Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme - Galileio Galilei страница 24
Auch die im Dialog enthaltene Polemik gegen Scheiners Disquisitiones scheint erst spät, wahrscheinlich im Jahre 1629 niedergeschrieben worden zu sein. Denn ohne besonderen Anlass würde G. dem herzlich unbedeutenden Büchlein, das schon 1614 erschienen war und keineswegs großes Aufsehen erregt hatte, schwerlich solche Aufmerksamkeit gewidmet haben. Ein solcher Anlass lag aber für ihn doch wohl erst vor, als er im Jahre 1629 hörte, dass Scheiner ein großes Werk über die Sonnenflecken, die Rosa Ursina, drucken lasse.118 Es steht zwar nicht fest, wieviel Galilei von dem polemischen und sachlichen Inhalt der Rosa vor ihrem Erscheinen wusste, aber dass Angriffe gegen ihn und gegen seine Prioritätsansprüche auf die Sonnenfleckenentdeckung zu erwarten waren, konnte nicht zweifelhaft sein. So versuchte denn Galilei dem Gegner im Dialog zuvorzukommen und dazu bot sich kein besserer Anlass als eine Besprechung des Werkchens, das u. a. auch die kopernikanische Lehre bekämpfte. Eine Anspielung auf die 1630 vollendete Rosa Ursina findet sich hingegen nicht im Dialog. Da nun Galilei, wäre ihm Scheiners Werk bekannt gewesen, den triftigsten Grund gehabt hätte, auf den von ihm vorausgesagten Umschwung in den Ansichten Scheiners, der zwar teilweise schon in den letzten Briefen an Welser, mit voller Deutlichkeit aber erst in der Rosa sich dokumentiert, triumphierend hinzuweisen, so haben wir anzunehmen, dass der 1632 veröffentlichte, aber schon im Mai 1630 druckfertig gewordene Dialog an den auf Sch. bezüglichen Stellen seit 1630 keine Änderung mehr erfuhr. Das Erscheinen der Rosa Ursina rechtfertigte die Erwartungen Galileis und seiner Freunde; sie brachte wirklich eine äußerst erbitterte Polemik, deren Ausgangspunkt die Stelle in der Einleitung des Saggiatore bildet119, wo sich Galilei beklagt hatte, dass ihm andere den Ruhm der Sonnenfleckenentdeckung streitig machten. Ein ganzes äußerst weitschweifiges und langweiliges Buch des dickleibigen Folianten ist mit dieser Polemik angefüllt. Was die Prioritätsfrage betrifft, so sind Scheiners Ansprüche Galilei gegenüber, wie oben bemerkt, zwar nicht berechtigt, sie können aber, obgleich dies nicht wahrscheinlich ist, bona fide erhoben sein; in der Veröffentlichung durch den Druck ist ja Sch. unzweifelhaft Galilei zuvorgekommen, während Fabricius ihnen beiden voranging. Hingegen spricht Sch. nirgends davon, dass seine seit 1612 völlig veränderten Anschauungen über die Natur der Sonnenflecken nur durch die Auseinandersetzungen Galileis in den Lettere intorno alle macchie solari veranlasst sind, und dieses Schweigen ist es, was auch die Aufrichtigkeit seiner übrigen, zum Teil unkontrollierbaren Behauptungen verdächtig erscheinen lässt. Andererseits ist aber in der Rosa viel sachlich Neues und Richtiges enthalten, vor allem die genauere Festlegung des Sonnenäquators und die damit zusammenhängende Erkenntnis von der periodischen Formveränderung der scheinbaren Fleckenbahnen; aber auch sonst eine Menge auf die Flecken bezüglichen dankenswertesten Details, das zum Teil in unserer Zeit neu entdeckt werden musste, da es in Vergessenheit geraten war. Nun findet sich auch im Dialog, der zwei Jahre nach der Rosa erschien, die Neigung der Sonnenachse gegen die Ekliptik nebst den daraus fließenden Folgerungen erörtert120, und zwar in einer Weise, die offenbar dartun soll, Galilei habe schon vor 1614 von dieser Tatsache Kenntnis gehabt. Es lässt sich nicht leugnen, dass diese Darstellung sehr auffällig ist121 und mindestens den Schein gegen sich hatte. Die Empfindungen Scheiners, als ihm der Dialog zuerst zu Gesichte kam, sind daher nicht ganz unerklärlich: Die vernichtende Kritik der Disquisitiones und gleichzeitig der scheinbare Raub an der Rosa versetzten ihn und das ganze jesuitische Lager in grenzenlose Wut, die nur umso gefährlicher war, weil sie sich zunächst nicht literarisch austobte.
Das Erscheinen des Dialogs schob sich infolge einer Menge von äußeren Schwierigkeiten lange hinaus. Am 24. Dezember 1629 hatte Galilei an Cesi geschrieben, er sei im Wesentlichen fertig, er habe fast nur noch die Verbindungsglieder zwischen die einzelnen Erörterungen einzuschieben und die Einleitung abzufassen. Gleichzeitig spricht er die Absicht aus, nach Rom zu kommen, um den Druck, der aus den gleichen Gründen wie beim Saggiatore dort stattfinden sollte, selbst zu überwachen. Am 12. Januar 1630 schreibt er an Marsili, er sei mit der Revision des Manuskripts beschäftigt; am 16. Februar teilt er ihm mit, dass er Ende des Monats nach Rom abzureisen gedenke. Die Aussichten auf die Erlangung der Druckerlaubnis schienen günstig zu sein, da einerseits Galileis einflussreicher Freund und Fürsprecher Ciampoli den Papst zu gewinnen suchte, andererseits seit 1629 derselbeR i c c a r d ials Magister Sacri Palatii an der Spitze der römischen Zensur stand, der das Imprimatur für den Saggiatore in so schmeichelhaften Ausdrücken abgefasst hatte. Vor allem sah Castelli, der sich inzwischen in Rom niedergelassen hatte, die Dinge im rosigsten Lichte und hoffte, dass sich auch die letzte Schwierigkeit durch Galileis persönliche Anwesenheit in Rom beseitigen lasse.
Die Abreise Galileis verschob sich indessen bis zum Beginne des Mai. In Rom angekommen, wurde er wiederum vom Papste huldvoll empfangen. Auch Riccardi, dem das Manuskript übergeben wurde, machte anfänglich keine erheblichen Schwierigkeiten;