Dantes Inferno III. Akron Frey

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Dantes Inferno III - Akron Frey

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steckt, die weniger in seiner persönlichen Eigenart, sondern mehr in den ihm aufoktroyierten Zielen der Umwelt liegen, die er aber unbewusst für seine eigene Verhinderung benutzt, kann er sich befreien und seinen „persönlichen“ Seelenbrocken loslassen. Der den Berg wieder hinunterrollende Stein zeigt den Weg der Freiheit, den der Sünder aber nicht im Außen, sondern in seinem Inneren bewältigen muss. Die Bürde ist der Fokus, das ist die Crux, denn sie zeigt die innere Botschaft dieser Hölle: Erst mit der Suche nach Schuld beginnt die Tragödie. Erkennt er das, dann braucht er keine Lösung, denn die Erlösung liegt jetzt in ihm selbst.

      Die Hölle lustloser Pflichterfüllung

      Widerwillig streifte ich mir das Laken über und griff nach dem mir von Akron hingehaltenen Korb, in den er seinen Stein bereits hineingelegt hatte.

      „Ich kann noch immer keinen Sinn darin entdecken, diese Strapazen zu durchleiden“, startete ich einen letzten schwachen Versuch, die bevorstehende Tortur vielleicht doch noch abwenden zu können.

      Akrons Antwort machte diese Hoffnung jedoch schnell zunichte: „Alle Widrigkeiten, Ängste und Erschwernisse des Lebens, denen unter dem Licht von Saturns schwarzer Sonne zu begegnen sind, tragen in ihrem innersten Kern jenen erhellenden Erkenntnisfunken, den wir sonst nur als Schöpferprinzip im strahlenden Glanz der Sonne zu verehren gewohnt sind. Und doch bedeutet die Erkenntnis dieses Fegefeuers nicht notwendigerweise Erlösung, sondern es geht einfach darum, die Voraussetzung unserer Stagnation und Versteinerung im eigenen Tun und Handeln zu erkennen.“

      Da ich einsah, dass Widerstand hier wenig Sinn machte, setzte ich mir den Korb murrend auf den Rücken und ließ mir von Akron helfen, das zusätzliche Trageband über die Stirn zu legen. Dann ging es los.

      Bevor ich meinen Fuß jedoch auf den Pfad setzte, nahm mich mein Seelenführer noch einmal auf die Seite: „Vergiss nicht, dass du deinen Korb erst abnehmen darfst, wenn du oben angekommen bist. Stellst du ihn vorher ab oder unterbrichst du deinen Aufstieg aus einem anderen Grund, wirst du deinen Weg wieder von hier unten beginnen müssen.“

      „Eine schöne Motivation, die du mir da mit auf die beschwerliche Reise gibst“, erwiderte ich missmutig.

      „Nicht wahr“, grinste er, „und wenn dir unterwegs doch einmal die Puste ausgehen sollte, denk einfach immer an den Esel, der solange weiterläuft, wie die Karotte vor seiner Nase baumelt.“

      „Mir wäre lieber, du würdest mir erzählen, was mich dort oben erwartet, damit ich der Karotte einen Sinn zuordnen kann.“

      „Oh, mach dir darum keine Sorgen“, lächelte Akron. „Du hast diesen Turmbau hier illuminiert, da wird dein Vorhaben sicherlich nicht an solch einer unbedeutenden Kleinigkeit scheitern.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr“, warf ich ihm als letztes zu, bevor ich damit begann, mich brav in die lange Gruppe von Arbeitern einzureihen, die mit ihrem Lastenkorb von hier aus starteten.

      Das Ersteigen des ersten Abschnitts bereitete mir wenig Mühe. Zu meinem eigenen Erstaunen spürte ich in mir einen starken Ehrgeiz, meinem Lehrer zu beweisen, dass ich durchaus in der Lage war, diesen Turm in einer absehbaren Zeitspanne zu erklimmen. Da mir das Tempo der Arbeitsschlange viel zu langsam ging, scherte ich schon bald seitlich aus, um an den anderen vorbeizuziehen. Die bedachten meine Absicht mit unverständigem Kopfschütteln, was mich jedoch nicht weiter kümmerte. Erst als mein Pulsschlag zu galoppieren begann, verlangsamte ich meine Schritte und musste erkennen, dass ich die Umrundung des ersten Streckenabschnitts gerade bis zur Hälfte hinter mich gebracht hatte.

