Politische Justiz. Otto Kirchheimer

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Politische Justiz - Otto Kirchheimer

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Misserfolg.93

      Im Grunde lässt ein Prozess dieser Art die Kämpfenden in der Lage verharren, in der sie sich vor dem Prozess befunden hatten. Die entscheidenden Positionen bleiben, sowohl was das herrschende Regime als auch was seine Gegner angeht, in Gefolge des Prozesses unverändert. Da das Regime über sämtliche Machtmittel verfügt, wird es nicht verfehlen, das, worauf es ihm ankommt, gebührend herauszukehren, aber seinem Gegner lässt es – sei es aus Ritterlichkeit, sei es aus Gleichgültigkeit, sei es aus einem unerschütterlichen Überlegenheitsgefühl – die zweifelhafte Genugtuung, an die Geschichte appellieren zu dürfen. Natürlich benutzen beide Seiten alle erreichbaren Propagandakanäle, um ihre gegensätzlichen Versionen an den Mann zu bringen, wobei das Regime den Inlandsmarkt und sein Gegner häufig den Auslandsmarkt monopolisiert.

      Bei solchen Prozessen gelten indes immer noch viele traditionelle Vorstellungen. Obgleich auch diese Prozesse dem Sicherheitsbedürfnis des Regimes Rechnung tragen, bleibt die Lösung, die sie bieten, äußerlich und unbefriedigend. Außer, wenn es dem Regime gelingt, den Gegner in einer Frage von unverkennbarer moralischer Tragweite in die Enge zu treiben, lässt das Gerichtsverfahren die Herrschaftsordnung weder legitimer noch weniger legitim erscheinen. Die Hürde, die nicht genommen werden kann, ist augenscheinlich der Angeklagte. Könnte dem Angeklagten im Rahmen eines Inszenierungsplans, der um eine objektive Situation herum aufzubauen wäre, eine bestimmte Rolle zugewiesen werden, so könnten die Machthaber den Prozess eher dazu benutzen, nach ihren Wünschen die Geschichte zu lenken: Der Prozess brächte dann nach den Bedürfnissen des Regimes die verlangten Bilder und Vorstellungen hervor. Er käme also als erzieherische Manipulation dem Ziel näher, in den Köpfen der Menschen eine nach dem Ebenbild der Machthaber veränderte Wirklichkeit entstehen zu lassen.

      b) Fehlschlag eines Inszenierungsplans

      Ob Grünspan von den französischen Behörden zu Recht ausgeliefert worden war, erschien ebenso zweifelhaft wie die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit. Schon das allein bereitete den deutschen Behörden einiges Kopfzerbrechen. Darüber hinaus stand aber die Reichsanwaltschaft vor einer viel gewichtigeren praktischen Schwierigkeit. Spätestens 1942, vielleicht schon früher, ließ Grünspan die These fallen, dass er die Tat vollbracht habe, um gegen die Hitlersche

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