Djihad. Christoph Hoenings
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Hymie Saltzmann lernte auf diese Weise Grafs Sekretärin Frau Orlowski kennen, die ihm, während er mit ihrem und Grafs Computer beschäftigt war, einen Kaffee anbot.
Saltzmann erhielt zu seinem Bedauern keinen Zugriff auf Grafs Passwort. Dieses wurde von der Sekretärin persönlich eingetippt, ohne dass er der schnellen Eingabe hätte folgen können.
Was jedoch Frau Orlowski nicht hatte ahnen können war, dass Hymie Saltzmann für die Instandsetzung ihres und Grafs PC nicht die für Großunternehmen entwickelte Reparationssoftware mit dem Virenschutzprogramm einspielte sondern eine, an der Experten in Tel Aviv und Amerikaner jüdischer Herkunft in Silicon Valley monatelang gearbeitet hatten. Dieses Programm hatte sich bereits vielfach bewährt. Es versorgte den israelischen Geheimdienst mittlerweile mit Informationen aus hunderten von Büros in der ganzen Welt.
Ab sofort würden zwei neue Informationsquellen hinzukommen.
Was immer Frau Orlowski oder Rupert Graf in ihre Computer eingäben, würde zeitgleich in Tel Aviv mitgelesen werden können.
Die beiden Wanzen in Grafs Büro und in seinem Vorzimmer zu verstecken, war ein Kinderspiel.
Schwieriger war es gewesen, eine Stelle zu finden, von der aus die Signale der beiden, auf unterschiedlichen Frequenzen sendenden Geräte empfangen werden konnten.
In der Nachbarschaft des Bürokomplexes gab es nur wenige Wohnhäuser, die allesamt einen Eindruck von geringem Wohlstand ihrer Mieter machten.
Ariel Roth hatte sich die Namensschilder an den Haustüren angesehen. Es handelte sich überwiegend um türkische Familien, um Jugoslawen und Russen oder Polen. Er hatte keinen einzigen Namen entdecken können, der auf einen jüdischen Hintergrund hingewiesen hätte.
Zwei Familien trugen arabische Namen. Roth vermutete, dass es sich um Marokkaner oder doch zumindest Nordafrikaner handelte.
Roth sprach zwar ganz leidlich Arabisch, aber nicht gut genug, um als Araber durchgehen zu können. Deshalb hatte er einen Israeli arabischer Herkunft einfliegen lassen Der Mann war im Jemen aufgewachsen, bevor er sich in Israel niederließ. Der hatte vorsichtig Kontakt zu den beiden Familienvätern geknüpft.
Der Hinweis, die DRRS plane eine geheime Rüstungszusammenarbeit mit Israel, hatte zunächst bei beiden Männern für tiefe Empörung und zur sofortigen Kooperationsbereitschaft geführt. Ohne dass sie voneinander wussten, hatten beide Männer zugestimmt, die aus dem Büro der DRRS übermittelten Daten mit den ihnen zur Verfügung gestellten Geräten aufzufangen und an vorgeblich arabische Kulturzentren in Karlsruhe und in Leipzig zu übermitteln. Diese beiden Kulturzentren waren tatsächlich Anschriften jüdischer Mitbürger, die auch in der Vergangenheit schon mit Major Ariel Roths Dienststelle zusammengearbeitet hatten.
Hymie Saltzmann hatte nach zwei Tagen bei der Computerwartungsfirma gekündigt mit der Begründung, intellektuell völlig unterfordert zu sein und selbst eine höhere gehaltliche Einstufung abgelehnt.
Allabendlich wurde Major Roth eine aus zahlreichen Pieptönen bestehende telefonische Nachricht aus Berlin übermittelt, die er mit Hilfe seines PC entschlüsselte und die die aus Grafs Büros und Wohnungen empfangenen Nachrichten wiedergab. Diese Nachrichten gab er an Oberst Ezrah Goldstein nach Tel Aviv weiter.
Mehr konnten sie im Augenblick nicht tun.
Rupert Graf ging an den Abenden der Wochenenden, die er in Düsseldorf verbringen konnte, gerne in die Diskothek Sam´s an der Königsallee. Als regelmäßiger Gast war er dort bekannt und bekam immer dieselbe Sitzecke zugewiesen, auch wenn er nicht zuvor reserviert hatte.