      Mein Vordermann, der seine Bürde offensichtlich nicht zum ersten Mal hinauf trug, riet mir, jegliches Denken fahren zu lassen, um durch Schmerz und Erschöpfung jenen kostbaren Moment visionärer Innenschau zu erlangen, den es hier zu gewinnen galt. Von dieser Aussicht beflügelt biss ich die Zähne zusammen und keuchte weiter. Vor Anstrengung begann das Blut in meinen Schläfen zu hämmern und der staubige Pfad zu meinen Füßen begann sich plötzlich zu einer pulsierenden Lebensschlange auszuformen, auf deren Rücken ich meinem Ziel entgegenritt. Schon tauchten in meinen Augenwinkeln die tanzenden Schimären nackter Leiber auf, die sich eng umschlungen und liebesbrünstig in den Zuckungen der ewigen Kundalinischlange suhlten. All meine durchlebten Leidenschaften vergangener Abenteuer mit dem anderen Geschlecht schoben sich vor mein inneres Sehen, das mich gleichzeitig auch die Vergänglichkeit all dieser Begegnungen erkennen ließ. So wundervoll sie alle auch gewesen sein mochten, so waren sie doch nur ein matter Abglanz dessen gewesen, was ich im tiefsten Innern meiner Seele wieder zu erreichen begehrte.

      Tief in meine Betrachtungen versunken hatte ich die erste Etappe meines Ziels hinter mich gebracht. Ich stoppte einen kurzen Moment, um mir einen weiteren Blick nach oben zu gönnen, doch war das Ende des Turmes zwischen den tief hängenden Wolken noch immer nicht zu sehen. So machte ich mich an die zweite Hürde. Doch während die erste Umrundung noch relativ leicht vonstatten gegangen war, verspürte ich nun einen deutlichen Kräfteverlust. Das Gewicht auf meinen Schultern schien sich verdoppelt zu haben, und ich begann schon nach wenigen Schritten jämmerlich zu keuchen. Der Schweiß brach mir aus allen Poren, rann mir die Glieder hinab und wurde von meinem Büßergewand aufgesogen, das schon bald wie eine zweite Haut an mir klebte. Gequält richtete ich den Blick auf den vor mir ausschreitenden Sünder, der sein Tempo ebenfalls verlangsamt hatte. Angestrengt sann ich darüber nach, wie viele unzählige Liter Schweiß während diesem mühsamen Streben sich bereits auf diesem staubigen Pfad verteilt haben mussten. Hätte ich solch eine Überlegung sonst gerne noch jemandem mitgeteilt, schien sie mir unter den gegebenen Umständen nicht mal einer Erwähnung wert. Zu kostbar dünkte mich jeder Atemstoß, den ich nicht mit unnützen Worten zu verschwenden gedachte. Das vierte und letzte magische Grundprinzip, das Schweigen, kam mir in den Sinn, das mir nirgendwo angebrachter erschien als hier. Diesmal sah ich vor meinem inneren Auge eine hochschwangere Frau, die als Urprinzip allen Seins die gesamte Welt aus sich hervorbrachte. Gefühlsregungen in all ihren schillernden Facetten ergriffen von mir Besitz und ließen mich abwechselnd auflachen oder vor Traurigkeit laut aufschluchzen. Die erwachenden sexuellen Kräfte schienen eine gewaltige Verunsicherung in mir zu verursachen, denn mir kam ein lange zurückliegendes Erlebnis aus meiner Pubertät wieder in den Sinn, über das ich bereits in der Krebs-Hölle meditierte, als ich beim Onanieren vom Vater überrascht worden war. Ich sah die hämischen Gesichter des Pfarrers, meines Onkels, und meines Vaters vor mir auftauchen und schickte ihnen die Botschaft, dass ich ihnen ihr Unvermögen, der Freude der Schöpfung um ihrer selbst willen damals nicht anders begegnen zu können, bereits verziehen hatte.

      Als ich wieder aufblickte, hatte ich die zweite Umrundung geschafft und überlegte, ob es nicht besser wäre, kurz anzuhalten, um etwas Luft und neue Kraft zu schöpfen. Doch Akrons warnende Worte und die Aussicht, damit das Eintreten einer erneuten Vision unnötig hinauszuzögern, hielten mich davon ab. So schleppte ich mich mühsam weiter. Allerdings sollte ich meinen Entschluss sogleich bereuen, denn es kam mir vor, als hätte sich die auf meinen Schultern ruhende Last abermals verdoppelt. Alle Mühsale und Qualen dieser Welt schienen den Entschluss gefasst zu haben, sich mir auf einmal aufbürden zu wollen. Die Riemen des Korbes schnitten mir wie glühendes Eisen ins Fleisch und drohten mir jegliche Blutzufuhr abzuklemmen. Meine wunden Füße bereiteten mir schon jetzt erhebliche Pein, ein schmerzendes Rückgrad tat das übrige, und ich begann mich ernsthaft zu fragen, ob es vor mir wohl schon irgendjemandem gelungen war, diesen Turm tatsächlich ohne Rast an einem Stücke zu bezwingen? Offensichtlich meinem Seelenführer, dessen letzte Worte mir noch in den Ohren lagen, bevor er sich mit dem Lastenaufzug bequem hatte in die Höhe hieven lassen.

      Dieser Gedanke gab mir unversehens Auftrieb. Ich richtete mich kurz auf, verlagerte meine Last ein wenig und verfiel in einen harmonischen Rhythmus, indem ich völlig abschaltete und meine Beine sich wie von selbst bewegen ließ. Schritt um Schritt schleppte ich mich weiter nach oben, während

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