Verlorene Zeiten?. Группа авторов

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16 konnte ich mein Haus behalten. Ohne Ihr Gesetz wäre ich aus meinem Haus schon lange verjagt. Über manches andere sind wir nicht in Übereinstimmung – aber das habe ich Ihnen zu verdanken, und das sollen Sie auch wissen.“

      Aber de facto gibt es die DDR nicht mehr. War Ihr Einsatz für ein anderes Deutschland also umsonst?

      Als ich die ersten Male im Deutschen Bundestag auftrat, bin ich angegriffen worden aus allen Himmelsrichtungen. Da ist mir zunächst erst mal eines wieder beigebracht worden: Klassenkampf muss es doch irgendwie geben! Denn wenn da ein Graf Lambsdorff mich angreift, weil ich dafür Sorge getragen habe, dass die Bodenreform gültig bleibt, 17 kann ich mir nur sagen: „Ja, der hatte im Osten mit seinem Geschlecht irgendwo ein großes Gut; und wir waren zweifellos eine Familie, die auf dem Gutshof hätte arbeiten müssen.“ – Also musst du dich wehren. Du musst dafür argumentieren, dass die Bodenreform richtig war. Das ist immer wieder Geschichte, die mich begleitet. Geschichte, an der ich teilhabe. Geschichte, auf die ich eine andere Sicht habe. Ich weiß auch, wie viele Fragen am Ende in solchen Auseinandersetzungen aufgrund unterschiedlicher Sichtweisen strittig bleiben.

      Es gab in der DDR nicht nur soziale Gerechtigkeit. Es gab auch den jungen Punk, der ins Gefängnis gekommen ist oder den Bürgerrechtler, der überwacht wurde. Was sagen Sie denen im Nachhinein?

      Da kann ich nichts anderes sagen, als dass die Existenz solcher Schicksale in der DDR nichts ist, was man verteidigen kann. Zugleich kann ich nicht sagen, dass es so etwas nur in der DDR gab. Wir selbst haben früher gedacht, diese Dinge laufen bei uns nicht so ab; und wenn, dann haben wir sie entschuldigt, verteidigt und beschönigt. Das sollte man heute nicht mehr tun. Gleichzeitig sollte man daraus aber nicht ableiten, dass der andere Teil der Welt so etwas nicht gemacht hat und nicht immer noch macht! Das passt nicht zusammen.

      Gibt es etwas, was Sie an der Bundesrepublik schätzen?

      Es wäre falsch zu sagen, dass man an der Bundesrepublik nichts zu schätzen hat. Das wäre völlig irre. Ob die Entwicklungen nach der ,Wende‘ dann wiederum die konstruktivsten waren, da beginnen dann meine Zweifel. Das sind aber Zweifel, die mit der Politik von heute zu tun haben – und die möchte ich bitteschön auch anmelden dürfen!

      Das Gespräch führte Alexander Thomas

       1 Heute Police, Polen.

       2 Die Schriftsteller Günter Grass (*1927) und Erwin Strittmatter (1912-1994) verschwiegen beide ihre Verwicklungen mit der SS. Strittmatter diente seit 1941 bei einer Einheit der Ordnungspolizei, die dann der SS unterstellt wurde; das Regiment war an Kriegsverbrechen in Griechenland beteiligt. In der DDR gehörte Strittmatter mit zahlreichen Romanen zu den meist gelesenen Autoren.

       3 Die KPdSU richtete in Zusammenarbeit mit den Emigranten der Kommunistischen Internationale während des Zweiten Weltkriegs Schulen ein, um kommunistisch gesinnte Nachwuchspolitiker für den europäischen Wiederaufbau auszubilden.

       4 Den beiden deutschen Staaten war die Aufstellung eigener Streitkräfte nach 1945 von Seiten der Siegermächte nicht erlaubt. Als Vorläufer der NVA, die 1956 gegründet wurde, wurden in der DDR seit 1948 bewaffnete Einheiten der Volkspolizei in Kasernen untergebracht. 1952 entstand daraus die Kasernierte Volkspolizei.

       5 Anna Seghers (1900-1983) und Willi Bredel (1901-1964) waren Vertreter der antifaschistischen bzw. kommunistischen Exilliteratur. Der Roman ,Wie der Stahl gehärtet wurde‘ von Nikolai A.Ostrowski (1904-1936) erzählt teilweise autobiographisch vom Kampf eines russischen Revolutionärs. Er erschien zuerst 1932/34 und gehörte in der DDR zur Pflichtlektüre in der Schule.

