Politische Justiz. Otto Kirchheimer

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Politische Justiz - Otto Kirchheimer

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gestellt und zu fünfjähriger Festungshaft verurteilt wurde. Die Aussagen dieser Funktionäre kreisten um einen einfachen Gedankengang: Nachdem der sozialdemokratische Parteivorstand von Anfang an gegen den Streik gewesen sei, habe er sich für die Teilnahme an der Streikleitung entschlossen, um den Streik auf diese Weise so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen; selbstverständlich habe Ebert diesen Vorstandsbeschluss befolgt. Darüber hinaus wurde die insgesamt vaterlandstreue Haltung der Sozialdemokratischen Partei hervorgehoben, die 1917/18 von allen Regierungsorganen lobend anerkannt worden sei. Eberts eigene Darstellung deckte sich im Wesentlichen mit den Aussagen dieser Zeugengruppe.

      Die zweite Gruppe bildeten Zeugen, die linkssozialistischen Gruppierungen entweder früher angehört hatten oder noch angehörten, der Sozialdemokratischen Partei mehr oder minder feindlich gegenüberstanden und am Streik von 1918 in dieser oder jener Form teilgenommen hatten; auch der einstige Vorsitzende der Berliner Streikleitung, der Kommunist geworden war, war darunter. Diese Zeugen betonten, dass der sozialdemokratische Parteivorstand aus höchst eigensüchtigen Motiven zur Streikleitung gestoßen sei, um das Ansehen der Mehrheitspartei in den Augen der Arbeitermassen zu heben; in den Jahren zuvor habe die Partei infolge ihrer überpatriotischen Haltung schwere Einbußen erlitten. Außer einem einzigen Zeugen, der inzwischen zur extremen Rechten abgeschwenkt war, bestätigten diese Linken bereitwilligst, dass Ebert – wenn auch vergebens – versucht habe, die Forderungen der Streikenden abzumildern; von ihrem Standpunkt aus war Ebert damit nur noch mehr als »Sozialpatriot« belastet. Mit dieser Version stimmte die Darstellung eines parteilosen Zeugen überein, der Eberts Treptower Rede vom 31. Januar als Journalist gehörte hatte. Eberts Dilemma, meinte er, habe darin bestanden, dass er sich einerseits gegen eine äußerst kritische Zuhörerschaft habe durchsetzen müssen, ihr aber anderseits nicht allzu sehr habe entgegenkommen können, um sich nicht mit seiner eigenen Politik in Widerspruch zu setzen: einer Politik der entschiedensten Landesverteidigung bis zu einem Zeitpunkt, zu dem der Abschluss eines ehrenhaften Friedens möglich geworden wäre.

      Die größte öffentliche Beachtung zog die dritte Gruppe auf sich, die gleichsam bestellten Zeugen. Sobald das politische Potential des Prozesses in Rechtskreisen erkannt worden war, unternahm es ein als Berliner Lokalgröße bekannter deutschnationaler Landtagsabgeordneter, im Nebenberuf Pfarrer, Zeugen zu suchen, die mit »interessanten« Aussagen aufwarten könnten. Mit ihrer Vernehmung verschob sich das Schwergewicht der Beweisaufnahme von Eberts umstrittenen Beweggründen und Zielen zu den konkreten Vorgängen in der Versammlung vom 31. Januar. Jetzt tauchte die Behauptung auf, Ebert habe in Treptow auf eine schriftliche Frage, wie sich die Arbeiter gegenüber Einberufungsbefehlen zu verhalten hätten, antworten müssen. Ohne Zweifel war die Frage von brennendem Interesse, denn die Behörden hatten seit Kriegsbeginn »Rädelsführer« der Unzufriedenen und Murrenden dadurch mundtot zu machen gesucht, dass sie sie als Soldaten einzogen. Nun hieß es, Ebert habe den Streikenden den Rat gegeben, Gestellungsbefehle nicht zu beachten. Ebert selbst konnte sich an den Vorgang nicht mit voller Klarheit erinnern. Allerdings widersprachen solche zweifellos präparierten Aussagen nicht nur der bis dahin bekannten Gesamtlinie der Ebertschen Politik, sondern auch dem, was bei Diskussionen im sozialdemokratischen Parteivorstand zu diesem konkreten Punkt geäußert worden war. Überdies wurde das Hauptparadepferd unter diesen organisiert zusammengesuchten Zufallszeugen, dessen Behauptungen den politischen Bedürfnissen der äußersten Rechten am ehesten entgegenkamen, so gründlich diskreditiert, dass das Urteil seiner Aussage keine Beachtung schenkte.

      Eine vierte Gruppe stellten offizielle Persönlichkeiten aus der Kriegszeit, darunter auch Generale und Polizeioffiziere, bestimmt keine Freunde oder Anhänger der Sozialdemokraten. Nichts, was Ebert belastet hätte, kam aus Polizeiberichten über den Streik zum Vorschein. Die Aussagen der Generale, Beamten und Politiker zeigten Unterschiede, die offenbar mit ihrer verschiedenen politischen Einstellung zur Zeit des Prozesses zusammenhingen. Die einen sprachen von der Munitionsknappheit, die möglicherweise durch Streiks verursacht worden sei, oder deuteten an, dass ihre Kriegsanstrengungen bei den Sozialdemokraten keine ausreichende Unterstützung gefunden hätten. Die anderen unterstrichen umgekehrt die großen Verdienste der Sozialdemokraten um die Landesverteidigung und die Stärkung der nationalen Abwehrkraft. Eberts Anwälte konnten dem Gericht sogar einen Brief Hindenburgs vom Dezember 1918 vorlegen, in dem Ebert Vaterlandsliebe und patriotische Gesinnung bescheinigt wurden.

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