Politische Justiz. Otto Kirchheimer

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Auch von ihrem Standpunkt aus musste bedacht werden, dass seit Jahren nicht nur ostdeutsche Gelder nach dem Westen, sondern auch westdeutsche Gelder nach dem Osten flossen, zum Beispiel von kirchlicher Seite für kirchliche Zwecke; als Mitglied des Rates der Evangelischen Kirche musste Agartz’ Verteidiger Gustav Heinemann über das Ausmaß dieser interzonalen Spenden ausreichend unterrichtet und in der Lage sein, die Richter gegebenenfalls inoffiziell auf die Tragweite etwaiger östlicher Repressalien aufmerksam zu machen. Nicht nur waren den DDR-Behörden Zuwendungen an Kirchenstellen in ihrem Bereich mindestens ebenso unerwünscht wie in den Augen des Westens östliche Subventionen an westliche Publikationen, sondern es war ihnen auch jeder Vorwand willkommen, die Kontrolle kirchlicher Organisationen zu verschärfen.86

      Logischerweise kommen solche Konsequenzen in einem gespaltenen Land, in dem es auch über rein technische Kontakte hinaus noch Gemeinsamkeitsbereiche gibt, am schärfsten zum Ausdruck. Da aber im Spielraum der politischen Freiheit hüben und drüben sehr beträchtliche Unterschiede bestehen, fallen der östlichen Staatsgewalt zusätzliche Möglichkeiten in den Schoß: Sie kann die weiterreichende Freiheitssphäre ihres westdeutschen Gegners für ihre eigenen Zwecke ausnutzen. Jeder Versuch, diesen strukturellen Nachteil des Westens zu reduzieren, ohne dass der Andersdenkende dabei zwangsweise zum Gefangenen würde, scheint der Quadratur des Zirkels zu gleichen. Besonders nachdem es in Westdeutschland Sitte geworden ist, Lehrmeinungen nur zum Umlauf zuzulassen, wenn sie ein einwandfreies Herkunftszeugnis vorweisen können, werden solche subtilen Unterscheidungen umso unerlässlicher sein, je schwieriger sie sich gestalten werden.

       5. Prozesspraxis außerhalb des rechtsstaatlichen Raums

      Rechtsstaatliche, verfassungsmäßige Regierungen haben es in der Geschichte nicht selten zuwege gebracht, die Betätigungsmöglichkeit ihrer Gegner drastisch zu beschneiden. Wenn sie aber diese Gegner aus dem Leben des Staatsgebildes ganz und gar – sei es durch Tod, sei es durch Freiheitsentzug – ausschalten wollen, müssen sie sich der Apparatur des Gerichts bedienen und alle vorher beschriebenen Risiken und Gefahren, die einem solchen Verfahren anhaften, auf sich nehmen. Wenn hier von rechtsstaatlichem oder nichtrechtsstaatlichem Raum, von verfassungsmäßigen oder nichtverfassungsmäßigen Bedingungen die Rede ist, so ist damit keine polemische Absicht verbunden. Dass ein Regime außerhalb des rechtsstaatlichen Raumes liege oder nicht unter verfassungsmäßigen Bedingungen funktioniere, sind Kurzformeln, die zwei Dinge bezeichnen sollen: einmal ein hohes Maß der Unterordnung des Justizapparats unter die politische Herrschaftsstruktur der Gesellschaft, zum andern das, was daraus folgt: dass die Gerichte beim Ausgleich der Interessen des Einzelmenschen auf der einen und der herrschenden Staatsordnung auf der anderen Seite keine oder eine nur geringfügige Rolle spielen.

      Die

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