Verwurzelt in der Caritas. Daniela Blank

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Verwurzelt in der Caritas - Daniela Blank Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral

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sichern kann, müssen sogar jene zugeben, die mit allgemeiner Verheiratung die Frauenfrage lösen wollen. Nur sittliche und wirtschaftliche Selbständigkeit kann dem Mädchen die nötige Freiheit bei der Wahl der Ehe sichern.“43 Aus diesem Zitat wird ersichtlich, dass selbst die Berufstätigkeit der Frau letztlich auf eine Eheschließung abzielt.

       Bildung für die Frau mit dem Ziel der Mutterschaft

      Im Zuge der Frauenbewegung werden Frauen in Deutschland erstmals 1900 zum Studium zugelassen. Einige, sowie der bereits zitierte Rösler, sind auch der Auffassung, dass Frauen hierfür die nötige Intelligenz mitbrächten: „Ob weibliche Geistesanlage genügen, um die höheren Studien, die gewöhnlich mit dem Besuch einer Universität verbunden sind, erfolgreich zu betreiben, kann ernstlich nicht in Frage gestellt werden.“44 Solange es nicht darum geht, einen akademischen Beruf nach dem Studium auszuüben, gibt es keine Einwände gegen weibliche Studierende, aber da Frauen im Allgemeinen heiraten werden (mit dem Ziel, eine Familie zu gründen), werden sie auch ihren Mutterpflichten nachgehen müssen, und diese seien mit einem akademischen Beruf nicht vereinbar.45

      Trotzdem ist Rösler der Meinung, dass Frauen generell nicht zu einem wissenschaftlichen Arbeiten fähig sind: „Eigentlich wissenschaftliches Denken und wissenschaftliche Forschung ist nicht Sache des Frauengeistes; überwiegend rezeptiver Natur sind sie viel mehr geschickt, Gegebenes sich anzueignen und bei besonderer Begabung auch selbständig zu verarbeiten.“46 Rösler verweist auf eine Studie zur Arbeitsfähigkeit der Frau, welche eindeutig nachweisen würde, dass es intellektuelle Differenzen zwischen Frau und Mann gäbe: „Die Frage, ob diese Eigentümlichkeiten in der Natur begründet oder durch die bisherige Frauenstellung in den sozialen Verhältnissen hervorgerufen seien, beantwortet Nawiasth mit Bejahung der ersteren Annahme. Nichts berechtigt zu der Behauptung, daß eine andere Erziehung oder Entwicklung diese Differenzierung ändern werde.“47 Die studierte Frau soll das Ziel der Mutterschaft verfolgen: „Die Frau sei vor allem zur Erzieherin ihrer eigenen Kinder zu erziehen.“48 Rösler fragt vor diesem Hintergrund danach, ob es im gesellschaftlichen Interesse sei, die Frau so gut wie den Mann auszubilden.49

      Einige Jahrzehnte davor kritisiert Hedwig Dohm 1872 den Theologie-Professor Jacobi sowie Philipp von Nathusius, welche beide eine Schmerzverklärung als Wesenselement eines idealen Frauenbildes betrachten. Sie stellt als paradox dar, dass Frauen von geistiger Arbeit verschont bleiben müssten, wenn sie doch tagtäglich körperlich deutlich anstrengendere Arbeit im Haushalt verrichten würden. Bezugnehmend auf Stuart Mill ist sie der Auffassung, „daß die Frau […] den Zweck ihres Daseins in sich selbst habe, also nicht in den Männern.“50

      Nach dem Ersten Weltkrieg erhöht sich die Anzahl weiblicher Arbeitskräfte dennoch abermals, wie aus einem Protokoll des Diözesanverbandstages der katholischen Arbeiterinnenvereine 1917 in Offenburg hervorgeht:

      „Unter den 9 Millionen Industriearbeitern vor dem Kriege, befanden sich schon 1 1/2 Millionen Arbeiterinnen. Diese Zahl ist inzwischen ganz ausserordentlich gewachsen, von 34,4% im ersten Kriegsjahr auf 65% bei Krupp allein von 1200 auf 15000. In einigen Krankenkassen hat sich das Verhältnis geradezu umgekehrt, früher 1:3, jetzt 3:1.“51

      Der erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 trägt durch die erhöhte Berufstätigkeit der Frauen zu einem veränderten Frauenbild in der Gesellschaft bei. Viele Frauen verrichten notgedrungen durch den Krieg so genannte Männer-Arbeiten und bewähren sich darin, was zu einem erhöhten Selbstbewusstsein und zu einer Art „Zwangsemanzipation“ führt.52

      Die Demobilierungsmaß nahmen, die durch Verordnungen in den Jahren 1919 und 1920 gegen Arbeiterinnen, Angestellte und Beamtinnen durchgeführt werden, bringen die weibliche Erwerbstätigkeit allerdings wieder auf den Vorkriegsstand zurück. Den heimkehrenden Soldaten sollen ihre Arbeitsplätze zurückgegeben werden.53

