Sergia - Sklaven des 22. Jahrhunderts. Katja Brinkert

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Sergia - Sklaven des 22. Jahrhunderts - Katja Brinkert

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vor. Dies wäre der erste Schritt zur Untergrabung seiner Autorität und das durfte er nicht zulassen.

       Keine Schwäche, kein Mitgefühl. Regiere mit eiserner Hand.

      Luke lag zitternd im Laderaum des kleinen, weißen Transporters. Die Supervisoren hatten seine Hände und Füße gefesselt, so dass er sich kaum noch rühren konnte. Weil er sich aus Leibeskräften gewehrt hatte, hatten sie ihm mit einem Schlagstock in die Magengrube geschlagen, bis er seine Gegenwehr aufgegeben hatte.

      Luke hatte Angst und konnte nicht verstehen, was soeben geschehen war. Er hatte seinen geliebten Onkel kaum wieder erkannt. Er war so kalt gewesen, so unnahbar. Wie konnte er seinem eigenen Neffen nur so etwas antun?

      War das etwa sein wahres Ich? Hatte er ihm und seinem Vater jahrelang den freundlichen Onkel Charly nur vorgespielt?

      Tränen traten Luke in die Augen und er gab sich schluchzend seinem Kummer hin.

      Der Transporter fuhr unterdessen weiter seinem unbekannten Ziel entgegen. Das monotone Rauschen der Räder auf dem Asphalt hatte etwas Beruhigendes. Langsam ließ Lukes Schluchzen nach und sein Atem wurde regelmäßiger.

      Was würde nun wohl mit ihm geschehen?

      Er hatte seinen Onkel oft gebeten, ihm von seinem Geschäftsimperium zu erzählen, ihm vielleicht sogar einmal eine seiner Farmen zu zeigen, aber Onkel Charly hatte sich stets geweigert, Luke mit dorthin zu nehmen.

      So hatte Luke nur eine wage Vorstellung davon, wie es in einem Sergia-Lager wohl aussah.

      In der ‚freien Welt‘ wurden die Sergia stets totgeschwiegen.

      Es war ein Tabu-Thema, über das man nicht gerne sprach. So gab es auch keine Bilder vom Inneren der Lager und nur sehr lückenhafte Berichte.

      Luke wusste nicht, wie lange sie unterwegs gewesen waren, es mochte wohl eine halbe Stunde gewesen sein, als der Transporter stoppte und der Motor erstarb. Er hatte kaum Zeit sich zu sammeln, als auch schon die Türen zum Laderaum aufgerissen wurden. Luke musste die Augen zusammen kneifen, als das grelle Sonnenlicht in sein dunkles Gefängnis fiel und er kauerte sich ängstlich in die hintere Ecke des Wagens.

      Einer der beiden Supervisoren kletterte zu ihm, und löste die Fesseln an seinen Füßen.

      »Aufstehen«, blaffte er Luke u an, und trat ihm gleichzeitig in die Seite.

      Luke stöhnte vor Schmerz.

      »Ich sagte: aufstehen«, wiederholte der Supervisor.

      Bevor er noch einen weiteren Tritt ab bekam, rappelte Luke sich auf, und stieg ungelenk aus dem Transporter. Halb neugierig, halb ängstlich blickte er sich um.

      Der Transporter stand in der Mitte eines großen, gepflasterten Hofs, der von hohen Mauern umgeben war. Die glatten Steinmauern waren gut fünf Meter hoch und auf ihrer Spitze war engmaschiger Stacheldraht gespannt. Zusätzlich waren in regelmäßigen Abständen Schilder mit der Aufschrift ‚Achtung Strom‘ angebracht.

      Der Hof selbst war vollkommen kahl, es gab keinen einzigen Baum, nicht mal ein Grashalm lugte zwischen den Pflastersteinen hervor. Alles wirkte sehr bedrückend und Luke hatte das Gefühl, klein und schutzlos zu sein.

      Hinter ihnen befand sich ein großes eisernes Tor. Luke nahm an, dass der Transporter dadurch in den Hof gefahren war.

      Vor ihnen war ein dunkles Betongebäude mit vergitterten Fenstern. Alles wirkte wie ein Hochsicherheitsgefängnis.

      In diesem Moment versetzte einer der Supervisoren Luke einen erneuten Stoß in den Rücken und Luke stolperte vorwärts.

