinal Duc de Richelieu: Maximes d‘État, ou Testament Politique, Teil 2, Paris, 1764, S. 27 f.
12 Thomas Baily Howell (Hg.): A Complete Collection of State Trials and Proceedings for High Treason and Other Crimes and Misdemeanors from the Earliest Period to the Present Time, Band XII (1687 - 1696), London, 1812, S. 427. Vergleiche die Darstellung des Prozesses und seiner Vorgeschichte bei T. B. Macaulay: History of England from the Accession of James the Second, Kapitel VIII (in den deutschen Übersetzungen von Friedrich Bülau in Band 2, Leipzig, 1849, von Heinrich Paret in Band 3, Stuttgart, 1850, von Wilhelm Beseler in Band 3, Braunschweig, 1854).
13 James Boswell: Life of Johnson, Band II, London: Routledge & Sons, ohne Jahr {1890}, Kapitel VII {1773}.
14 Schon 1610 hatte diese Unterscheidung Farinacius (Prospero Farinacci) vorgeschwebt, ohne dass er versucht hätte, sie systematisch anzuwenden; vergleiche Johannes Martin Ritter: Verrat und Untreue an Volk, Reich und Staat, Ideengeschichtliche Entwicklung der Rechtsgestaltung des politischen Delikts in Deutschland bis zum Erlass des Reichsstrafgesetzbuchs (Schriften der Akademie für Deutsches Recht, Gruppe Strafrecht und Strafverfahren, Nr. 12), Berlin, 1942, S. 244, Anmerkung 423.
15 Howell: A Complete Collection of State Trials … (siehe oben Anmerkung 12), Band XXIV, London, 1818, S. 1371.
16 Er hätte verurteilt werden können, wenn sich die Anklagebehörde weise Zurückhaltung auferlegt und ihn nur des Aufruhrs