      Viele Ehemänner oder auch potentielle Ehemänner kehren allerdings nicht mehr zurück. Eine Berufstätigkeit als Durchgangsstadium zum Ziel der Ehe und Mutterschaft wird durch die Folgen des Ersten Weltkrieges deswegen für viele Frauen gar nicht erst möglich:

      „Deutschland hat einen Kriegsverlust von rund 1 800 00 Toten gehabt. Die Zahl der als Kriegsbeschädigte erwerbsunfähigen oder nachträglich an den Kriegsfolgen zugrunde gegangenen Männer läßt sich genau nicht angeben. Schon allein aus dieser Gefallenenziffer ergibt sich einerseits ein großer Witwenüberschuß – und zwar der bis dahin im Rahmen der Frauenfrage nicht existierende Überschuß von jungen Witwen […], andererseits eine starke Verminderung der Heiratsaussichten der Mädchen der entsprechenden Jahrgänge.“54

      Vielen Frauen bleibt also keine andere Wahl, als durch eine Berufstätigkeit die finanzielle Unabhängigkeit und Selbstständigkeit anzustreben.55 Sie sehen sich gezwungen, sich und ihre Familien selbst ökonomisch abzusichern.

      Eine Zunahme der außerhäuslich arbeitenden Frauen findet nicht nur im Arbeiterstand statt. Auch für die Frauen, die aus höheren Schichten kommen und eine Schulbildung erhalten durften, entstehen neue Möglichkeiten, einen Beruf zu ergreifen. Neue Berufsbilder für Frauen entstehen vor allem durch den Notstand in der Fürsorge. Mit ehrenamtlicher Hilfe lässt sich die große Not nicht mehr in den Griff bekommen, was unter anderem auch zu einer Professionalisierung der Sozialen Arbeit führt. Frauen scheinen durch ihre „Mütterlichkeit“ in besonderem Maße für diese Aufgabe befähigt zu sein.56 Rösler, der der Frau zwar die Fähigkeit zur wissenschaftlichen Forschung abspricht, spricht der Frau hinsichtlich ihrer Fähigkeiten im Vergleich zum Mann allerdings eine größere Sorgfalt zu: „Es wird allgemein zugestanden, daß durchschnittlich die Beamtinnen, Studentinnen, Pflegerinnen mehr Sorgfalt und Fleiß in ihrer Pflichterfüllung zeigen als die männlichen Berufsgenossen.“57

       Das Konzept der sozialen und geistigen Mütterlichkeit

      Diejenigen Frauen, die einem Beruf nachgehen, sei es bewusst oder gezwungen durch die Nachkriegssituation, leben in aller Regel unverheiratet und ohne Familie. Da die Tätigkeiten in den neuen Berufen sich meist im sozialen und kirchlichen Bereich befinden, wurde die der Frau zugesprochenen Mütterlichkeit als eine soziale Mütterlichkeit verstanden und das Vakuum der nicht vorhandenen Familie durch den Beruf gefüllt:

      „Für Frauen hatte sich um die Jahrhundertwende von 1900 die Lage insofern verändert, als eine Berufstätigkeit im sozial-karitativen Bereich auch von der bürgerlichen Frauenbewegung gutgeheißen und somit auch in kirchlichen Kreisen langsam akzeptiert wurde. Eine solche Tätigkeit konnte als 'soziale Mütterlichkeit' begriffen werden, sodass die Existenz als Lehrerin oder eben auch als Seelsorgehelferin zu einer neuen weiblichen Lebensform wurde: weltlich – also ohne Zugehörigkeit zu einem Orden oder einer Kongregation – und unverheiratet.“58

      Das Konzept einer geistigen Mütterlichkeit bei unverheirateten Frauen besteht bereits seit den 1870er Jahren und versteht darunter die Aufgabe der Frau, ihre „emotionalen und moralischen Qualitäten auf gesamtgesellschaftliche Verhältnisse zu übertragen: Mit den Attributen der 'geistigen Mütterlichkeit' ausgestattet, sollte auch die ledige Frau ihre familialen Rollenerwartungen erfüllen, jedoch jetzt auf das Volksganze bezogen. Ihre Kulturaufgabe sollte die erwerbstätige Frau erfüllen, indem sie ihre Mutterrolle in der Gesellschaft, und dort vor allem in pädagogischen und sozialen Berufen, auslebte.“59

      „Bei den Vertreterinnen des in den siebziger Jahren entfalteten Konzepts der 'geistigen Mütterlichkeit', das die frühen egalitären Emanzipationstheorien der bürgerlichen Frauenbewegung zurückzudrängen begann, verlagerte sich der Stellenwert, den Berufstätigkeit im Emanzipationsprozeß einnahm. Zwar verband sich in vielen Äußerungen über weibliche Arbeit auch dann noch die Hoffnung auf Qualifizierung, wirtschaftliche Unabhängigkeit und gesellschaftliche Akzeptanz. Aber parallel dazu forderten

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