      »Na los«, knurrte er, »schlaf nicht ein.«

      Sie führten, beziehungsweise stießen, Luke quer über den Hof, bis sie schließlich das Gebäude erreicht hatten. Neben der Eingangstür hing ein kleines Metallschild mit der Aufschrift ‚Integrations-Center I – hier nur Chuvai‘.

      Der Supervisor zu Lukes Linken trat an eine in der Wand eingelassene Kamera und blickte mit dem rechten Auge direkt in die Linse. Ein roter Laserstrahl tastete seine Iris ab. Nur wenige Sekunden später leuchtete ein grünes Lämpchen auf und die Tür glitt zur Seite. Sie betraten das Gebäude und die Tür schlug geräuschvoll wieder ins Schloss, kaum dass sie alle drei die Schwelle überschritten hatten. Luke zuckte bei dem Knall vor Schreck zusammen.

      Sie standen im Erdgeschoss eines großen Gefängnis-Komplexes. Die dunklen Wände waren gesäumt von unzähligen Zellentüren, in der Mitte führte eine Eisentreppe nach oben in das nächste Stockwerk.

      Luke war sich sicher, dass auch die oberen Stockwerke nicht anders aussahen. Das einzige Licht fiel durch trübe Oberlichter, fünfzehn Meter über ihnen, in den Komplex.

      Trotz der fast sterilen Sauberkeit war die Luft stickig. Sie wirkte verbraucht und es roch nach Schweiß – dem Angstschweiß der Insassen, die hinter den undurchdringlichen Zellentüren auf ihr weiteres Schicksal warteten. Er konnte ihre Angst fast schmecken, sie schien auf ihn einzustürzen und drohte ihn in die Knie zu zwingen. Zitternd stand Luke in dem bedrückenden Korridor, nicht fähig, sich zu bewegen.

      Er schloss für einen Augenblick die Augen. Vielleicht war das alles nur ein böser Alptraum. Vielleicht war er wieder zu Hause in seinem Zimmer, wenn er die Augen öffnete. Doch es war kein Alptraum, und Luke wusste es. Zu real waren seine eigene Angst und die Eindrücke, die auf ihn einstürzten.

      Wortlos stießen die Supervisoren ihn tiefer in den Raum hinein, an der Treppe vorbei, und in den hinteren Teil des Gebäudes. Hier war die Luft noch stickiger und Luke atmete instinktiv etwas flacher.

      Als sie seine Zelle erreicht hatten, stoppten sie erneut. Der Supervisor drückte seinen Daumen auf eine kleine Metallplatte neben der Tür, die sich prompt öffnete, während der andere Lukes Fesseln löste.

      Bevor die beiden Männer ihn in die Zelle stießen, erhaschte er noch einen kurzen Blick auf ein kleines Display neben der Zellentür. Dort stand in leicht flackernden Buchstaben: »Luke 74 – Chuvai«.

      Noch bevor Luke sich umdrehen konnte, fiel die Tür mit einem lauten Knall hinter ihm ins Schloss. Einen Moment herrschte eine bedrückende Stille, dann hörte er, wie sich die Schritte der Supervisoren langsam entfernten.

      Als ihre Schritte endgültig verklungen waren, stieg erneut Panik in Luke auf. Er war alleine und hatte nicht die leiseste Ahnung, was als Nächstes geschehen würde. Er atmete mehrmals tief durch und versuchte, seine Angst in den Griff zu bekommen. Es hatte keinen Sinn jetzt in Panik zu verfallen, sagte er sich selbst. Das Wichtigste war jetzt einen klaren Kopf zu bewahren, wenn er diesen Alptraum heil überstehen wollte.

      Nur langsam nahm er seine Umgebung richtig wahr. Er stand in einer kleinen, steril wirkenden Zelle. Gegenüber der Tür war ein vergittertes Fenster, von dem aus er auf den gepflasterten Hof des benachbarten Integrations-Centers blicken konnte. Hätte seine Zelle sich in einem der oberen Stockwerke befunden, hätte er vielleicht über die hohen Mauern sehen können, so aber war der kahle Hof das einzige, was ihm das Fenster zeigte.

      Luke wandte sich von dem beklemmenden Ausblick ab und betrachtete seine Zelle genauer. Doch gab es da nicht viel zu sehen. In der Ecke links neben dem Fenster befand sich eine Toilette und an der rechten Wand stand eine Metall-Pritsche mit einer schäbigen Fleecedecke. Das war alles, was sich in dem großen Raum befand.

      Luke

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