Golf von Neapel Reiseführer Michael Müller Verlag. Andreas Haller
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Was unternehmen?
Neapolitanischer Alltag: Die Metropole am Golf besticht nicht nur durch Kunst und Architektur, sondern bietet auch bemerkenswert ungeschützte Einblicke ins Seelenleben der Stadt. Streifzüge durch Straßen und Gassen sind der beste Weg, um Farben und Formen, Gerüche und Flair aufzusaugen. Der Fischmarkt an der Porta Nolana ist die perfekte Einstimmung in Sachen neapolitanischer Alltag. → Link
Teatro San Carlo: Eines der berühmtesten Opernhäuser der Welt liegt mitten im Zentrum und kann im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Ein Highlight! → Link
Wo essen?
Wie in jeder Metropole gibt es auch in Neapel noble Gourmettempel. Es überwiegen jedoch einfache Lokale, in denen man preiswert und landestypisch essen kann. Restaurants in großer Zahl befinden sich rund um den FS-Bahnhof, im Spanischen Viertel und in der Altstadt um Via Tribunali und Spaccanapoli. Teurer wird das lukullische Vergnügen in Santa Lucia am Meer oder am Jachthafen von Mergellina.
Wo relaxen?
In einer Stadt, die nur selten zur Ruhe kommt, sind Orte der Besinnung ein knappes Gut. Es gibt sie jedoch, z. B. den Kreuzgang von Santa Chiara (→ Link), den Garten der Certosa di San Martino (→ Link) mit Blick auf Stadt und Vesuv oder den Jachthafen von Mergellina vor der Kulisse des Castel dell’Ovo (→ Link).
Gesichter einer Stadt
Neapel sehen und sterben − keine noch so lange Abhandlung bringt die Magie der Stadt besser zum Ausdruck als dieses häufig zitierte geflügelte Wort. Wer die Schönheit und Anmut der Metropole am Golf in all ihren Facetten erleben will, sollte einige Tage oder besser eine ganze Woche in der Stadt verbringen. Hat man sich einmal mit den wichtigen Straßenzügen und Gebäudekomplexen vertraut gemacht, fällt die Orientierung leicht. Das Meer liegt stets in Reichweite, auch wenn man es merkwürdig selten zu Gesicht bekommt. Landeinwärts befinden sich die Hügel der Stadt, allen voran der Vomero mit dem Castel Sant’Almo auf der Spitze. Der Stadthügel ist bereits bei der Anfahrt mit dem Schiff gut zu erkennen und rückt nicht selten auch in den schnurgeraden Gassen der Altstadt ins Blickfeld. Dennoch präsentiert sich Neapel gerade Erstbesuchern alles andere als übersichtlich: Fassaden mit Patina, der Lärm der Straßenverkäufer, zum Trocknen aufgehängte Wäsche in den Gassen, Street-Art und knatternde Vespas sorgen für eine ständige Überforderung der Sinne − faszinierend und verstörend zugleich. Antike Artefakte sind ganz selbstverständlich ins Straßenbild integriert, als gehörten sie, wie der lautstark für seine Waren werbende Fischhändler, schon immer hierher. Und schließlich sind da noch die Baustellen, die seit gefühlten Ewigkeiten Straßen und Plätze blockieren. Zumindest dies hat Neapel mit den anderen Metropolen Europas gemein. Zahlreiche Reisegruppen besuchen die Stadt bevorzugt sonntags. Verständlich, weil es an diesen Tagen wesentlich ruhiger ist. Andererseits entfalten die Stadtbezirke gerade werktags ihr Flair am besten.
Die Altstadt ist ein unversiegbarer Born interessanter Dinge, von denen offizielle „Sehenswürdigkeiten“ nur einen geringen Teil ausmachen. Verschiedene Orte auf dem Boden der antiken Neapolis erlauben den Abstieg in die Unterwelt, den Bauch der Stadt. Ein Rundgang durch die Katakomben oder die urbanen Fundamente aus griechisch-römischer Zeit zählt zum Spannendsten, was man in der Mezzogiorno-Metropole unternehmen kann. Überdies bietet die Altstadt fantasievoll eingerichtete Ladengeschäfte, verführerisch duftende Restaurants, Bars und Konditoreien, romantische Hinterhöfe mit reichlich Kolorit und immer wieder Einblicke in den italienischen Alltag und in die neapolitanische Volksfrömmigkeit. Diese kreist um Blutwunder (→ Kasten) und um Aberglauben. Das in Läden und an Souvenirständen omnipräsente rote Hörnchen, corno genannt, ist ein Talisman, der vor dem bösen Blick schützt. Seine Wirkung entfaltet sich nicht, wenn man ihn für sich kauft - man muss ihn geschenkt bekommen!
