Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme. Galileio Galilei
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Dialog über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme - Galileio Galilei страница 26
Die Vorrede traf in Florenz ein, nachdem der Druck des Textes bereits begonnen hatte – am 20. März 1631 waren schon sechs Bogen fertig gestellt – sie musste daher später auf einem besonderen Bogen hinzugefügt werden: Unglücklicherweise wurden überdies andere Typen gewählt als die für den Text verwendeten. Auch daraus schmiedete man nachher Waffen gegen den Verfasser. Was die »Peroration« betrifft, die das mehrfach erwähnte Argument des Papstes bringt, so musste Galilei glauben, den Wunsch des Papstes mit der von ihm gewählten Wendung erfüllt zu haben. Die maßlose Eitelkeit Urbans versprach sich zwar aller Wahrscheinlichkeit nach eine ausführlichere Behandlung, in Wahrheit aber lässt die Ehrerbietung, womit am Schlusse des Dialogs allseitig die dem Simplicio in den Mund gelegte Betrachtung aufgenommen wird, nichts zu wünschen übrig. – Das Titelkupfer, welches Aristoteles, Ptolemäus und Kopernikus im Gespräche miteinander darstellt, und das Titelblatt beanspruchen gleichfalls ein gewisses Interesse. Die zweimal verwendete Vignette von drei wechselseitig sich beißenden Delphinen wurde nämlich später für anstößig befunden, weil ihr irgendeine geheimnisvolle oder boshafte Anspielung zu Grunde liegen sollte – welche, wird nicht gesagt.129 Als sich dann freilich herausstellte, dass dieselbe Vignette auch bei anderen Werken des Landinischen Verlags Verwendung gefunden hatte, musste man dieses Bedenken fallen lassen. – Der italienische Titel ist aus dem unserer Ausgabe beigefügten Facsimile des Titelblattes ersichtlich; in wörtlicher deutscher Übersetzung lautet er: Gespräch von Galileo Galilei, Mitgliede der Akademie dei Lincei, außerordentlichem Mathematiker der Universität Pisa, erstem Philosophen und Mathematiker des Durchlauchtigsten Großherzogs von Toskana. Darin wird in Sitzungen an vier Tagen über die beiden hauptsächlichsten Weltsysteme, das ptolemäische und das kopernikanische, gehandelt; mit unparteiischer Vorführung der philosophischen und der natürlichen Gründe sowohl für den einen als für den anderen Standpunkt. – Das Format der Originalausgabe ist Oktav, nicht, wie meist angegeben wird, Quart. Der eigentliche Text des Dialogs ist auf 458 Seiten enthalten; davor befinden sich un-paginiert Titelkupfer und Titelblatt, die Widmung an den Großherzog und die Vorrede; dahinter zwei Seiten Druckfehlerverzeichnis, sowie die (nicht vollständige) alphabetische Zusammenstellung der im Buche vorkommenden Randinhaltsangaben (Postillen).
Im Februar 1632 war der Druck beendigt, am 22. überreichte Galilei dem Großherzog Ferdinand II. das erste Exemplar des ihm gewidmeten Buches, Tags darauf sandte er an Cesare Marsili in Bologna 32 Exemplare. Die Erwartungen, mit denen man dem Dialog entgegensah, waren allseitig aufs Höchste gespannt, und sie wurden nicht enttäuscht. Mit den überschwänglichsten Ausdrücken des Entzückens begrüßten die Freunde Galileis das Erscheinen des Werks. Castelli hatte schon vor Fertigstellung desselben geschrieben, er werde von nun ab nur noch zwei Bücher lesen, das Brevier und den Dialog, und in ähnlichem Stile ergeht er sich, nachdem er es gelesen. Fulgenzio Micanzio in Venedig, Campanella und der 24-jährige Torricelli in Rom, Baliani in Genua, Alfonso Antonini in Verona, Gassendi in Lyon sind des Lobes voll; und so lebhaft die Freunde des Fortschritts den Dialog willkommen hießen, ebenso niederschmetternd wirkte er auf die Feinde, vor allem auf die Jesuiten. Von der Möglichkeit, dass eine von dem Magister Sacri Palatii und von der florentinischen Zensur gebilligte Schrift ernstlich beanstandet oder gar der Verfasser zur Verantwortung gezogen werden könne, sprach niemand.