Das Lokal lebte davon, dass der Türsteher dafür sorgte, dass die weiblichen Gäste immer in der Überzahl waren. Normalerweise betrug das Verhältnis zwei zu eins. Hinzu kam, dass die weiblichen Gäste erheblich jünger waren als die männlichen. Dies wiederum war der Spendierlaune der männlichen Gäste zuträglich, die, umgeben von charmanten und gutaussehenden jungen Frauen, gerne Champagner bestellten und die weiblichen Gäste zum mittrinken einluden.
Als Rupert Graf gegen ein Uhr morgens gemeinsam mit Holger Brockert, einem Freund, der erfolgreich einen hohen Posten in der Werbebranche bekleidete, die Diskothek betrat, war es zum Bersten voll. Sobald der Geschäftsführer in der von Stroboskopblitzen erhellten Dunkelheit Graf erkannt hatte, gab er Graf ein Zeichen. Es dauerte einen kleinen Moment, bis andere Gäste umgesetzt worden waren und Grafs Sitzecke frei war. Noch während Graf und Brockert dabei waren Platz zu nehmen, wurde die von Graf bevorzugte Champagnermarke gebracht und die Flasche entkorkt.
Graf sah sich um.
Auf der Tanzfläche drängten sich junge Frauen, die miteinander tanzten, dazwischen einige Männer unterschiedlichen Alters. Auf der Galerie, auf der Graf und Brockert sich durch das Gedränge geschlängelt hatten, standen überwiegend Frauen und beobachteten das Geschehen auf der Tanzfläche und an der Bar. Und die Frauen musterten Graf und Brockert.
Rupert Graf war sich bewusst, dass er und sein Freund ein Paar waren, das Rätsel aufgab. Graf, in schwarzen Jeans, einem schwarzen Polohemd unter einem schwarzen Blazer, mit seinem kahlgeschorenen Kopf, Brockert mit fast schulterlangem grauem Haar und grauem Dreitagebart, aber in einem tadellosen dunkelblauen Anzug mit einem grellroten Hemd und roten Turnschuhen, sahen wahrscheinlich aus wie zwei Homosexuelle.
Trotzdem saßen sie schließlich so, dass jeder von ihnen eine junge Frau an seiner Seite hatte.
Nun war das Sam´s kein Lokal, das sich für romantische Gespräche eignete.
Kontakte wurden durch Blicke geknüpft und vertieft. Gespräche konnten nur geführt werden, indem man dem unmittelbaren Nachbarn ins Ohr brüllte, und selbst dann war nicht sicher, dass er oder sie einen verstand. In dem Getöse der Musik konnte eine Unterhaltung eigentlich nur dazu dienen, zu klären, wo man anschließend mit der gefundenen Partnerin noch hinging, zu ihr oder in die eigene Behausung.
Deshalb roch Rupert Graf den pfefferminzhaltigen Atem der jungen Dame, die neben ihm saß und sich an ihn wandte, eher, als er verstand, was sie ihm sagen wollte.
Erst beim zweiten Nachfragen verstand er, was sie rief, und auch das nur, weil er es von ihren Lippen ablas:
„Du musst sehr wichtig sein!“
„Wieso?“
„Die gesamte Ecke wurde für euch leergeräumt!“
Graf grinste.
„Mein Freund ist wichtig!“
Er konnte sehen, wie die Frau Brockert musterte.
„Den sehe ich zum ersten Mal,“ rief sie Graf ins Ohr. „Aber dich habe ich schon ein paar Mal gesehen. Und jedes Mal wurde für dich Platz gemacht!“
Graf betrachtete sie von der Seite. Hübsches Gesicht, lange blonde Haare, ein dunkles Kleid, das weit oberhalb ihrer Knie endete und an dessen Saum sie im Sitzen vergeblich zog, um ihre schlanken Oberschenkel zu bedecken.
Sie hatte akzentfreies Deutsch gesprochen. Immerhin!
Graf überlegte, ob sie ein Freudenmädchen wäre. In der Diskothek waren häufig käufliche junge Damen, wenn auch der oberen Kategorie. Die, die sich zu benehmen wussten und die Gäste nur diskret anmachten.
Rupert