Politische Justiz. Otto Kirchheimer

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Politische Justiz - Otto Kirchheimer

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stellvertretend herausgesuchte Handlungen. Nicht jedes politisch anrüchige Verhalten lässt sich unter ein gesetzliches Verbot bringen. Den, der sich so verhält, kann man dennoch strafrechtlich belangen, wenn er sein Verhalten – aus freien Stücken oder notgedrungen – so bekundet, dass es zum Gegenstand einer Meineids- oder einer Beleidigungsklage gemacht werden kann. Daneben gibt es eine geographisch begrenzte Untergattung: Das Verfahren wegen Ungebühr vor Gericht oder vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, das im heutigen Amerika dazu dient, politische Gegner dafür zu bestrafen, dass sie sich weigern, die verlangten Auskünfte über bestimmte politische Angelegenheiten zu geben.5

      In den folgenden Abschnitten sollen die skizzierten Kategorien politischer Prozesse an konkreten Fällen dargetan werden. Dabei werden auch historische Hintergründe, Vorgeschichte und politische Auswirkungen zur Sprache kommen.

       2. Der Mordprozess eine politische Waffe

      Vielerlei lässt sich in politischen Konflikten mit einem Kriminalprozess anfangen. Wenn ein Verbrechen unzweifelhaft vorliegt, kann die Person des vermeintlichen oder wirklichen Täters die Gelegenheit bieten, aus dem Prozess politisches Kapital zu schlagen. Oder der Prozess selbst entspringt – zum Beispiel bei Korruptionsbeschuldigungen – unablässigen Bemühungen gegnerischer politischer Gruppen, sensationellen Enthüllungen einer Zeitung, die ihre Auflage zu erhöhen sucht, oder der hartnäckigen Verfolgungssucht eines Menschen, der eine persönliche Rechnung zu begleichen hat.

      Ebenso gut kann es sein, dass sich eine neue Elitegruppe, der giftsprühende Angriffe auf die Ehre und Sauberkeit ihrer Vorgänger zur Macht verholfen haben, einen Gewinn davon verspricht, dass sie die Vergangenheit der Besiegten durchkämmt und genug Schmutz aufwirbelt, um die Männer des gestürzten Regimes auf die Anklagebank zu bringen. Machthaber vom totalitären Schlage, die gerade an die Macht gekommen sind, können selten der Versuchung widerstehen, mit der alten Ordnung liierte Gruppen, die kaum je den Gefahren politischer Strafverfolgung ausgesetzt waren, auf besondere Art in Misskredit zu bringen: Geistlichen einer Kirche, der man nicht direkt an den Wagen fahren kann, werden beispielsweise Anklagen wegen homosexueller Betätigung, Steuerhinterziehung oder Devisenvergehen angehängt. Dem Gegner werden kleine Unebenheiten auf dem Wappenschild angekreidet (die sich allerdings gegenüber den Verunzierungen auf dem Wappenschild der neuen Herren höchst harmlos ausnehmen), und dem Publikum wird das erschütternde Panorama einer Gesellschaft vorgeführt, die an innerer Entartung hätte eingehen müssen, wäre sie nicht im letzten Augenblick durch den wundertätigen Eingriff der neuen Machthaber gerettet worden.

      Möge die Rahmengeschichte ein belangloser Vorgang aus dem Leben des Alltags, der geplante und vorbereitete Anschlag einer gegnerischen Organisation oder folgerichtige und systematische Ehrabschneiderei sein: Es gibt kaum eine Gattung krimineller Delikte, die banalsten und die ungewöhnlichsten nicht ausgenommen, die man nicht dazu benutzen könnte, politische Leidenschaften zu entfachen. Höchst dramatisch lässt sich die Aufführung gestalten, wenn die Anklage auf Mord lautet, das Mordopfer ein Parteiführer und der Angeklagte ein prominenter Vertreter der Gegenpartei ist. Diese Art Feuerwerk prasselte auf die politische Bühne eines amerikanischen Gliedstaats, des Commonwealth of Kentucky, an der Schwelle des 20. Jahrhunderts hernieder.

      Zum ersten Mal seit 1859 hatten es die Republikaner 1895 fertiggebracht, die Gouverneurwahlen von Kentucky zu gewinnen: Eine wirtschaftliche Flaute und die Spaltung der Demokraten in der Frage der Silberwährung hatten die Wahl des republikanischen Kandidaten William O. Bradley mit der geringfügigen Mehrheit von 8.912 Stimmen ermöglicht. Die Volksvertretung des Staates blieb jedoch in den Händen der Demokraten. Nachdem sie 1897 eine starke Gruppe von Anhängern der Goldwährung aus der Partei hinausgedrängt hatten, wurde ihre Organisation mit eiserner Faust von William Goebel (1856 - 1900), Fraktionsführer im Kentucky-Senat, regiert. Goebel hatte sich in zähen und erbitterten Kämpfen emporgearbeitet. Weder ein Anhänger der südlichen Feudaltradition noch ein Vorkämpfer der Bürgerkriegsveteranen der Südstaaten, stand er in enger Verbindung mit dem demokratischen Parteiapparat der industriell höher entwickelten nördlichen und westlichen Kreise des Staates; seinen Aufstieg im politischen Getriebe verdankte er einer schroffen Kampfhaltung gegen mächtige Interessentengruppen, namentlich gegen die Eisenbahngesellschaften und ihre republikanischen Fürsprecher. Unter seiner Führung heimsten die Demokraten bei den Wahlen zu den gesetzgebenden Körperschaften des Staates 1897 und zum Kongress 1898 beträchtliche Gewinne ein; der Machtkampf blieb unentschieden.

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