Aber das Unerwartete geschah. Im August 1632 ging auf päpstliche Anordnung dem Verleger die Weisung zu, den Verkauf des Dialogs zu sistieren.130 Eine eigens zu diesem Zwecke berufene Kongregation gab ihre Meinung dahin ab, dass die Inquisition gegen Galilei wegen Veröffentlichung seines Buches einzuschreiten habe. Am 23. September beschloss demgemäß das h. Officium, Galilei für den Oktober nach Rom vor seinen Richterstuhl zu zitieren; die Vorladung wurde Galilei am 2. Oktober vom Inquisitor in Florenz bekannt gegeben, er musste sie vor Notar und Zeugen eigenhändig unterschreiben. Wie das gekommen war, lässt sich unschwer erraten. Die Jesuiten hatten meisterhaft operiert; sie hatten den Papst so geschickt bei seiner schwächsten Seite, der Eitelkeit, zu fassen gewusst, indem sie das Buch als eine gegen ihn gerichtete Verhöhnung darstellten, dass Urban von nun ab ein harter grausamer Gegner des von ihm früher so hoch bewunderten und so schwungvoll besungenen Galilei wurde. Dass nur die Machinationen der Jesuiten, in erster Linie jedenfalls Scheiners und Grassis, die nun anhebende Verfolgung ins Leben gerufen hatten, geht unter anderem aus den eigenen Geständnissen ihrer Ordensbrüder hervor.131
Auf die Einzelheiten des Prozesses, eines der denkwürdigsten der Geschichte, an dieser Stelle einzugehen ist unmöglich; es knüpft sich daran eine reiche Literatur, aus welcher wir die nachstehenden, sehr verschiedene Standpunkte vertretenden Schriften hervorheben:W o h l w i l l ,Der Inquisitionsprocess des Galileo Galilei (Berlin 1870); v.G e b l e r ,Galileo Galilei und die römische Curie (Stuttgart 1876);W o h l w i l l ,Ist Galileo Galilei gefoltert worden? (Leipzig 1877);R e u s c h ,Der Process Galileis und die Jesuiten (Bonn 1879);G r i s a r ,Galileistudien. Historisch-theologische Untersuchungen über die Urteile der römischen Kongregationen im Galileiprocess (Regensburg 1882).
Anscheinend konnte gegen den Verfasser des Dialogs noch am ersten einfach aufgrund des Indexdekrets vorgegangen werden, da unzweifelhaft Galilei die hypothetische Zulässigkeit der kopernikanischen Lehre in einem wesentlich anderen Sinne aufgefasst hatte, als es bestenfalls statthaft war. Dies Verfahren war jedoch darum nicht wohl angängig, weil wegen eines etwaigen Verstoßes gegen das Dekret der Dialog zwar verboten werden konnte, im Übrigen aber der Zensor die Hauptverantwortung trug. Um also Galilei selbst zu fassen und Riccardi möglichst zu schonen, musste eine andere Grundlage für den Prozess geschaffen werden. Man suchte daher in erster Linie als gravierendes Moment den Beweis zu erbringen, dass Galilei das Imprimatur auf unredlichem Wege erlangt habe, insofern er von dem speziellen, nur auf ihn bezüglichen Verbote vom 25. Febr. 1616 dem Zensor keine Kenntnis gegeben habe. Wie oben angegeben, liegen gewichtige, wenngleich nicht absolut beweisende Gründe dafür vor, dass Galilei keinerlei Sondervorschriften gemacht wurden, dass also das entscheidende Aktenstück, welches das Gegenteil beurkundet, sachlich Falsches enthält, wo nicht gefälscht ist. Die wenigst mißlungenen Versuche, das Aktenstück zu rehabilitieren, laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass einerseits der Vorgang im Jahre 1616 etwas formlos war und die Beteiligten infolge dessen selbst nicht ganz klar über seine Bedeutung waren, und dass andererseits die Deutung des Aktenstücks als eines Sonderverbots fälschlich erst von Riccardi 1632 aufgebracht worden sei.
In der vorberatenden Kongregation wurden offenbar auf Riccardis Initiative nachstehende Belastungsmomente gegen den Dialog hervorgehoben:132
1) Die ordnungswidrige Beifügung des Imprimatur für Rom. 2) Die Loslösung der Vorrede vom Texte durch Druck mit anderen Typen sowie die geringschätzige Behandlung des [vom Papste herrührenden] Schlussargumentes gegen die kopernikanische Lehre. 3) Das häufige Verlassen des hypothetischen Standpunktes bei Behandlung der kopernikanischen Lehre. 4) Die Fiktion, als sei eine [kirchliche] Entscheidung gegen diese Lehre noch nicht ergangen, sondern erst zu erwarten. 5) Die scharfe Polemik gegen antikopernikanische, von der Kirche hochgeschätzte Schriftsteller. 6) Die Behauptung, zwischen göttlicher und menschlicher Auffassung mathematischer Wahrheiten bestehe eine gewisse Ähnlichkeit.133 7) Das Argument, dass zwar Ptolemäer Kopernikaner würden, aber nicht umgekehrt.134 8) Die Zurückführung von Ebbe und Flut auf die Erdbewegung. 9) Die Überschreitung des Verbots vom 25. Februar 1616. Die acht ersten Punkte könnten, wie es in dem Aktenstück heißt, verbessert werden, wenn man sich von dem Buche irgendwelchen Nutzen verspräche; es blieb also in Wahrheit nur der letzte Anklagepunkt übrig. In der Folge freilich verschob sich der Standpunkt der Inquisition, und die Verfolgung wegen ketzerischer Gesinnung trat zu der wegen Ungehorsams hinzu. Die Gestellung Galileis in Rom war zwar für den Oktober 1632 befohlen worden, aber Gesundheitsrücksichten ermöglichten dem 69-jährigen Greise die Abreise von Florenz erst am 20. Januar 1633. Dass der Großherzog seinen Untertan und Schützling auszuliefern sich weigern werde, wie es vielleicht die venetianische Republik getan haben würde,