       6 Robert Naumann (1900-1978), ging als Werkzeugmacher und Parteifunktionär 1920 in die Sowjetunion. Er studierte dort Politische Ökonomie; 1930-43 arbeitete er im Sekretariat der Komintern, 1943-1950 als Lehrer und stellvertretender Leiter der Antifa-Schulen; 1950 übernahm er eine Professur für Politische Ökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin und wurde Prorektor der Fakultät für Gesellschaftswissenschaften. Er war Mitglied des ZK der SED.

       7 Lokomotivbau Elektrotechnische Werke.

       8 Komsomol - die Jugendorganisation der KPdSU und Pendant zur FDJ.

       9 Lawrenti P. Beria (1901-1953), als sowjetischer Politiker lange Zeit berüchtigter Chef des Geheimdienstes NKWD. Beria wurde nach Stalins Tod 1953 erschossen.

       10 Erich Honecker (1912-1994), späterer Generalsekretär der SED und Vorsitzender des Staatsrates der DDR, war 1946-1955 Vorsitzender der FDJ.

       11 Willy Stoph (1914-1999), zuletzt Vorsitzender des Ministerrates der DDR.

       12 Egon Krenz (*1937), seit 1983 Mitglied des Politbüros und dann als Stellvertretender Vorsitzender des Staatsrates der DDR der ,zweite Mann‘ hinter Erich Honecker. Während der ,Wende‘ von Oktober bis Dezember 1989 maßgeblicher SED-Politiker.

       13 Das Politbüro des Zentralkomitees der SED war als oberstes Parteiorgan zugleich das Machtzentrum der Politik der DDR. Die staatlichen Ministerien und der Ministerrat hatten dagegen nur untergeordnete Bedeutung, zumal dessen Vorsitzender zugleich Mitglied des Politbüros war.

       14 Harry Tisch (1927-1995), Mitglied des Politbüros und seit 1975 Vorsitzender der SED-treuen Einheitsgewerkschaft FDGB (Freier Deutscher Gewerkschaftsbund)

       15 Am 1. Februar 1990 legte Hans Modrow einen Plan für die deutsche Vereinigung vor, der ein gleichberechtigtes Zusammengehen von DDR und BRD vorsah.

       16 Ein von der Regierung Modrow am 7. März 1990 erlassenes Gesetz ermöglichte es Eigentümern von Wohnhäusern, die dazu gehörigen Grundstücke rechtmäßig zu erwerben. Auf diese Weise blieben sie vor Restitutionsansprüchen der Vorbesitzer geschützt.

       17 Durch die ,Bodenreform‘ auf dem Gebiet der DDR wurden nach 1945 Landbesitzer enteignet. Das Land wurde an Kleinbauern verteilt, die später in die staatlichen LPG überführt wurden. Ein weiteres von der Regierung Modrow erlassenes Gesetz vom 16. März 1990 bestätigte die Enteignungen und verhinderte so die Rückübertragung des Grundbesitzes nach der Deutschen Einheit.

      Kurt Pätzold

      „Mir kamen stets die Historiker lächerlich vor, die sich über Geschichte beschweren.“ - Kurt Pätzold, geboren 1930

      Der ,Erziehungsdiktator‘ – so nennt der Historiker Kurt Pätzold sich selbst in seinen Erinnerungen. 1 Pätzold schlug nach 1989 viel Feindschaft entgegen. An der Berliner Humboldt-Universität wurde er wegen seiner Beteiligung an so genannten Relegationen zwischen 1968 und 1976 heftig angegriffen.

      Damals waren junge Menschen wegen ihrer Sympathien mit dem ,Prager Frühling‘ von der Universität geworfen worden. Pätzold hatte jedoch nicht ihren Rauswurf, sondern mit „studienverschärfenden Sondermaßnahmen“ ein fachlich anspruchsvolleres Studium gefordert. Pätzold war stets umstritten – schon während seiner Studentenzeit in Jena. Das Schicksal des Jenenser Historikers Karl Griewank in den 1950er Jahren sorgt bis heute für den Vorwurf, dessen kommunistische Studenten hätten ihn geradezu in den Selbstmord getrieben. 2 Nach 1989 bot Pätzold zahlreiche Angriffsflächen, denn er war nicht nur ein akribischer Wissenschaftler, sondern seit seiner Jugend auch ein scharfzüngiger

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