Steve Howe - Die Autobiografie. Steve Howe
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Chuck Berry spielte bevorzugt halbakustische Gibsons mit schmalen Zargen wie die ES-340 T und später die ES-345 Stereo oder die ES-355. Als Verstärker mietete er sich zwei Fender Showmans oder Fender Twins, die er auf der Bühne zusammenschloss. In meinen Anfangstagen hörte ich Chuck fast auf Endlosschleife. Er war der erste Sänger, Instrumentalist und Songwriter in einem, der in den Fünfzigerjahren seine eigenen Hits feiern konnte. Außerdem war er die Hauptattraktion der ersten Package-Show, die ich jemals sah. Neben ihm standen auch noch Carl Perkins und die Animals auf dem Programm jenes Konzerts, das im Lewisham-Theater in London über die Bühne ging. (1980 sollten auch Yes in der Besetzung unseres Albums Drama dort auftreten.)
Das Jahr 1969 sollte eine völlig neue Phase in meinem Leben einläuten. Immerhin brachte meine erste Frau, Pat Stebbings, unseren Sohn Dylan zur Welt. Das Thema Familie rückte somit ins Zentrum meines Fokus. Ich konnte nicht länger egoistisch oder kurzsichtig an Dinge herangehen. Für meine Familie zu sorgen war fortan mein größter Antrieb. Obwohl unsere Ehe letzten Endes in die Brüche gehen sollte, mangelte es Dylan nie an Liebe oder Aufmerksamkeit. Ab 1971 fiel mir die Verpflichtung zu, ihn großzuziehen. Nicht viele Männer erhalten diese Gelegenheit. Ich wäre auch nie in der Lage gewesen, diese Aufgabe erfolgreich zu meistern, wenn mir nicht Jan Osborne beigestanden wäre, die ich 1975 schließlich heiratete. Sie ermöglichte, dass diese delikate Gratwanderung klappte. Liebe löst sehr viele Dinge auf einmal aus. So verändern sich etwa Perspektiven – und es gibt so viel, das es zu lernen gibt in der Kindererziehung. Ich kann mich noch genau an ein rotes Tretauto erinnern, das wir Dylan 1971 zu seinem zweiten Geburtstag schenkten, nachdem er von einem Urlaub mit Jan und ihrer Familie auf Malta zurückkehrte. Er war ja so begeistert und machte damit den Innenhof unseres Wohnhauses unsicher. Jan brachte später unsere drei gemeinsamen Kinder zur Welt: Virgil 1975 (er verstarb tragischerweise 2017), Georgia 1982 und Stephanie 1986. Von 1971 an war Jan der wichtigste Mensch auf der Welt für mich.
Bodast lebten weiterhin de facto von der Hand in den Mund, obwohl wir bereits ein Album in den Trident Studios mit Toningenieur Ken Scott für eine Plattenfirma namens Tetragrammaton aufgenommen hatten, das Keith West als Produzent betreute. Leider schloss das Label seine britische Niederlassung, und die Platte wurde nie veröffentlicht. Das Gefühl der Zurückweisung, das uns an den Fersen zu haften schien, unterminierte unsere ganze Mission. Die Aufnahmen sollten acht Jahre lang unter Verschluss bleiben, bis unser wunderbarer Sänger Clive Skinner, der außerdem ein guter Songwriter war, 1978 Schlaftabletten zum Opfer fiel. Er hatte vergessen, dass er sie genommen hatte, bevor er zusätzlich dazu noch Alkohol konsumierte. Obwohl er sich vielleicht auch vernachlässigt und nicht ausreichend geschätzt gefühlt hat und deshalb auf die Idee gekommen war, beides zu kombinieren. Als ich von seinem Tod erfuhr, war ich gerade auf US-Tour. Daraufhin war ich motiviert, diese Aufnahmen noch einmal in Stereo abzumischen. Ich bat Gary Lanham, mir dabei als Engineer beizustehen. Wir hatten ein Budget für einen Tag und stellten alle acht Tracks fertig. Cherry Red veröffentlichte das Ergebnis unter dem Titel The Lost Bodast Tapes 1978 auf Vinyl. Später erschienen die Aufnahmen auch noch auf CD, sowohl im Stereo- als auch im ursprünglichen Mono-Mix. 2017 wurde zudem eine neu gemasterte Version namens Towards Utopia aufgelegt, die ich persönlich für die beste Fassung halte.
Wenn ich über all meine Bemühungen in früheren Bands nachsinnierte, empfand ich diese Zeit als eine Art Ausbildungsphase. Mittlerweile wurde jedoch klar, dass unser Auskommen von einer eigenartigen psychologischen Balance abhing. Musikalisch dazu beizusteuern, verlieh dir ein gewisses nicht näher definiertes Ausmaß an Kontrolle. Es trugen noch viele andere Dinge zu dieser Balance bei, aber Kontrolle war ein ganz grundlegendes Thema. Selbstsicherheit musste nicht unbedingt gleichbedeutend sein mit Arroganz. Ich lernte, mit Kritik umzugehen sowie auch die Ideen anderer einfühlsam zu kritisieren, um zur Verbesserung der Band beizutragen. Ich hatte mich an die gegenseitige Abhängigkeit voneinander gewöhnt, die sich daraus ergab, dass wir zusammenlebten. Wie in einer Kommune. Und doch verließen wir Finchley schlussendlich im Unguten. Deep Purples Management feuerte uns nämlich, nachdem ein bescheuerter Toningenieur in den Kingsway Studios behauptet hatte, er habe uns beobachtet, wie wir Heroin konsumiert hätten. Um Himmels willen, auf keinen Fall! Wir versicherten ihnen, dass dies nicht der Wahrheit entspreche. Aber sie setzten uns trotzdem auf die Straße – direkt vor Weihnachten.