Paradeblick am Abend vom Posillipo-Hügel
Nicht weniger attraktiv als die Altstadt ist die repräsentative Neustadt. Deren Herz ist die ein wenig an den Petersplatz in Rom erinnernde Piazza del Plebiscito mit dem Stadtpalais der Könige von Neapel und dem grandiosen Teatro San Carlo. Von hier führen innerstädtische Boulevards in zahlreiche Richtungen: Die Via Toledo streift das Spanische Viertel und nimmt Kurs auf das Nationalmuseum, während in der Gegenrichtung die von prächtigen Gründerzeitfassaden flankierte Uferpromenade, die Via Nazario Sauro, insbesondere sonn- und feiertags zum Flanieren einlädt. Außerdem verbindet eine Standseilbahn die Via Toledo mit dem Vomero-Hügel, von dem man einen hinreißenden Ausblick über die Stadt genießt. Ein weiterer Besichtigungshöhepunkt ist für Kunstliebhaber die Gemäldesammlung im Schloss Capodimonte. Sonst präsentiert sich Neapel landeinwärts nicht unbedingt von seiner Schokoladenseite: Beiderseits der Autobahn in Richtung Pozzuoli überwiegen gesichtslose Wohnsilos und freudlos vor sich hindümpelnde Industrieanlagen. Ein Lichtblick an der westlichen Peripherie ist das Science Centre im Industrievorort Bagnoli, das ein Stahlwerk an gleicher Stelle ersetzt. Zwischen Stadtzentrum und Bagnoli erstreckt sich der Posillipo mit dem mutmaßlichen Grab des römischen Dichters Vergil. Heute ist der Hügel eine bürgerliche Wohngegend mit stattlichen Villen und Gärten, in denen auf fruchtbarer Vulkanerde Zitrusfrüchte und Blattgemüse kultiviert werden.
Anime pezzentelle - Totenkult in Neapel
Die Untergründe der Millionenstadt bergen manch abgründiges Geheimnis. Eines davon ist der neapolitanische Totenkult, der bis in die 1970er-Jahre v. a. von Frauen praktiziert wurde. Bedeutende Stätten dieser „matrilokalen Kulte“ sind die Altstadtkirche Santa Maria delle Anime del Purgatorio oder auch der Cimitero delle Fontanelle im Stadtteil Sanità. Letzterer ist für den Totenkult von besonderer Bedeutung, weil das heutige Armenviertel just dort liegt, wo sich einst vor den Toren der antiken Neapolis die griechisch-römischen Katakomben befanden.
Die Sanità wurde erst im Verlauf des 16. Jh. besiedelt (der Name Fontanelle verweist auf den ehemaligen Quellenreichtum). Die turmhoch in den Berg getriebenen Tuffsteingrotten des Gottesackers entpuppen sich als titanisches Beinhaus mit regal-hoch gestapelten Knochen und Schädeln. Zur Blütezeit des Totenkults besuchten Frauen das unterirdische Beinhaus, wuschen die Schädel und beteten für ein günstiges Schicksal der Toten im Fegefeuer. Ein Akt mit doppeltem Nutzen, denn umgekehrt glaubten Praktizierende daran, dass sich die Seelen revanchierten: indem sie Kinder- oder Heiratswünsche erfüllen oder zur Krankheitsgenesung beitragen. Zumeist handelt es sich bei den Knochen um anonyme Tote, die während der verschiedenen Pest- und Choleraepidemien 1656 und 1836/37 hier eingelagert wurden. Andere fanden nach Auflösung innerstädtischer Friedhöfe den Weg hierher. Anime pezzentelle, „verlassene Seelen“ werden die namenlosen Toten genannt, die sich die Frauen im Zuge der Kulte aneigneten;