Wir zogen daraufhin weiter in ein Haus in der Lots Road in Fulham. Vor uns hatte dort die Band Family gewohnt, die sämtliche Wände schwarz angestrichen hatte. Dort erwarteten mich weitere extreme Aha-Erlebnisse. Ein weiterer Mitbewohner war nämlich niemand Geringerer als dieser komische Kauz und Rock’n’Roll-Pionier Vince Taylor. Er verließ kaum einmal sein Zimmer, und wenn, dann suchte er nur schnell die Küche auf. Wir hatten keine Ahnung, was er sonst so trieb! Die Leute gingen ein und aus, zogen ein und aus, übernachteten und tauchten dann irgendwann mit neugeborenen Kindern auf. Es war eine draufgängerische, gleichzeitig überaus bodenständige Art zu leben, die zu vielen bizarren Vorkommnissen führte. Leute flippten aus und liefen im Drogen- oder Alkoholrausch Amok. Wir aßen Unmengen Reis, Zwiebeln und Tunfisch. So sah unser Speiseplan aus.
Da wir davon ausgingen, dass unsere Aufnahmen für immer auf Eis lägen, verwendete ich die von mir geschriebenen Passagen aus dem Song „The Ghost Of Nether Street“ für die Yes-Nummer „Starship Trooper“, wo ich sie für „Würm“ einsetzte. Ich behielt dafür die Akkorde G, Es und C bei, modifizierte aber den Basslauf ein wenig. Auch den Auftakt des Gitarren-Breaks übernahm ich, nachdem Yes die Struktur immer weiter aufgeschichtet hatten. Riffs aus „South Side Of The Sky“ stammten ursprünglich aus „Tired Towers“, „Close To The Edge“ enthielt einen Part aus „Black Leather Gloves“. Die Strophen des Asia-Songs „One Step Closer“ basierten auf der Schlusspassage von „Come Over Stranger“. Meine Strukturen und Melodien funktionierten offenbar in unterschiedlichen stilistischen Kontexten.
Dann verließ ich Bodast. Doch zuvor erlebte ich noch eine weitere Riesenenttäuschung. Wir wurden von einer amerikanischen Produktionsfirma kontaktiert, wo man glaubte, wir wären wie geschaffen für einen Film über den Aufstieg und Fall einer unbekannten Band. Sie sahen, dass wir uns abmühten, über die Runden zu kommen, aber sie glaubten auch daran, dass wir es schaffen konnten. Und zwar im großen Stil. Deshalb planten sie, uns auf 35-Millimeter-Film zu bannen. Es hieß, sie würden sich innerhalb von drei Wochen bei uns mit einem Vertrag (also mit Kohle) melden. Doch nichts geschah, und sie wiesen unsere Versuche ab, mit ihnen in Kontakt zu treten.
Ich hatte die Nase gestrichen voll. Immerhin hatte ich noch Anfang des Jahres Angebote von funktionierenden Bands, die regelmäßig auftraten, abgelehnt. Dazu zählten etwa The Nice mit Keith Emerson, die man einfach gesehen haben musste. Keiths Spiel war schlichtweg unfassbar. Nachdem Davy O’List ihnen den Rücken kehrte, sahen sie sich nach einem neuen Gitarristen um. Jener Nachmittag, an dem ich bei ihnen vorspielte, ist mir bis heute noch in guter Erinnerung geblieben. Wir versuchten uns an ein paar ihrer Nummern, während Keith und ich uns parallel dazu darüber unterhielten, was wir musikalisch bewerkstelligen könnten, da wir beide die Musik Antonio Vivaldis liebten. Später schrieb ich für mein erstes Soloalbum „The Nature Of The Sea“, das von Vivaldis Flöten-Concerto La Tempesta Di Mare inspiriert war. Es schien vorherbestimmt zu sein, dass wir gemeinsame Sache machen sollten. Ich sagte ihnen also zu, und wir begaben uns in einen Pub, wo ich auch ihren Manager traf. Dieser zog Geld aus seiner Tasche und verteilte es unter den Bandmitgliedern. Das wirkte eine wenig unprofessionell.
Als ich ins Haus in der Nether Street in Finchley zurückkehrte, erklärte ich den Jungs, dass ich aussteigen wolle. Sie zeigten sich wenig erfreut. Die Band würde sich auflösen, wir würden unser Dach über dem Kopf und unser Einkommen verlieren. Bald schon säßen sie alle auf der Straße. Am nächsten Morgen hatte ich meine Meinung wieder geändert, in erster Linie, weil ich den Rest von Bodast nicht im Stich lassen wollte. Außerdem misstraute ich der Vorgehensweise des Managements von The Nice. So traf man keine guten Entscheidungen für seine Karriere. Schließlich muss man ein bisschen nachhaltiger denken.
Ich spielte außerdem noch bei Atomic Rooster vor. Musikalisch kamen wir auf keinen grünen Zweig, und ich war nicht allzu heiß auf den Job.